Schalgzeilen zum Flugzeugabsturz
Schweiz

Nichts wissen und doch schreiben

Kommentar von Sylvia Stam

27.3.15 (kath.ch) «Selbstmord» titelte «Blick am Abend» gestern. Von «Absicht» und «Mutwilligkeit» ist heute in anderen Zeitungen zu lesen. Die Rede ist von der Tat jenes Co-Piloten, der diese Woche die Maschine von Germanwings zum Absturz gebracht haben soll.

Aufgrund der Geräusche, die dem Flugschreiber zu entnehmen sind, sagte Staatsanwalt Brice Robin gestern vor den Medien, der Co-Pilot habe «vorsätzlich davon abgesehen, die Tür zu öffnen.» Er habe «den Willen gehabt, das Flugzeug zu zerstören.»

Es sind gewagte Worte, die der Staatsanwalt hier von sich gibt. Gewagt, weil es sich hier nicht bloss um einen «Selbstmord» handelt, der dem Co-Piloten unterstellt wird, sondern weil beim Absturz weitere Menschen ums Leben gekommen sind. Mit der Aussage, er habe vorsätzlich gehandelt, wird der Co-Pilot zum 149-fachen Mörder gemacht.

Die Basis für eine solche Aussage bleibt dünn. Die Audio-Datei des Flugschreibers bezeugt, dass der zweite Pilot um Einlass gebeten habe. Sie bezeugt ein gleichmässiges Atmen des Co-Piloten und das Betätigen von Hebeln. Mehr nicht.

Gewiss, wir alle wollen verstehen, wie es zu einer solchen Katastrophe kommen konnte. Es dürfte wohl insbesondere für die Hinterbliebenen der Opfer von grosser Bedeutung sein, die Hintergründe, die zum Tod ihrer Angehörigen führten, zu kennen. Um die damit verbundenen Emotionen verarbeiten zu können. Aber berechtigt uns dieser Wunsch, die Wissenslücke darüber, was wirklich im Cockpit vorgegangen ist, mit der Beschuldigung zum mehrfachen Mord zu füllen, selbst wenn die Theorie des «Selbstmords» die «plausibelste Antwort» ist, wie der Tages-Anzeiger sagt?

Ist es wirklich nur das Bedürfnis, die Angehörigen zu informieren, das zu solchen Mutmassungen führt, oder ist es nicht vielmehr auch unser Unvermögen, das Nicht-Wissen auszuhalten? Als Menschen begrenzt zu sein, Dinge nicht erklären zu können, wortlos und verständnislos zurückzubleiben.

Vielleicht stünde uns eine solch demutsvolle Haltung, die nur noch Fragen und Staunen zulässt, gerade in diesen Tagen gut an. Denn bald schon feiern wir Ostern, das christliche Fest, welches all das übersteigt, was Menschen sich vorstellen und erklären können. (sys)

Schalgzeilen zum Flugzeugabsturz | © 2015 Sylvia Stam
27. März 2015 | 09:58
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