Martin Piller zum Fastenbrechen im Pfarreisaal: «Anfangs gab es Berührungsängste»
Der Pfarrer von Maria Lourdes in Zürich-Seebach, Martin Piller, ist im Dialog mit Muslimen und Christinnen des Quartiers. «Wir pflegen einen regen Austausch», sagt er. Heute beteiligt er sich am Fastenbrechen im Pfarreisaal.
Regula Pfeifer
Maria Lourdes lädt heute zum Fastenbrechen des Ramadan ein. Weshalb?
Martin Piller: Dazu laden die Muslime der Sera-Stiftung ein. Ich kenne sie gut, sie gehören der Hizmet-Bewegung an. Sie sind unsere direkten Nachbarn, haben ihre Bildungsräume gleich neben unserer Kirche. So ist eine Freundschaft entstanden. Sie laden uns seit einigen Jahren jeweils einmal zum Fastenbrechen im Ramadan ein.
Sind Sie jeweils auch dabei?
Piller: Ja, ich bin immer dabei. Mit dem Präsidenten der Sera-Stiftung Hasan Hatipoglu bin ich gut befreundet.
«Ich erlebe jeweils eine schöne Stimmung.»
Wie ist Ihre Erfahrung damit?
Piller: Ich erlebe jeweils eine schöne Stimmung. Es sind jeweils etwas mehr Muslime als Christen dabei. Anfänglich, bei den ersten Fastenbrechen-Anlässen, haben die Menschen noch gezögert zu kommen. Es gab Berührungsängste. Nach den ersten guten Erfahrungen kamen jedes Jahr mehr Gäste – bis zur Zäsur durch Corona. Nun findet das gemeinsame Fastenbrechen wieder statt.
Ist der Anlass mehr als ein gemeinsames Essen?
Piller: Ja, er beginnt mit dem Gebetsaufruf für Muslime und einer Koranlesung. Dann folgt das Fastenbrechen und das gemeinsame Essen von Muslimen und Christen. Und es gibt jeweils einen kulturellen Beitrag.
«Die Hizmet-Muslime werden durch die Erdogan-Regierung verfolgt, deshalb leben sie nun bei uns.»
Heute wird ein Buch vorgestellt.
Piller: Ja, der christliche US-Pastor Jon Pahl wird über den Gründer der Hizmet-Bewegung reden, Fethullah Gülen, und sein Buch über ihn vorstellen. Die Hizmet-Muslime werden durch die Erdogan-Regierung verfolgt, deshalb leben sie nun bei uns.
Welche Kulturangebote gab es früher?
Piller: Einmal ging es um das Fasten im Islam und im Christentum. Ein anderes Mal um die muslimische Mystik, den Sufismus. Damals traten auch Derwische auf mit Rundtänzen.
«Das Fastenbrechen bei uns hat Tradition, ist keine Eintagsfliege.»
Seit wann gibt es dieses Fastenbrechen?
Piller: Seit ungefähr sieben Jahren. Es hat also Tradition, ist keine Eintagsfliege.
Ist es das einzige christlich-muslimische Treffen im Jahr in Ihrer Pfarrei?
Piller: Nein, wir pflegen einen regen Austausch mit den Hizmet-Muslimen. Wir begegnen uns drei- bis viermal pro Jahr am interreligiösen runden Tisch. Und wir besuchen einander gegenseitig bei Anlässen. So kamen beispielsweise Hassan Hatipoglu und seine Frau zum Weihnachtsessen am Heiligabend in den Pfarrsaal und nahmen anschliessend an der Mitternachtsmesse teil.
Seit wann sind Sie persönlich in Kontakt mit Muslimen?
Piller: Seit ich Pfarrer hier in Maria-Lourdes bin. Ich habe von Beginn an den Kontakt mit den anderen religiösen Gemeinschaften im Pfarreigebiet gesucht. Auch mit den Gläubigen der albanischen Moschee in der Nähe – und selbstverständlich mit der evangelisch-reformierten Kirche und hiesigen Freikirchen. Wir sind überall im Dialog. Und allen stellen wir unseren Pfarreisaal zur Verfügung, wenn sie einen grossen Saal benötigen.
Sie pflegen also die Verankerung im Quartier?
Piller: Ja. Wir haben auch das Netzwerk CareKultur «achtsam52» angestossen. Dieses vernetzt Einzelpersonen, Vereine und Institutionen, denen ein gutes Leben für alle im Quartier am Herzen liegt. Das ist sehr lebendig.
«Es werden viele Leute erwartet, denn die Buchvorstellung interessiert die muslimischen Geschwister sehr.»
Können Interessierte heute spontan dazukommen?
Piller: Anders als in den letzten Jahren ist diesmal eine Anmeldung erwünscht. Es werden viele Leute erwartet, denn die Buchvorstellung interessiert insbesondere die muslimischen Geschwister sehr, da es um den Gründer ihrer Bewegung geht.
Fastenbrechen in der römisch-katholischen Pfarrei Maria Lourdes, Zürich-Seebach: 18.30 Uhr Türöffnung, 18.50 Uhr Gebetsruf für Muslime mit Koranlesung, 19.00 Uhr gemeinsames Essen im Pfarrsaal. Anmeldung erwünscht.
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