Bischof Joseph Bonnemain
Kommentar

Kurs halten, Bischof Joseph Bonnemain!

Hart in der Sache, sanft im Ton: Bischof Joseph Bonnemain antwortet den Kritikern des Verhaltenskodex mit den richtigen Worten. Er sollte weiterhin Kurs halten und mit gutem Beispiel vorangehen. Dazu gehört die Frage zu klären, ob Andreas Fuchs und Markus Walser den Verhaltenskodex unterschrieben haben.

Raphael Rauch

Das Schreiben, das Bischof Joseph Bonnemain am Mittwoch veröffentlicht hat, darf als gelungen bezeichnet werden: hart in der Sache, sanft im Ton – und vor allem klar und eindeutig.

Dubia und Sondervoten sind ehrlicher als ein halbherzig unterschriebener Wisch

Unmissverständlich bekräftigt der Bischof von Chur den Verhaltenskodex und betont, dass dieser im Einklang mit dem katholischen Glauben stehe. Zugleich baut er den renitenten Reaktionären im Bistum Chur eine Brücke. Ja, Dubia und Sondervoten sind möglich, solange diese den Verhaltenskodex weder relativieren noch verwässern. 

Der neue Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht im Bistum Chur gibt zu reden.
Der neue Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht im Bistum Chur gibt zu reden.

Bischof Joseph Bonnemain hat erkannt, dass ein Kulturwandel Zeit braucht. Man kann ein «krankes Bistum» (O-Ton Bonnemain am Tag seiner Bischofsweihe) nicht innerhalb von zwei Jahren therapieren. Dubia und Sondervoten sind ehrlicher als ein Wisch Papier, das man zähneknirschend unterschreibt – ohne sich wirklich Gedanken gemacht zu haben.

Führung, Supervision und Coaching

Trotzdem sollte sich der Bischof von Chur nicht zurücklehnen, sondern weiter mit gutem Beispiel vorangehen. Wer Dubia und Sondervoten zu Protokoll gibt, braucht Führung, Supervision und Coaching. Und Bischof Joseph Bonnemain darf an exponierten Stellen im Bistum kein Personal dulden, das nicht uneingeschränkt hinter dem Verhaltenskodex steht.

Andreas Fuchs war Bischofsvikar in Chur und kennt den beschuldigten Pfarrer aus dieser Zeit.
Andreas Fuchs war Bischofsvikar in Chur und kennt den beschuldigten Pfarrer aus dieser Zeit.

Was aber ist mit Bischofsvikar Andreas Fuchs? Der Bischof verweigert mit Verweis auf den Datenschutz die Auskunft darüber, ob der Diener des Leidens – Fuchs ist Mitglied der «Servi della Sofferenza» – den Verhaltenskodex unterschrieben hat.

Was ist mit Markus Walser? Rektor Christian Cebulj schweigt

Und was ist mit dem Liechtensteiner Generalvikar Markus Walser? Die Theologische Hochschule Chur lässt Anfragen unbeantwortet, ob der Kirchenrecht-Dozent den Verhaltenskodex mitträgt oder nicht. Wenn Rektor Christian Cebulj lieber schweigt, dann liegt es nun am Grosskanzler der Hochschule, an Bischof Joseph Bonnemain, für klare Verhältnisse zu sorgen.

Generalvikar Markus Walser an der Fronleichnamsprozession in Ruggell.
Generalvikar Markus Walser an der Fronleichnamsprozession in Ruggell.

Viel wichtiger als die Kontrolle durch den Bischof ist jedoch die Kontrolle durch das Volk Gottes. Die am Dienstag vorgestellte Missbrauchsstudie des Bistums Essen wirkt wie eine Vorschau auf das, was der Schweiz am 12. September blüht. 

Das Bistum Essen zeigt auch das Versagen der Laiinnen und Laien

Dann werden erste Ergebnisse der Schweizer Missbrauchsstudie vorgestellt. Wie für das Bistum Essen dürfte auch für die Schweiz gelten, dass trotz des viel gerühmten dualen Systems die Kontrollmechanismen versagt haben. Laiinnen und Laien glaubten den Opfern nicht und schützten stattdessen die Priester.

Präsentation des Verhaltenskodex im Bistum Chur: Der Graubereich ist nicht strafrechtlich relevant, der Rotbereich schon.
Präsentation des Verhaltenskodex im Bistum Chur: Der Graubereich ist nicht strafrechtlich relevant, der Rotbereich schon.

Ein Kulturwandel braucht Zeit. Umso wichtiger ist es, an die Zukunft zu denken. Jede Neuanstellung, Ernennung, Beförderung, ja jedes Entwicklungsgespräch sollte auch von der Unterstützung des Verhaltenskodex abhängig gemacht werden. Und hier haben die Körperschaften, also die Laiinnen und Laien, einen entscheidenden Hebel in der Hand.

Warum halten die Schweizer Bischöfe sich nicht an die eigenen Richtlinien?

Es darf kein Mitarbeitendengespräch mehr geben, an dem nicht das Thema Macht, Nähe und Distanz thematisiert und protokolliert wird. Das Bistum Trier zeigt diese Woche vor Gericht, wie es nicht laufen sollte: Ein Priester nimmt nicht an Präventionskursen teil – und nichts passiert. Er fährt weiterhin mit Jugendlichen in die Ferien und begeht Missbrauch. Dass Kontrolle und Konsequenz zur Führungsaufgabe eines Bischofs gehören – darüber schweigt der aktuelle Trierer Bischof Stephan Ackermann vor Gericht.

Von links Alain de Raemy, Felix Gmür und Charles Morerod
Von links Alain de Raemy, Felix Gmür und Charles Morerod

Bonnemains Schreiben weitet den Horizont. Klar wird: Die Schweizer Bischofskonferenz fordert nicht nur «ein eigenes Präventionskonzept» für jedes Bistum, sondern auch «die Erarbeitung von praktischen Verhaltenskodizes und Standards, welche die Gegebenheiten der einzelnen Institutionen, Stellen und lokalen Strukturen berücksichtigen». Nicht alle Schweizer Bistümer erfüllen bislang diese Kriterien. Auf die Ausreden am 12. September, warum das so ist und alle Mitbrüder in der Bischofskonferenz schweigend zugeschaut haben, dürfen wir schon jetzt gespannt sein. 


Bischof Joseph Bonnemain | © Christian Merz
15. Februar 2023 | 19:36
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