Martin Werlen und Benedikt XVI. am 6. August 2010.
Zitat

Martin Werlen kontert Kardinal Pell mit Joseph Ratzinger: Konservativismus beruht auf Geschichtsfremdheit

Der Benediktiner Martin Werlen hat kein Verständnis für eine Vereinnahmung von Benedikt XVI. durch traditionalistische Kreise. Werlen ist überzeugt, dass der verstorbene Ex-Papst an Kardinal Pells Pamphlet keine Freude gehabt hätte, denn: «Traditionalismus ist nicht ein Zuviel an Tradition, sondern ein Mangel an Tradition.»

«Auf Kardinals Pells Artikel möchte ich mit ein paar Gedanken eines grossen Theologen unserer Zeit antworten – einige halten ihn für den grössten Theologen überhaupt. Diese Einschätzung scheint mir die derzeitigen Auseinandersetzungen treffend zu beschreiben:

›Es stehen sich gegenüber einerseits ein Denken, das von der ganzen Breite der christlichen Überlieferung ausgeht und von ihr aus die ständige Weite der kirchlichen Möglichkeiten zu beschreiben sucht; auf der anderen Seite ein rein systematisches Denken, das alleine die gegenwärtige Rechtsgestalt der Kirche als Massstab seiner Überlegungen zulässt und so jede Bewegung über sie hinaus als einen Sturz ins Bodenlose scheuen muss: Ihr Konservativismus beruht auf ihrer Geschichtsfremdheit und so auf einem Mangel an Tradition, nämlich an Offenheit für das Ganze der christlichen Geschichte.’ Wer das sagt, ist Joseph Ratzinger.»

Der Benediktiner Martin Werlen (60) war von 2001 bis 2013 Abt des Klosters Einsiedeln und des Klosters Fahr. Seit 2020 steht der Walliser der Einsiedler Propstei St. Gerold im Grossen Walsertal in Vorarlberg vor. Er reagiert auf Anfrage von kath.ch auf den Artikel des überraschend gestorbenen Kardinals George Pell. (rr)


Martin Werlen und Benedikt XVI. am 6. August 2010. | © zVg
14. Januar 2023 | 10:30
Lesezeit: ca. 1 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!