Mentari Baumann an einem Treffen der Allianz Gleichwürdig Katholisch, Oktober 2021
Schweiz

Mentari Baumann: «Die Diskriminierung steht wie ein Elefant im Raum»

Die lesbische Katholikin Mentari Baumann* und der schwule Theologe Meinrad Furrer haben ein Treffen von queeren Menschen initiiert. Dies zum Thema: Wie reagieren wir auf das Massen-Outing kirchlich Engagierter in Deutschland?

Regula Pfeifer

Offenbar waren Sie am Donnerstag an einem Treffen queerer Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz. Ist hierzulande auch ein Massen-Outing geplant?

Mentari Baumann: Nein, aktuell ist das nicht die Idee. In der Schweiz sind wir – parallel zur kleineren Bevölkerungszahl – viel weniger queere Menschen als in Deutschland. Und es sind hier auch viel weniger Menschen von möglicher arbeitsrechtlichen Diskriminierung durch die Kirche betroffen. Denn bei uns gibt es kein kirchliches Arbeitsgesetz wie in Deutschland, das für Institutionen wie Spitäler oder Schulen gilt.

Wie kam es zum Treffen?

Baumann: Der Zürcher Theologe Meinrad Furrer und ich haben uns vorher zusammengetan und uns gefragt: Wie können wir die Energie nutzen, die durch das Massen-Outing von queeren Menschen in Deutschland entstanden ist? Und da haben wir uns entschieden, ein Netzwerk aufzubauen.

Meinrad Furrer
Meinrad Furrer

«Wir wollten einen Ort schaffen, wo sich queere Community und Kirche trifft.»

Weshalb braucht’s ein Netzwerk?

Baumann: Anderen ergeht es wohl wie mir. Ich bin in der queeren Community verankert und in der katholischen Kirche, aber diese zwei Kreise überlappen sich selten. Unser erstes Treffen am Donnerstag war ein Versuch, einen Ort zu schaffen, wo sich beides trifft.

Wo haben Sie sich getroffen?

Baumann: Unser erstes Treffen hat online stattgefunden. Wir waren eine kleine Gruppe von rund zehn Personen, die sich austauschte. Wir hoffen, dass noch mehr Leute zu uns stossen.

Ist auch der Verein Adamin dabei, der schwule Männer in der katholischen Kirche vertritt?

Baumann: Ja, es sind Menschen von Adamim dabei.

«Wir haben den Vorteil, dass unsere Anstellung nicht an eine Missio gebunden ist.»

Sind die Beteiligten geoutet?

Baumann: Einige ja – etwa Meinrad Furrer und ich –, andere nicht. Wir beiden haben den Vorteil, dass unsere Anstellung momentan nicht an eine Missio gebunden ist. Das ist bei anderen anders. Sie haben das Risiko, dass ein Outing berufliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Was kam am Treffen noch heraus?

Baumann: Eine Ungeduld war spürbar. Jene Leute, die sich schon länger für die Gleichberechtigung queerer Menschen in der Kirche einsetzen, fragen sich berechtigterweise, wieso wir immer noch darüber diskutieren. Und jüngere wie ich haben keine Lust, sich ständig mit solchen Stolpersteinen beschäftigen zu müssen.

«Das Queersein ist bei niemandem von uns das Hauptthema.»

Mentari Baumann (Mitte) an einem Treffen der Allianz Gleichwürdig Katholisch.
Mentari Baumann (Mitte) an einem Treffen der Allianz Gleichwürdig Katholisch.

Weshalb diese Ungeduld?

Baumann: Das Queersein ist bei niemandem von uns das Hauptthema. Die einen kümmern sich als Seelsorger um das Wohlergehen von Menschen, andere denken Reformthemen an, die nicht nur mit dem Queersein zu tun haben. Ich beschäftige mich ja mit unterschiedlichen Reformanliegen in der Kirche – als Geschäftsführerin der Allianz Gleichwürdig Katholisch. Aber eben: Die Diskriminierung queerer Menschen steht wie ein Elefant im Raum. Wir kommen nicht darum herum, diesen zu beachten.

«Ich frage mich oft: Wieso müssen wir überhaupt noch darüber reden?»

Ist für Sie das Thema veraltet, weil unter jungen Leuten die Akzeptanz viel grösser ist?

Baumann: Irgendwie schon. Ich frage mich oft: Wieso müssen wir überhaupt noch darüber reden? Ich selbst bewege mich in einem offenen, sehr akzeptierenden Umfeld. Und das unter Leuten innerhalb und ausserhalb der katholischen Kirche. Die Einstellung ist allerdings keine Frage des Alters. Auch Leute, die in der Kirche bereits die Synode 72 miterlebt haben, erlebe ich als sehr offen.

«Die Kirche entwickelt sich immer langsamer als die Gesellschaft.»

Kommt die Ungeduld auch daher, dass in der breiten Gesellschaft das Queersein bereits breit akzeptiert ist?

Baumann: Ja, das spielt mit. Wir sehen: Die Gesellschaft entwickelt sich, macht Fortschritte. Die Kirche entwickelt sich immer langsamer, und das bei allen gesellschaftlichen Fragen.

*Mentari Baumann ist Geschäftsführerin der kirchlichen Reformbewegung Allianz Glaubwürdig Katholisch.

Wer sich an den Treffen von queeren Menschen in der katholischen Kirche beteiligen möchte, kann Mentari Baumann oder Meinrad Furrer kontaktieren. Dies über die Social-Media-Kanäle oder per Email: mentari.baumann@gleichwuerdig.ch

Mentari Baumann an einem Treffen der Allianz Gleichwürdig Katholisch, Oktober 2021 | © Manuela Matt
6. März 2022 | 15:34
Lesezeit: ca. 3 Min.
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