Interreligiöse Bettagsfeier 2021 zum Thema «Mut zum Wandel – Corona-Pandemie als Herausforderung», in der Ahmadiyya Nur Moschee, Bonau TG
Schweiz

Matthias Loretan: «Die interreligiöse Bettagsfeier soll Vertrauen fördern»

Am Sonntag findet im Kloster Fischingen die 8. Interreligiöse Bettagsfeier statt. Neben dem Gebet gibt es ein Podium mit Regionalpolitikerinnen und Religionsvertretern. Ziel sei Vertrauensbildung, sagt der Präsident des Interreligiösen Arbeitskreises im Thurgau, Matthias Loretan. Denn der muslimische Religionsunterricht stehe auf dem Spiel.

Regula Pfeifer

Der katholische Seelsorger Matthias Loretan (70) engagiert sich stark für den interreligiösen Dialog. Seit rund sieben Jahren präsidiert er den Interreligiösen Arbeitskreis im Kanton Thurgau. Und dieser organisiert jeweils die Interreligiöse Feier zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag.

Matthias Loretan
Matthias Loretan

Diesmal findet die Feier am Sonntag im Kloster Fischingen statt, also einem katholisch geprägten Ort, in dem eine Benediktinergemeinschaft lebt.

«Wir wechseln den Ort jeweils – und das ist der Clous an der Sache», sagt Matthias Loretan. Einmal wird in einer katholischen Kirche, einmal in einer reformierten, einmal in einer Moschee gefeiert. Auch schon fand die Bettagsfeier im Kaffeetreff für Asylbewerbende und Geflüchtete Agathu in Kreuzlingen statt – «weil es thematisch passte», wie Loretan sagt. Es ging um Migration.

Gebet und Podiumsgespräch

Der Anlass am Sonntag hat «Verantwortung für das Gemeinwesen» zum Thema. Dazu gibt es einerseits die eigentliche Gebetsfeier mit einem freien interreligiösen Gebet, einer kurzen Koran-Rezitation und musikalischen Einlagen.

Interreligiöse Bettagsfeier 2022 zum Thema «Migration» im Kaffee Agathu für Geflüchtete in Kreuzlingen
Interreligiöse Bettagsfeier 2022 zum Thema «Migration» im Kaffee Agathu für Geflüchtete in Kreuzlingen

Und andererseits ein Podium, bei dem sich Leute aus Politik und Religion über den Bettag und das interreligiöse Zusammenleben austauschen.

Seitens der Religionen sind dabei: Christina Aus der Au, evangelische Kirchenratspräsidentin des Kantons Thurgau, Pater Gregor Brazerol, Prior des Klosters Fischingen, und Muhammed Karasoy, Imam und Thurgauer Vertreter im Dachverband islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein.

Christina Aus der Au
Christina Aus der Au

Die Frage des muslimischen Religionsunterrichts an Schulen

Aus der Politik diskutieren mit: Dominik Diezi, Regierungsrat (Die Mitte), Anders Stokholm, Stadtpräsident Frauenfeld und FDP-Grossrat, Barbara Dätwyler, Frauenfelder Stadträtin und SP-Grossrätin sowie Judith Ricklin, Lehrerin und SVP-Grossrätin. «Wir haben alle politischen Richtungen berücksichtigt«, sagt Matthias Loretan.

«Ich hoffe, dass dabei auch die gesetzliche Bestimmung zur Sprache kommt, wonach die öffentlichen Schulen im Thurgau christlichen Grundsätzen zu folgen haben.» Das könne exklusiv verstanden werden: Also nur christliche Kirchen dürfen an der Schule Religionsunterricht erteilen. Oder auch inklusiv im Sinne von: Gemäss christlichen Grundsätzen haben prinzipiell auch andere Religionsgemeinschaften das Recht, ihre Kinder an den Schulen in ihrer eigenen Religion zu unterrichten. Sofern sie sich an den rechtlichen Rahmen der öffentlichen Schule halten.

Modell Kreuzlingen ausweiten?

Der muslimische Religionsunterricht an Schulen ist das grosse Thema, mit dem sich der Interreligiöse Arbeitskreis des Kantons Thurgau aktuell beschäftigt. Denn nach 13 Jahren muslimischen Religionsunterrichts an den Schulen von Kreuzlingen und einem Jahr in Romanshorn steht die Frage im Raum, ob das Modell auf andere Orte ausgeweitet werden kann und soll. Etwa auf Weinfelden, Sulgen, Frauenfeld, Amriswil und Arbon, wo etwa 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler muslimisch sind.

Religiöse Bildung ist zentral: Imam Rehan Neziri unterrichtet muslimische Schüler:innen einer vierten Klasse in Kreuzlingen.
Religiöse Bildung ist zentral: Imam Rehan Neziri unterrichtet muslimische Schüler:innen einer vierten Klasse in Kreuzlingen.

Die Primarschulbehörde Weinfelden meldete Bedenken an. Sie wollte wissen, ob es einen politischen Willen für solche Projekte gebe und auf welchen gesetzlichen Grundlagen sie aufbauten. Aktuell kümmert sich der Vorstand des Interreligiösen Arbeitskreises um diese Fragen – im Auftrag der eigenen Vereinsbasis und der beteiligten muslimischen Organisationen. Im Mai hat Matthias Loretan beim Erziehungsdepartement nachgefragt, ob die rechtliche Grundlage für solche Projekte ausreiche. Nun hat das Erziehungsdepartement diese Anfrage positiv beantwortet und die Schulbehörden im Kanton entsprechend orientiert.

Minarett-Initiative als Initialzündung

Der heutige Präsident der Interreligiösen Arbeitskreises ist fast zufällig zu seinem interreligiösen Engagement gekommen. Als die Minarett-Initiative am Entstehen war, wirkte Matthias Loretan als Pastoralassistent in Langenthal BE. Da habe er direkten Kontakt mit dem örtlichen Imam aufgenommen. Später, als Gemeindeleiter von St. Ulrich Kreuzlingen, befand er sich in einem Umfeld, in dem rund ein Viertel der Schulkinder muslimisch waren.

Das Plakat der Anti-Minarett-Initiative 2009
Das Plakat der Anti-Minarett-Initiative 2009

Da kamen Fragen auf wie: «Warum gibt es nur Religionsunterricht für christliche Kinder? Wäre es nicht ein anerkennender Beitrag, wenn auch muslimische Kinder in ihrem Glauben unterrichtet werden könnten?»

Institutionell abgesichert

Ein paar Leute aus der reformierten und katholischen Kirche, den Schulen und der Pädagogischen Hochschule entwickelten das Projekt muslimischen Religionsunterricht an Kreuzlingens Schulen. Dabei wurde ein Trägerverein gegründet – ähnlich den Landeskirchen – mit Vertretenden aus der Moschee, den Eltern der Schulkinder und Interessierten.

Laut der unlängst publizierten Studie der Universität Freiburg (Schweiz) ist das ein Modell, das Kontinuität verspricht. Denn es ist institutionell aufgebaut und hängt nicht – wie andere Projekte muslimischen Religionsunterrichts – vom Engagement einzelner Personen ab.

Die Interreligiöse Bettagsfeier findet am Sonntag, 17. September, von 16 bis 17.30 Uhr in der Bibliothek des Klosters Fischingen statt.


Interreligiöse Bettagsfeier 2021 zum Thema «Mut zum Wandel – Corona-Pandemie als Herausforderung», in der Ahmadiyya Nur Moschee, Bonau TG | © zVg
16. September 2023 | 15:45
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