Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, an der Pressekonferenz zur Missbrauchsstudie.
Schweiz

Neue Vertuschungsvorwürfe gegen Bischof Felix Gmür

Das Bistum Basel kommt nicht zur Ruhe. 2011 soll sich Bischof Felix Gmür geweigert haben, einen Missbrauchsfall nach Rom zu melden. Er berief sich dabei auf die Verjährung. Es ist das zweite Mal innert einem Monat, dass Gmür Nichthandeln vorgeworfen wird.

Annalena Müller

Erneut lässt der «SonntagsBlick» die Schweizer Kirchenwelt beben. In der heutigen Ausgabe erhebt die Zeitung neue Vertuschungsvorwürfe gegen den Basler Bischof Felix Gmür (57). Nach dem Fall Nussbaumer ist das der zweite Vertuschungsvorwurf innerhalb eines Monats gegen den Vorsitzenden der Schweizer Bischofskonferenz (SBK).

Der Bischof soll weggeschaut haben

In dem aktuellen Fall ist der Täter kein Unbekannter. Der Beschuldigte ist F. S. (69), der bereits zwischen 2005 und 2008 für Aufregung im Bistum Basel sorgte. Zu der Zeit lieferte er sich einen medienwirksamen Streit mit Kurt Koch, damals Bischof, heute Kardinal in Rom. F.S. ist seit 1992 Priester in Röschenz BL, wo er weiterhin aktiv ist.

Er wird des Missbrauchs bezichtigt: Priester Franz Sabo von Röschenz BL, 2005
Er wird des Missbrauchs bezichtigt: Priester Franz Sabo von Röschenz BL, 2005

2010 wendet sich Thomas Pfeifroth (57), selbst Priester in Deutschland, an Felix Gmür. Pfeifroth bezichtigt F.S. des Missbrauchs und fordert Gmür auf, eine kirchenrechtliche Untersuchung einzuleiten und den Fall nach Rom zu melden. Da Pfeifroth zum Zeitpunkt des mutmasslichen Missbrauchs minderjährig war, wäre die Meldung in Rom verpflichtend. Felix Gmür lehnt beides ab.

Der Fall

Thomas Pfeifroth war 17 als ihn F.S. , damals noch Priester im Bistum Bamberg, sexuell missbraucht haben soll. Die Ereignisse im Jahr 1982 scheinen gesichert, denn in einem Brief an Pfeifroth, der dem «SonntagsBlick» vorliegt, gesteht F.S. 2002 den sexuellen Kontakt. Missbraucht sieht F.S. allerdings weniger den Knaben Pfeifroth, sondern eher sein eigenes Priesteramt. Der «SonntagsBlick» zitiert aus dem Brief: «Denn ich habe dich wirklich sehr gemocht, und es ging mir nicht nur um deinen Körper, und ich habe dich ganz sicher nicht vergewaltigt!»

Das Kirchenrecht regelt die Meldepflicht eindeutig: Missbrauchsfälle, die Minderjährige betreffen, müssen in Rom gemeldet werden.
Das Kirchenrecht regelt die Meldepflicht eindeutig: Missbrauchsfälle, die Minderjährige betreffen, müssen in Rom gemeldet werden.

Zum Zeitpunkt des Briefs ist F.S. bereits seit zehn Jahren Priester in Röschenz BL. Drei Jahre später werden in der Schweiz ebenfalls Missbrauchsvorwürfe gegen F.S. erhoben. Aber F.S. kann sich als Priester halten. Zu diesem Zeitpunkt weiss noch niemand im Bistum Basel von Thomas Pfeifroth.

Anzeige wegen Missbrauchs 2010

Thomas Pfeifroth ist erst 2010 bereit, seinen Missbrauch bei den kirchlichen Stellen und Strafverfolgungsbehörden zu melden. Er wendet sich zunächst an das Bistum Bamberg. Dort geschah der Missbrauch und dort ist F.S. weiterhin inkardiniert. Dort rät man ihm, sich an das Bistum Basel zu wenden, weil F.S. dort seit 1992 als Priester angestellt ist.

Bischof Felix Gmür wendet sich scheinbar ungerne an Rom.
Bischof Felix Gmür wendet sich scheinbar ungerne an Rom.

Pfeifroth wendet sich an den Felix Gmür. «Ich beschuldige F.S,, mich als Minderjähriger und Schutzbefohlener sexuell missbraucht zu haben», zitiert der «SonntagsBlick» das Schreiben. Der Zeitung liegt auch die Reaktion des Bischofs vor, die er 2011 an das Erzbistum Berlin sandte. Gmür beruft sich darin auf die Verjährung der Straftat. Deswegen würde er kein kirchenrechtliches Strafverfahren in die Wege leiten. Und auch die Aufhebung der Verjährung – die kirchenrechtlich möglich ist – wolle der Bischof in Rom nicht beantragen.

Opfer wendet sich selbst an Rom

Mit Hilfe einer Kirchenrechtlerin wendet sich Pfeifroth schliesslich selbst an Rom. 2015 erfährt er, dass Bischof Gmür den Priester gegenüber dem Dikasterium für Glaubensfragen geschützt hat. «Der Bischof von Basel hat die Kongregation auf die Reue des beschuldigten Priesters hingewiesen. Die Kongregation hat den Bischof nun beauftragt, diesem ein angemessenes Busswerk als Ausdruck dieser Reue aufzuerlegen», zitiert der «SonntagsBlick» den Betroffenen. F.S. soll also beichten.

Für Pfeifroth ist das inakzeptabel. Sowohl dass F.S. bis heute in Röschenz als Priester tätig ist, als auch dass Bischof Gmür sich weigerte, den Fall kirchenstrafrechtlich zu untersuchen und ihn in Rom zu melden. Wegen dieser doppelten Unterlassung wirft Pfeifroth dem Basler Bischof vor, das Kirchenrecht gebrochen zu haben. Es ist das zweite Mal innert eines Monats, dass Felix Gmür sich mit diesem Vorwurf konfrontiert sieht. Es gilt die Unschuldsvermutung.


Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, an der Pressekonferenz zur Missbrauchsstudie. | © Annalena Müller
17. September 2023 | 07:30
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