Byzantinische griechisch-orthodoxe Kirche auf der Agora von Athen
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Orthodoxe Theologin zu Schuldendebakel: Griechische Bischöfe sprechen von geistlicher Krise

Athen/Zürich, 15.7.15 (kath.ch) Viele orthodoxe Bischöfe Griechenlands glauben, die Schuldenkrise ihres Landes habe einen geistlichen Ursprung und gehe auf das Fehlen von Werten zurück – mit der Zeit habe sich die Krise dann auch in der Wirtschaft bemerkbar gemacht. Dies sagt die griechisch-orthodoxe Theologin Konstantina Peppa, die in der Schweiz ihre Doktorarbeit verfasst hat, gegenüber kath.ch. In die aktuelle Krisenbewältigungspolitik der griechischen Regierung mischt sich die griechisch-orthodoxe Kirche laut Peppa aber nicht ein.

Barbara Ludwig

Die Bischöfe machten zum Beispiel darauf aufmerksam, dass in der jüngeren Vergangenheit viele Menschen verschwenderisch gelebt hätten, sagt Peppa, die an einem Gymnasium in Athen Religionskunde und Ethik unterrichtet. Das habe sie selber beobachten können. «Man lebte für einige Zeit in einer Illusion.» Die Banken vergaben leichtfertig Kredite. Die Leute gewöhnten sich daran, alles auf Kredit kaufen zu können. Die Bischöfe kritisierten, so Peppa, dass Menschenliebe und Solidarität nur noch eine untergeordnete Rolle spielten und viele Griechen in erster Linie materielle Ziele verfolgt hätten.

«Kirche respektiert die Politik»

Einzelne Bischöfe haben sich demnach zu den Ursachen der Krise geäussert. Von offiziellen Stellungnahmen der Kirche zur Krisenbewältigungspolitik der Regierung habe sie jedoch nichts gehört, sagt Peppa. «Ich finde das nicht erstaunlich. Was die Regierung macht, ist nicht Sache der Kirche. Die Kirche respektiert die Politik, und umgekehrt.»

Die Beziehungen zwischen dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, einem bekennenden Atheisten, und der Kirche bezeichnet die Theologin als «sehr gut» auf einer «oberflächlichen Ebene». Und dies obschon die Abgeordneten seiner Partei, der linken Syriza, nach ihrer Wahl ins Parlament statt des bislang üblichen «kirchlichen Eides» bloss einen «politischen Eid» abgelegt hätten. Immer wieder berichteten Medien über Besuche des Politikers beim Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, Hieronymos II., so Peppa. Insgesamt sei die Grenze zwischen Kirche und Politik klarer geworden.

Neue Sozialprojekte helfen verarmten Griechen

Die Zurückhaltung in Sachen Politik hindert die Kirche aber nicht daran, karitativ tätig zu sein. Jedes Bistum hat laut Peppa seit jeher ein eigenes Hilfswerk. Die bischöflichen Hilfswerke unterhalten Suppenküchen und Kleiderbörsen, geben Lebensmittelspenden oder Medikamente ab. Von besonderer Bedeutung sei das 2010 vom Erzbistum Athen gegründete Hilfswerk Apostoli (Mission), berichtet Peppa.

Die Gründung von Apostoli steht gemäss der Theologin unmittelbar im Zusammenhang mit der Krise, die das Land seit einigen Jahren im Griff hält. Das Hilfswerk hat zahlreiche Sozialprojekte lanciert: Es verteilt Gratis-Mahlzeiten an arme Menschen, unterstützt Familien mit Nahrungsmittel-Paketen, organisiert medizinische Versorgung für Obdachlose und Bürger, die keine Krankenversicherung haben. Die Kirche sei schon immer karitativ tätig gewesen, sagt die Theologin. Mit Apostoli sei die Unterstützung Bedürftiger aber «konkreter» geworden.

Wie viele Menschen in Griechenland derzeit in Not leben, kann Peppa nicht sagen. «Niemand weiss das genau, weil sich nicht alle beim Staat melden.» Sicher ist aber: «Jedes Jahr wird die Zahl der Arbeitslosen grösser.» Im Moment herrsche in Griechenland eine riesige Unsicherheit. «Jetzt versucht die Regierung, Griechenland in der EU zu halten. Viele Fragen sich, warum sie am vorletzten Sonntag Nein gestimmt haben.» Zwar sei es am Montag, 13. Juli, zu einer Einigung zwischen der EU und Griechenland gekommen. Ob diese aber Bestand habe, sei ungewiss. Demonstranten fordern laut Peppa Neuwahlen, falls sich die Massnahmen, zu denen sich das Land verpflichtet, als zu hart herausstellen.

Priester bekommen weniger Lohn

Im Übrigen sei auch die Kirche von der Schuldenkrise betroffen, so Peppa. In Griechenland seien Priester Beamte. Als solche hätten sie Lohnkürzungen hinnehmen müssen. Zudem müsse auch der Klerus höhere Steuern bezahlen. Auf den Reichtum der Kirche angesprochen sagt die Theologin: «Die byzantinischen Kaiser haben den Klöstern in den Jahrhunderten vor der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 viel Land geschenkt. Damit kann man heute aber nicht viel machen. Niemand hat so viel Geld, um das Land zu kaufen.» (bal)

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Byzantinische griechisch-orthodoxe Kirche auf der Agora von Athen | © KEYSTONE / imageBROKER / Paul Williams – Funkystock
15. Juli 2015 | 11:27
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