Plakat-Störaktion in Hagenbuch ZH vom 12. März 2024.
Schweiz

Linke Sachbeschädigung als Antwort auf rechten Anlass

Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner sollte am Samstag in Hagenbuch ZH auftreten. Das war zuvor in verschiedenen Medien zu lesen gewesen. Es erwies sich zwar nur als Gerücht – Folgen für die Gemeinde hatte es trotzdem. Linksaktivisten besprayten am 12. März verschiedene Gebäude.

Sarah Stutte

Auf Einladung der rechtsextremen Gruppierung «Junge Tat» sollte der umstrittene rechtsextreme Aktivist Martin Sellner in Hagenbuch eine Rede halten. Offenbar in einer Scheune im Hagenbucher Weiler Oberschneit. Auf diesen Veranstaltungsort kam man, weil der Gründer der «Jungen Tat» – der Winterthurer Manuel Corchia neben dieser wohnt und diese als Zentrale der Organisation gilt, da hier bereits mehrmals interne Anlässe stattfanden, zu denen auch die Kantonspolizei schon ausrückte.

Blick von oben auf die Zürcher Gemeinde Hagenbuch.
Blick von oben auf die Zürcher Gemeinde Hagenbuch.

Erst wurde der Auftritt Sellners via Social Media angekündigt – durch Manuel Corchia selbst, der aber schrieb, dass der Anlass in der «Region Zürich» stattfinden werde – dann nahmen es die Tageszeitungen auf. Dadurch wurde der Gemeinderat in Hagenbuch auf die Veranstaltung aufmerksam und fragte bei der «Jungen Tat» nach.

Findet der Auftritt woanders statt?

Am Dienstag kam es deshalb zu einem Treffen von Rolf Sturzenegger, Gemeindepräsident von Hagenbuch, der Gemeindeschreiberin Melanie Thomann sowie Manuel Corchia und Tobias Lingg, dem Sprecher der «Jungen Tat». Die Gemeinde habe den Kontakt proaktiv gesucht, erklärte Rolf Sturzenegger auf Anfrage von kath.ch.

Dabei kam heraus – «Auf dem Gemeindegebiet von Hagenbuch wird es am Samstag keine Veranstaltung der «Jungen Tat» mit und ohne Martin Sellner geben», sagte der Gemeindepräsident. Gemäss diesem Gespräch bestätigte Corchia selbst, dass nie die Absicht bestanden hätte, den Anlass in Hagenbuch und der Scheune in Oberschneit stattfinden zu lassen. Dafür wären die räumlichen Gegebenheiten nicht ideal gewesen.

Jemand hat ein Hakenkreuz in die Türe der Synagoge von Biel eingeritzt.
Jemand hat ein Hakenkreuz in die Türe der Synagoge von Biel eingeritzt.

Ob der Anlass aber stattdessen «ausserhalb unserer Kommune stattfinden wird, ist nicht bekannt», so Sturzenegger. Tatsächlich dementierte Corchia nicht, dass die Veranstaltung ganz abgesagt wurde. Stattdessen ist auf seinem X-Profil zu lesen: «Kommt am 16. März zum Vortrag! (Der übrigens nicht in Hagenbuch stattfindet.)». Laut NZZ ist Sellner derweil in der Schweiz eingetroffen. Dies, obwohl die Kantonspolizei Zürich bereits im Februar beim Bundesamt für Polizei (Fedpol) eine Einreisesperre gegen Martin Sellner beantragt hat.

Sprayereien und Plakate auf Fassaden

Spuren hat das Gerücht über den möglichen Auftritt Sellners in Hagenbuch aber dennoch hinterlassen. In der Nacht auf Dienstag wurden auf dem Gemeindegebiet zahlreiche öffentliche und private Gebäude unter anderem mit dem Spruch: «Kein Nazitreff in Hagenbuch» besprayt. Davon betroffen waren unter anderem die Fassaden der Feuerwehr und der Gemeindeverwaltung.

Die Antwort von Linksaktivisten auf den vermeintlichen Auftritt von Martin Sellner.
Die Antwort von Linksaktivisten auf den vermeintlichen Auftritt von Martin Sellner.

Zudem wurden an den Gebäuden Plakate befestigt. Diese waren mit dem Konterfei von Manuel Corchia und Martin Sellner sowie folgendem Text versehen: «Am Samstag 16.3., lädt die rechtsextreme «Junge Tat» um Manuel Corchia den Österreicher Martin Sellner von der faschistischen Identitären Bewegung nach Hagenbuch ein. Wir sagen Nein! Wir dulden keine Rechtsextreme in Hagenbuch oder sonst wo. Es gibt kein ruhiges Hinterland.» Gemeindepräsident Sturzenegger dazu: «Auf den Plakaten hat die «Antifaschistische Aktion» ihr Emblem hinterlassen. Die Täterschaft dürfte im Kreise von linksextremen Personen zu suchen sein.»

Wie gefährlich ist Martin Sellner?

Martin Sellner ist als führender Kopf der europaweit vernetzten «Neuen Rechten» bekannt und war von 2015 bis 2023 Sprecher der «Identitären Bewegung Österreich». Diese Bewegung vermeidet eine allzu offensichtliche NS-Terminologie und benutzt stattdessen Begriffe wie «Remigration».

Damit ist die Forderung gemeint, alle illegalen Ausländerinnen und Ausländer aus den deutschsprachigen Ländern zur Ausreise zu zwingen, allen mit einer Aufenthaltserlaubnis diese zu entziehen und nicht zuletzt auch Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund zur Ausreise zu nötigen. Sellner selbst hat Bücher zu dieser fremdenfeindlichen Idee publiziert und steht auch mit gewissen Akteuren der AfD in Kontakt.

Angegriffene Masjid Al Noor Moschee in Christchurch
Angegriffene Masjid Al Noor Moschee in Christchurch

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde der Name Martin Sellner ein Begriff, weil ihm eine Verbindung zu dem neuseeländischen Terrorattentäter von Christchurch nachgewiesen wurde. Beim dortigen Anschlag 2019 auf zwei Moscheen wurden 51 Menschen getötet und weitere 50 schwer verletzt. Die Ermittlungen gegen Sellner führten jedoch nicht zu einer Anklage.

Anschläge auf queere Community

Die «Junge Tat» wiederum hat sich aus der ebenfalls von Manuel Corchia gegründeten neonazistischen Gruppe Eisenjugend entwickelt, die 2019 vor allem auf Telegram aktiv war. Auch hier war der Terrorakt in Christchurch Thema. Auf dem Kanal wurde das Manifest des neuseeländischen Rechtsterroristen Brenton Tarrant quasi als konkrete Handlungsoption geteilt.

Diese Männer gehören laut Pride-Angaben zum homophoben Mob, der den Gottesdienst störte.
Diese Männer gehören laut Pride-Angaben zum homophoben Mob, der den Gottesdienst störte.

Man traf sich vermehrt im Raum Winterthur und plante diverse Störaktionen, ab 2021 nun als «Junge Tat». So zündeten sie im Oktober 2022 vor dem Kulturzentrum Tanzhaus in Zürich Rauchpetarden und störten eine Vorlesestunde für Kinder, die dort von Dragqueens organisiert worden war. Auch die Störaktion am Pride-Gottesdienst im selben Jahr soll auf ihr Konto gehen. Vermummte Männer versuchten damals, ein Kreuz mit der Aufschrift «No Pride Month» in die Kirche St. Peter und Paul zu tragen.

Wie steht die Gemeinde generell dazu, dass Hagenbuch offenbar der Versammlungsort der rechtsextremen «Jungen Tat» ist? «Der Gemeinderat verurteilt sowohl rechts- wie auch linksextreme Aufrufe zu Gewalt, Hass, Rassismus und Sachbeschädigung. Der Behörde ist bekannt, dass sich VertreterInnen der «Jungen Tat» jeweils in Oberschneit treffen. Diese finden in privatem Kreise statt und haben noch nie zu Reklamationen bei der Gemeindeverwaltung geführt», sagt Rolf Sturzenegger.

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Plakat-Störaktion in Hagenbuch ZH vom 12. März 2024. | © zVg
16. März 2024 | 16:26
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