Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur
Schweiz

«Mein Vater würde mit Absinth anstossen»: Bischof Bonnemain jubelt mit dem Jura

Der Jura schwelgt im Glück: Zum ersten Mal hat der jüngste Schweizer Kanton eine Vertretung im Bundesrat. Auch der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain (74), freut sich über die Wahl von Elisabeth Baume-Schneider. Bonnemain hat katalanisch-jurassische Wurzeln.

Raphael Rauch

Zum ersten Mal ist der Jura im Bundesrat vertreten. Wie finden Sie das?

Bischof Joseph Maria Bonnemain*: Grossartig! Erstens weil der Jura zum ersten Mal im Bundesrat vertreten ist, zweitens weil dies durch eine Frau geschieht und dazu noch durch eine Mutter. Ich gratuliere Elisabeth Baume-Schneider und natürlich auch Albert Rösti herzlich zu ihrer Wahl und wünsche ihnen viel Freude und Kraft in ihrem neuen Amt.

Elisabeth Baume-Schneider
Elisabeth Baume-Schneider

Welches Signal geht heute von Bundesbern aus? Ist der Jura im Bundesstaat angekommen?

Bonnemain: Der Jura ist seit 1979, als der Kanton entstanden ist, bereits im Bundesstaat angekommen. Gleichzeitig ist es das einzig Richtige, dass sich der Kanton Jura auf dem Bundesparkett immer mehr behaupten kann. Ich bin sicher, dass mein Vater, wenn er noch leben würde, heute mit Absinth mit mir anstossen würde. Er würde mir sagen: «Die Freiheitsluft, die aus unseren Freibergen kommt, kann der Politik in Bern neuen Schwung geben.»

Die Heimat von Bischof Joseph Bonnemain: Les Pommerats.
Die Heimat von Bischof Joseph Bonnemain: Les Pommerats.

Sie sagen, der Jura sei für explosive Mischungen bekannt. Wo braucht der Bundesrat Dynamit?

Bonnemain: Meine Aussage wird hier nicht präzise wiedergegeben. Bildlich habe ich manchmal gesagt, dass ich eine explosive Mischung sei, als Sohn einer separatistischen Katalanin und eines separatistischen Jurassiers. Dynamit – im übertragenen Sinn – würde ich manchmal gerne einsetzen, um die zu eng gefassten Grenzen zu sprengen. Die katholische Kirche kennt keine Grenze und ich würde mir wünschen, dass auch unser Land für Hilfesuchende und Flüchtlinge sehr offen bleibt.

Jurassier trifft Waadtländer: Bischof Joseph Bonnemain und Bundesrat Guy Parmelin 2021 in Müstair beim Mittagessen.
Jurassier trifft Waadtländer: Bischof Joseph Bonnemain und Bundesrat Guy Parmelin 2021 in Müstair beim Mittagessen.

Zum ersten Mal gibt es eine lateinische Mehrheit im Bundesrat. Ist das zu viel des Guten?

Bonnemain: Noch nie war die Vielfalt der Schweiz im Bundesrat so präsent wie jetzt: Kultur- und Mentalitätsgrenzen wurden heute eindrücklich überwunden. Besonders freute mich zu erleben, wie Nationalratspräsident Martin Candinas die Bundesratswahl in Teilen auf Romanisch geleitet hat. Erst letzte Woche noch konnte ich in Chur an seiner Wahlfeier anwesend sein. So behauptet sich auch die romanische Minderheit in Bundesbern.

Gratulationsschild für Martin Candinas an der Strasse in Disentis.
Gratulationsschild für Martin Candinas an der Strasse in Disentis.

Kennen Sie die Heimat der neuen Bundesrätin?

Bonnemain: Ich kenne Les Breuleux nicht gut, bin aber oft daran vorbeigefahren. Meine Heimatgemeinde, Les Pommerats, liegt nur zehn Kilometer davon entfernt.

Bundeshaus in Bern.
Bundeshaus in Bern.

Was erhoffen Sie sich mit Blick auf die Religionspolitik des Bundesrates?

Bonnemain: Vorher habe ich von Freiheit gesprochen. Die Religionsfreiheit ist in unserer Verfassung verankert, sowohl die individuelle wie auch die institutionelle. Ich gehe davon aus, dass auch die neue Bundesrätin dieses Grundrecht aller Bürgerinnen und Bürgern schützen wird.

* Joseph Maria Bonnemain (74) ist Bischof von Chur. Er wurde in Barcelona geboren, hat eine katalanische Mutter und einen jurassischen Vater.

Dieses Interview wurde schriftlich geführt.


Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur | © Christian Merz
7. Dezember 2022 | 18:44
Lesezeit: ca. 2 Min.
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