Katholische Bischöfe in Hebron. Ganz rechts: Felix Gmür, Bischof von Basel.
Schweiz

Mauerbau im Heiligen Land macht den Traum vom Zusammenleben zunichte

Freiburg, 28.1.17 (kath.ch) Jahr für Jahr besuchen Vertreter europäischer Bischofskonferenzen das Heilige Land, um die Tätigkeiten vor Ort zu koordinieren. Für die Schweiz hat Erwin Tanner, Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz, bereits mehrmals an diesen Treffen teilgenommen. Sein Eindruck von der Situation des Konflikts zwischen Israel und Palästina ist ernüchternd. Im Interview mit kath.ch blickt er auf die Reise von Mitte Januar zurück.

Martin Spilker

Wie geht es dem politisch stark herausgeforderten Heiligen Land heute?

Erwin Tanner: Die Lage ist spürbar angespannt. Unsicherheit vor der Zukunft und Misstrauen gegenüber dem anderen prägen das Alltagsleben der Menschen gleich welcher religiösen Herkunft. Von Jahr zu Jahr, wenn ich im Rahmen der Arbeit in der Koordinierungsgruppe für die Kirche im Heiligen Land nach Israel komme, stehen mehr Mauern da und weitere Mauern werden gebaut.

Die Christen bangen um ihre Zukunft.

Der Traum vom friedlichen Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen rückt so sichtbar und spürbar in immer weitere Ferne. Die Christen, deren Zahl im Zusammenstoss zwischen jüdischer und muslimischer Kultur und wirtschaftlicher Schwierigkeiten leider immer mehr sinkt, bangen um ihre Zukunft. Doch brennt in ihnen die unauslöschbare und auf die Heiligland-Pilger überspringende Flamme der Hoffnung weiter. Diese Hoffnung müssen wir unbedingt mit Ausdauer mittragen. Wir müssen diese Menschen mit klaren Worten und spürbaren Taten unterstützen.

Werden solche Reisen auch dazu genutzt, dass die besuchten Institutionen – ob von israelischer oder palästinensischer Seite – die Gelegenheit nutzen, Sie für «ihre Sache» einzuspannen?

Tanner: Die Gefahr der Vereinnahmung des jährlich stattfindenden Internationalen Bischofstreffens durch politische und religiöse Akteure besteht sicher immer, doch pflegen die Bischöfe den Austausch mit allen Gesprächspartnern mit Klugheit und Liebe. Sie lassen sich über die vielschichtigen und teilweise verworrenen Problematiken unvoreingenommen informieren und streben nach einer Haltung, welche die Würde und Gerechtigkeit für alle Menschen gleichermassen fordert.

War die Zweistaaten-Lösung bei der Reise ein Thema?

Tanner: Ja, bei verschiedenen Gelegenheiten und Treffen war dieses Thema Gegenstand von Diskussionen. Auf Grund des anhaltenden israelischen Siedlungsbaus in Ostjerusalem und in der West Bank, auch nach der UNO-Resolution 2334 vom 23. Dezember 2016, macht sich jedoch starke Ernüchterung breit.

Es macht sich Ernüchterung breit.

Die Palästinensergebiete werden mit jüdischen Siedlungen getrennt oder durchlöchert, wodurch dann ein für die Staatsbildung notwendig zusammenhängendes Gebiet und eine kohärente Staatsgewalt fehlt.

Kam die Absicht von US-Präsident Trump, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, auch zur Sprache? Welche Meinung haben Sie persönlich dazu?

Tanner: Ja, auch die Absicht des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, gab zu Gesprächen Anlass. Im Falle ihrer Umsetzung käme es wohl zu einer Gewaltwelle und die Zwei-Staaten-Lösung wäre wohl endgültig in weite Ferne gerückt.

Hat sich die Bischofsgruppe als Ganzes aufgrund der Eindrücke eine Aufgabe gestellt?

Tanner: Die teilnehmenden Bischöfe bitten in ihrem Schlusscommuniqué die Christen in ihren Heimatländern dringend, die eigene Verantwortung anzuerkennen, um diesem Leiden im Heiligen Land ein Ende zu bereiten und sich für den Dialog zwischen den Menschen verschiedener Kulturen und Religionen, die Gerechtigkeit und den Frieden einzusetzen – sei es im Gebet, in der Bewusstseinsbildung oder im Handeln.

Stellungnahme der Bischöfe nach der Reise

Bischöfe beenden Reise mit Aufruf zu Frieden

An der Reise der Koordinierungsgruppe nahmen Bischöfe und Kirchenvertreter aus europäischen und nordamerikanischen Ländern sowie Vertreter von Fachorganisationen teil. Aus der Schweiz war nebst Erwin Tanner Felix Gmür, Bischof von Basel, vertreten. Die Kosten für die Reise tragen die einzelnen Bischofskonferenzen.

Katholische Bischöfe in Hebron. Ganz rechts: Felix Gmür, Bischof von Basel. | © kna
28. Januar 2017 | 11:39
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