Pfarrer Mario Pinggera bei der Töffsegnung 2019.
Kommentar

Mario Pinggera: Kurt Kochs Aussagen sind höchst problematisch

«Kurt Koch blendet den Heiligen Geist aus», schreibt der Priester Mario Pinggera über ein Interview des Schweizer Kurienkardinals. «Höchst problematisch» sei Kochs Vergleich zwischen dem Synodalen Weg und der NS-Zeit. Ein Gastkommentar.

Mario Pinggera*

Kurt Koch führt in seinem Interview mit der «Tagespost» als einzige Offenbarungsquellen «Schrift» und «Tradition» an. Sind es tatsächlich die Einzigen? Damit legitimiert sich nämlich jedweder Glaube, bis hinein in den Fundamentalismus.

Kurt Koch blendet den Heiligen Geist aus

So sind bespielweise wörtliche Auslegungen von «Levitikus» bis heute an der Tagesordnung – bis hin zur Forderung der Todesstrafe. Auch in Traditionen können sich Gewohnheiten einschleichen, die diametral zu einem gesunden Glauben stehen. Das wusste schon Jesus.

Papst Benedikt XVI. und Kurt Koch im November 2010.
Papst Benedikt XVI. und Kurt Koch im November 2010.

Wer also ausschliesslich «Schrift» und «Tradition» als einzige Offenbarungsquellen sieht, blendet vielleicht eine weitere wichtige aus, zum Beispiel: den Heiligen Geist. Und der stand den Etablierten in der Religion schon zu Zeiten Jesu im Weg.

Ein Blick in die Regel des Heiligen Benedikt

Da lohnt ein Blick in die Regel Benedikt (ich meine nicht den XVI., sondern den Mönchsvater vor über 1’500 Jahren): Das Kapitel 3 behandelt die Einberufung zum Rat. Wohlwissend betont Benedikt, dass alle (auch die Jüngsten!) zur Beratung zu rufen seien, «weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist».

Buch des Heiligen Benedikt von Nursia
Buch des Heiligen Benedikt von Nursia

Bei den Alten – Frauen und Männern – kam das damals schon schlecht an. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Benedikts Rat blieb und bleibt in der Kirchengeschichte weitgehend unerhört – über die Klöster hinaus. Sonst stünden wir jetzt nicht da, wo wir stehen.

Was ist mit dem gesunden Menschenverstand?

Eine weitere Offenbarungsquelle könnte der gesunde Menschenverstand sein, gepaart mit dem Heiligen Geist. Bleiben wir bei Benedikt und seiner Regel. Das Kapitel 21 behandelt die Dekane und damit die Obrigkeit im Kloster.

Kardinal Kurt Koch (rechts) kritisiert den Synodalen Weg in Deutschland – und damit auch Bischof Georg Bätzing (links).
Kardinal Kurt Koch (rechts) kritisiert den Synodalen Weg in Deutschland – und damit auch Bischof Georg Bätzing (links).

Die Abschnitte 5-7 behandeln einen mit Stolz «aufgeblähten» Dekan, der «Tadel verdient», bis zu drei (!) Mal zurecht gewiesen werden muss und sich nicht «bessern will(!)», er wird abgesetzt. Ein Gleiches gilt für den Prior. Ich habe mich schon oft gefragt, wieso diese von absolut gesundem Menschenverstand geprägte Regel in unserer Kirche so selten angewendet wird.

«Kochs Aussagen sind unangemessen»

Die Ausführungen von Kurt Koch in seinem Interview bezüglich der NS-Zeit und die Gleichsetzung mit aktuellen Erscheinungen im kirchlichen Umfeld sind höchst problematisch. Ich halte sie für unangemessen und sie stehen niemandem zu. So etwas dürfte gar nicht mehr vorkommen.

* Mario Pinggera ist Pfarrer von Richterswil und Dozent für Kirchenmusik an der Theologischen Hochschule in Chur. Er wurde 2019 an der Universität Zürich zum Thema «Musik und Kirche unter dem Einfluss der Nationalsozialistischen Diktatur in Südtirol» promoviert.


Pfarrer Mario Pinggera bei der Töffsegnung 2019. | © zVg
29. September 2022 | 08:40
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!