Meinrad Furrer (l.) segnet ein lesbisches Paar, Juni 2021.
Schweiz

Missio für Homosexuelle: Herrscht in den Schweizern Bistümern eine «gewisse Willkür»?

Der Verein Schwule Seelsorger Schweiz, Adamim, ortet in den Schweizer Bistümern «eine gewisse Willkür» im Umgang mit homosexuellen Mitarbeitenden. Kath.ch hat bei den Bistümern nachgefragt.

Regula Pfeifer und Barbara Ludwig

Bislang sei eine solch konzertierte Outing-Aktion in der «kleinen Schweiz» nicht zustande gekommen, schreibt Bruno Fluder mit Blick auf die Aktion in Deutschland. «Für viele Mitglieder von Adamim ist ein möglicher Stellenverlust bei einem öffentlichen Coming-out zu bedrohlich», so der Sprecher von Adamim.

Personalrecht ändern

Der Verein unterstütze die Forderung nach Änderungen im Personalrecht, um homosexuellen Mitarbeitenden Rechtssicherheit zu verschaffen. Denn die Situation zeigt sich laut Fluder so: «Noch herrscht auch in den Schweizer Bistümern diesbezüglich eine gewisse Willkür.»

Schwulen-Gruppe

Adamim ist nach eigenen Angaben eine «aktive Gruppe» von schwulen Männern im kirchlichen Dienst. Laut der Webseite des Vereins sind unter den Mitgliedern Pfarrer, Pastoralassistenten, Priester, Katecheten, Theologen, Spitalseelsorger und Ordensmänner, die verschiedenen Konfessionen angehören. (bal)

Kaum Regelungen

Tatsächlich zeigt eine Umfrage unter den Bistümern: Die Frage einer Anstellung mit Missio ist nirgends eindeutig geregelt. Am klarsten äussert sich die Pastoralverantwortliche des Bistums Basel, Barbara Kückelmann, dazu.

«Im Bistum Basel ist es in der Regel nicht möglich, in einen kirchlichen Dienst, der eine ‘Missio canonica’ voraussetzt, neu aufgenommen zu werden, wenn die betreffende Person in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.» Ausserdem gelte «für Priester die Zölibatspflicht, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.»

Individuelle Lösungen

Mit Personen, die bereits im kirchlichen Dienst stünden und eine Missio hätten, werde die Situation «individuell besprochen und nach einer für alle Beteiligten tragfähigen Lösung gesucht», so Kückelmann weiter. Bei Seelsorge-Stellen ohne Missio stelle sich im Übrigen diese Frage nicht.

Durchgehend individuell geht das Bistum St. Gallen die Frage an. «Alle Bewerbungen werden bei uns durch die Abteilung Personal geprüft, der Bischof entscheidet aufgrund dieser Vorabklärungen über eine Missio», schreibt Bistumssprecherin Sabine Rüthemann. Da könne es je nachdem eine Zu- oder Absage geben.

«In der Kirche des Bistums St. Gallen sind auch homosexuelle Menschen tätig.»

Sabine Rüthemann, Bistumssprecherin

Queere Menschen werden demnach wie alle behandelt. «Es ist kein Geheimnis, dass in der Kirche des Bistums St. Gallen sowie in den Betrieben des Katholischen Konfessionsteils auch homosexuelle Menschen tätig sind», so Rüthemann.

Auch im Bistum Sitten wird die Frage der Missio für Homosexuelle individuell angegangen. Dann suche er mit der betroffenen Person das Gespräch, schreibt Richard Lehner, Generalvikar im Bistum Sitten und Sprecher des deutschsprachigen Bistumsteils. «Ich bin überzeugt, dass Wege gefunden werden, die für alle Beteiligten gangbar sind», fügt er an. Die Mitarbeitenden mit Missio werden anschliessend durch die Pfarreien oder durch andere kirchliche Institutionen angestellt. Kirchgemeinden oder eine Kantonalkirche kommen da nicht ins Spiel, weil es sie im Wallis nicht gibt.

«Dies sollte von der gesamten Bischofskonferenz behandelt werden.»

Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur

Im Bistum Chur ist die Frage bisher nicht offiziell geklärt. Immerhin äussert sich Bischof Joseph Maria Bonnemain grundsätzlich – ähnlich wie Papst Franziskus: «Jede Person, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität, ist von Gott geliebt, verdient Respekt, und ihre Würde bleibt unantastbar.» Eine Regelung auf Bistumsebene ist laut Bonnemain nicht zielführend. «Dies sollte von der gesamten Bischofskonferenz behandelt werden», sagt er. «Es darf nicht sein, dass jede Schweizer Diözese eine andere Praxis pflegt.»

Das findet auch der Bistumssprecher der Diözese Lugano. «Ich finde, dass das Thema, angesichts seiner Wichtigkeit, von der Schweizer Bischofskonferenz behandelt werden sollte», schreibt Luca Montagner. Von dort sollte dann auch die Antwort kommen.

Option: Stelle umbewerten

Und was passiert, wenn eine Person die Missio nicht erhält, die für die angstrebte Stelle notwendig wäre? Daniel Kosch weiss als Generalsekretär der Römisch-katholischen Zentralkonferenz: «Verweigert der Bischof die ‘Missio’, kann die Person für diese Funktion nicht angestellt werden.» So könne etwa ein Seelsorger nicht angestellt oder gewählt werden, wenn ihm der Bischof die Missio verweigert, weil er in einer homosexuellen Partnerschaft lebt.

Immerhin gebe es dann die Möglichkeit, mit dem Bischof zu vereinbaren, «dass es für diese Stelle keine ‘Missio’ braucht und das Anstellungshindernis damit entfällt», so Kosch. 

Kirchliche Anstellungen ohne Missio nicht betroffen

Von den Vorgaben der Bistümer nicht betroffen sind alle Anstellungen, die keine Missio voraussetzen. Dazu gehören unter anderem die meisten bezahlten Stellen in den Kantonalkirchen.

Die kirchlichen «Körperschaften unterstehen dem öffentlichen Recht», erklärt Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-katholischen Zentralkonferenz. «Entsprechend gibt es keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, etc.» Dank dem dualen System sind in der Schweiz also weniger Stellen den kirchlichen Vorgaben unterstellt als etwa in Deutschland.

Zudem bedingen auch Aufgaben in der Pastoral nicht immer zwingend eine Missio. So wirkt beispielsweise der bekennende homosexuelle Theologe Meinrad Furrer zurzeit als Beauftragter für Spiritualität von Katholisch Stadt Zürich, dem Verband römisch-katholischer Kirchgemeinden. Und ab 1. Juni leitet er das Team der Luzerner St. Peterskapelle. Für beide Leitungsstellen sei keine Missio notwendig, teilen die zuständigen Sprecher Urban Schwegler und Oliver Kraaz mit.

Aber auch ohne duales System ist die Kirche als Arbeitgeber in der Schweiz weniger präsent als etwa in Deutschland, schätzt Richard Lehner, Generalvikar im Bistum Sitten. «Im Gegensatz zur kirchlichen Situation in Deutschland sind bei uns Angestellte in Schulen, Heimen, Spitälern und anderen Institutionen nicht Angestellte der Kirche. Die Kirche steht da nicht als Arbeitgeber in der Verantwortung.» (rp)

Meinrad Furrer (l.) segnet ein lesbisches Paar, Juni 2021. | © Ueli Abt
27. Januar 2022 | 16:54
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