Sekundarschule Buchthalen in Schaffhausen
Schweiz

Hakenkreuz und Hitlergruss: Antisemitismus auf Schaffhauser Schulhöfen

Ein Hakenkreuz auf einer Tischtennisplatte, Hitlergrüsse und die Zeichnung einer Gaskammer, in der eine Lehrerin und ein Schüler ums Leben kommen. Antisemitische Symbole sind auf Schafhausens Schulhöfen präsent. Die örtlichen Behörden reagieren überfordert.

Annalena Müller

Auf der Zeichnung zu sehen: Adolf Hitler mit gestrecktem Arm und Hakenkreuz auf der Brust. Darüber, von zwei Herzen umrandet, das Wort «Führer». Daneben ein Raum, der eine Gaskammer darstellen soll, zwei Totenköpfe, neben denen der Name einer Lehrerin und eines Mitschülers stehen.

Gefunden wurde diese Zeichnung vergangene Woche in der Schaffhauser Sekundarschule Buchthalen. Recherchen von kath.ch zeigen, es ist nicht der einzige Vorfall dieser Art. Die Schulverantwortlichen versichern: «Es herrscht null Toleranz bei Antisemitismus».

Lernende suspendiert, Fall erledigt?

Der Ablauf der Geschichte lässt sich dank des Elternbriefs der Schule, der kath.ch vorliegt, gut rekonstruieren. Nach dem Auffinden der Zeichnung wird die Klasse zur Rede gestellt. Daraufhin melden sich zwei Schülerinnen und ein Schüler und geben zu, an der Zeichnung beteiligt gewesen zu sein. Sie werden für eineinhalb Tage suspendiert und dürfen nicht am nächsten Schullager teilnehmen. Ein vierter Schüler, den die anderen als Mitzeichner benennen, streitet die Tat ab. Er wird nicht bestraft.

Werner Bächtold (SP) ist Schulpräsident in Schaffhausen
Werner Bächtold (SP) ist Schulpräsident in Schaffhausen

Für die Schule ist der Fall mit der Suspendierung und Betrafung für den Moment erledigt, sagt Werner Bächtold (SP), Schulpräsident von Schaffhausen. Auf Nachfrage berichtet Bächtold, dass mit dem vierten Schüler, Lars (Pseudonym), «intensive Gespräche» geführt würden. Man hoffe, dass Lars seine Beteiligung noch eingestehen werde. Er würde dann ebenfalls bestraft.

Kein Einzelfall

Von weiteren Fällen wisse Bächtold nichts. Ob die Lehrpersonen von ähnlichen Vorkommnissen Kenntnis hätten, könne er nicht sagen. Versuche von kath.ch, Lehrpersonen zu kontaktieren, sind unergiebig. Sie dürfen sich gegenüber den Medien nicht äussern und verweisen auf Bächtold.

Hakenkreuz auf einer Tischtennisplatte
Hakenkreuz auf einer Tischtennisplatte

Mehr Informationen erhält man von Schülern der Buchthalen-Schule und der benachbarten Zündelgut-Primarschule. Sie berichten von anderen Vorfällen.

Auf einer Tischtennisplatte der Primarschule prangt ein grosses Hakenkreuz. Das sei schon lange dort, bestätigen die vier Jungen, die sich auf dem Schulgelände den Nachmittag vertreiben. Ob sie wissen, was das Zeichen bedeute? «Ja», sagen sie. Auch den Begriff «Antisemitismus» können die circa 12-jährigen erklären. Und den Hitlergruss kennen sie auch. «Den habe ich schon öfter gesehen», sagt einer. Und: «ich finde das doof.»

«Antisemitismus schon länger ein Thema»

Auch einem Schüler der Buchthalen-Schule ist die Geste vertraut. Er erzählt kath.ch, dass «Lars» diesen gerne zeige. Ausserdem male er regelmässig Nazisymbole. Unter den Schülern sei das bekannt. Die Mutter des Jungen bestätigt: Vor einigen Monaten habe der gleiche Schüler ihrem Sohn judenfeindliche Kommentare geschickt. Sie zeigt der Journalistin Screenshots des Chats.

Primarschüler posieren bei der Tischtennisplatte. Sie finden Antisemitismus "doof"
Primarschüler posieren bei der Tischtennisplatte. Sie finden Antisemitismus "doof"

«Antisemitismus ist schon länger ein Thema», sagt die Frau. Und: Es gebe hier keine Ausreden, hinter denen man sich verstecken könne: «Die Schülerschaft der Buchthalen-Schule kommt aus bildungsnahen Kreisen. Die Eltern sind Ärztinnen, Lehrer, IT-Spezialisten.» Und «Lars» und die anderen Schüler und Schülerinnen hätten keinen Migrationshintergrund. Dieser Antisemitismus ist ein Schaffhauser Produkt.

Überforderte Institutionen

Die Fälle im Umkreis der Buchthalen und Zündelgut-Schule überraschen. Kam doch ein Artikel in den Schaffhauser Nachrichten erst am 7. März zum Schluss, dass Schaffhauser Schulen kein Antisemitismus-Problem hätten.

Die Leiterin der Dienststelle Primar und Sekundarstufe I, Ruth Marxer, sagt dort, dass der Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe I die Schüler und Schülerinnen für das Thema sensibilisiere. «Lehrpersonen sind dafür ausgebildet, adäquat auf solche Themen einzugehen und sie angemessen im Unterricht zu berücksichtigen», zitiert die Zeitung Marxer.

Werbung für die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung in einem Bus in Schaffhausen
Werbung für die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung in einem Bus in Schaffhausen

Die jetzt bekanntgewordenen Vorfälle zeigen ein anderes Bild. Die Frage, ob Bestrafen der Schüler sinnvoll sei, bejaht Bächtold. Zusätzlich habe man auch die «Fach- und Beratungsstelle Radikalisierung und Extremismus» der Schaffhauser Polizei informiert. Die Kommunikationsstelle der Polizei bestätigt dies. Man werde gemeinsam schauen, ob man weitere Schritte unternehme, so Bächtold.

Behörden passiv

Konfrontiert mit der Frage nach dem Hakenkreuz auf der Tischtennisplatte, Hitlergrüssen in der Schule und einem jüdischen Jungen, dem Mitschüler gesagt haben sollen, er solle «nach Deutschland duschen gehen», sagt Bächtold, dass er davon nichts wisse. «Diese Fälle sind uns nicht gemeldet worden.»

Wo kein Kläger, da kein Richter, also? Wenn städtische und kantonale Behörden auf Meldungen warten, ist wenig überraschend, dass sie lange nichts sehen. Zum Beispiel Hakenkreuze auf Tischtennisplatten in Primarschulen, Hitlergrüsse unter Jugendlichen.

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Anders sieht es aus, wenn man aktiv nachfragt. Sowohl die Jungs auf dem Schulgelände als auch der Schüler und seine Mutter haben bereitwillig Auskunft gegeben. Für sie war Antisemitismus in Schaffhauser Schulen nichts Neues.


Sekundarschule Buchthalen in Schaffhausen | © Annalena Müller
14. März 2024 | 16:42
Lesezeit: ca. 3 Min.
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