Sechs Monate nach Studie: Missbrauchsbetroffene bleiben Bittsteller
Seit einem Jahr arbeiteten Missbrauchsbetroffene daran, bei der Schweizer Bischofskonferenz Gehör zu finden. Bei der Generalversammlung der Missbrauchsbetroffenen in Zürich macht Vreni Peterer, Präsidentin der IG MikU, einen neuen Anlauf. Bischof Joseph Maria Bonnemain antwortet ausweichend.
Magdalena Thiele
Per Videoschalte richtete der Bischof von Chur Joseph Maria Bonnemain das Wort an die Anwesenden. Er dankte ihnen für ihre «unersetzbare Arbeit», die sie für die Kirche leisten. Insgesamt nahmen 16 Personen an der Generalversammlung der Interessengemeinschaft für Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld (IG MikU) teil.
«Stimme der Betroffenen in die Bischofskonferenz tragen»
Das wohl Wichtigste trug Vorsitzende Vreni Peterer, selbst Missbrauchsbetroffene, erst ganz zum Schluss der zweistündigen Sitzung vor: «Es wäre uns ein Anliegen, die Stimme der Betroffenen in die Bischofskonferenz zu tragen.» Eine Bitte, die am anderen Ende der Videoschalte auf wenig Gegenliebe stiess.
Bischöfe haben keine Zeit für Missbrauchsopfer
Er werde den Wunsch eines Austausches mit in die Sitzung der Bischofskonferenz in der kommenden Woche tragen, antwortete Bischof Bonnemain.
Allerdings sei ihm der Nutzen eines solchen Gesprächs nicht offensichtlich. «Wahrscheinlich wäre es sinnvoller, wenn sie mit der Arbeitsgemeinschaft Missbrauch sprechen, die sind näher an den Dingen dran als die Bischöfe», entgegnete das Churer Kirchenoberhaupt der gefassten Vereinsvorsitzenden.
«Immerhin können sie uns nicht mehr ignorieren.»
Vreni Peterer, IG MikU
Warum sich neben der AG Missbrauch nicht auch die Mitglieder der SBK eine Stunde Zeit nehmen, um sich mit den Anliegen der Betroffenen zu befassen, erklärte der Bischof nicht. «Immerhin können sie uns nicht mehr ignorieren», sagte Vreni Peterer im Anschluss der Sitzung angesprochen auf die bischöfliche Abfuhr. «Unsere Stimme gewinnt an Gewicht mit immer mehr Unterstützern, die unsere Arbeit tragen.»
Damit bezieht sich Peterer auf die zuvor vorgestellten Zahlen: Über 50’000 Franken waren im vergangenen Jahr nach Bekanntwerden der ersten Missbrauchs-Studienergebnisse zusammengekommen – der Löwenanteil gespendet von Institutionen, unter anderem Kirchgemeinden.
Ein Spiel auf Zeit
«Unsere Stimme wird lauter», stellt Vreni Peterer fest. Die Interessengemeinschaft hat inzwischen 52 Mitglieder. «Etwa die Hälfte davon sind Betroffene. Die andere Hälfte unterstützt unser Wirken aus gesundem Idealismus.»
Mehr in Öffentlichkeitsarbeit investieren
Für das kommende Jahr wolle der Verein noch mehr in Öffentlichkeitsarbeit und die Vernetzung mit anderen Akteuren investieren. Vielleicht klappt es doch irgendwann mit der Einladung zur Bischofskonferenz. «Die Betroffenen wollen jetzt gehört werden und nicht irgendwann. Sie sind jetzt da und benötigen jetzt Unterstützung!», sagt Peterer noch. «Wir haben das Gefühl, die Kirchenleitung spielt auf Zeit und hofft darauf, dass immer weniger von uns noch da sind.»
Die Wichtigkeit ihrer Arbeit gebe ihr die Kraft, weiterzumachen. Auch wenn sie am Samstag enttäuscht nach Hause gegangen sein dürfte. Denn nicht nur Missbrauchsbetroffene wollen mehr als vertröstende Phrasen.
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