Papst Franziskus
Vatikan

Schönborn in Sorge um Papst-Aufbruch: «Wird er genug Gehör finden?»

ERGÄNZTE FASSUNG MIT STELLUNGNAHME KARDINAL SCHÖNBORN

Rom, 19.1.15 (kath.ch) Papst Franziskus steht nach Ansicht des deutschen Kirchenhistorikers Hubert Wolf vor einem entscheidenden Jahr. «Franziskus hat die Latte hoch gelegt, hat wunderbare Zeichen gesetzt, hervorragende Predigten gehalten», sagte Wolf am Montag gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA. Auch für Kardinal Schönborn in Wien ist der kirchliche Aufbruch durch das Pontifikat von Papst Franziskus Anlass zur Sorge: «Werden wir Schritt halten mit seinem Reformtempo?»

Nun brauche der Papst vorzeigbare Resultate, so Kirchenhistoriker Wolf mit Blick auf die im Herbst anstehende Weltbischofssynode zu Ehe und Familie. «Die Menschen wollen keine Dialogprozesse mehr ohne Ergebnis. Sie wollen, dass sich wirklich etwas bewegt.»

Derzeit sei die katholische Kirche unter anderem durch strukturelle Defizite «geknebelt», so Wolf weiter. Auswege aus dieser Krise könne auch ein Blick in die Kirchengeschichte weisen. Mit seinem neuen Buch «Krypta – Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte», das am Mittwoch erscheint, wolle er zeigen, dass es im Laufe der Geschichte immer wieder «kreative Lösungen» gegeben habe, «die für kürzere oder längere Zeit legitimerweise praktiziert wurden».

Besonders machte sich der Münsteraner Wissenschaftler für eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips innerhalb der Kirche stark. Den Gedanken, wonach die übergeordnete Ebene nur dort eingreift, wo die untere Ebene nicht allein zurechtkommt, habe die Kirche selbst ins Spiel gebracht, so Wolf. «Aber in unserem eigenen Laden wenden wir dieses Prinzip nicht an.» Dabei könnten wichtige Fragen doch auch direkt dort entschieden werden, wo sie aufkommen.

In einem Slum in Lateinamerika gebe es nun mal andere Probleme als ineiner Münchner Großstadtpfarrei. «Es geht um gestufte Zuständigkeiten, von denen auch Papst Franziskus spricht», erläuterte der Kirchenhistoriker. «Gemeinden oder Bischofskonferenzen könnten mehr Kompetenzen erhalten. Und die Kurie wäre wieder frei für ihre eigentliche Aufgabe: Dienstleistungsinstanz für die Bischöfe und alle Gläubigen zu sein.»

Kardinal zur Papstschelte an die Kurie: «Das ist schon steil»

Der kirchliche Aufbruch durch das Pontifikat von Papst Franziskus ist für einen seiner Wähler, Kardinal Christoph Schönborn, auch Anlass zur Sorge: «Werden wir Schritt halten mit seinem Reformtempo?» Wenn sich immer wieder zeige, dass der Papst aus Argentinien gerade Kirchenferne mit seinen Themen, seiner herausfordernden Art und seiner Menschlichkeit beeindrucke, stelle sich für ihn die Frage: «Wird er wirklich breites Gehör finden in der Kirche?». Wie der Wiener Erzbischof in einem Interview für das ORF-Religionsmagazin «Orientierung» anlässlich seines 70. Geburtstages am 22. Januar betonte, sei Franziskus vom Heiligen Geist an die Spitze der Weltkirche gestellt worden. Seine Wähler hätten nicht geahnt, wie sich sein Pontifikat entwickeln wird. Ihm selbst sei es ein «brennendes Anliegen», dass das Reformprogramm des Papstes auch in der Kirche angenommen und umgesetzt wird.

Franziskus Aufruf «Geht hinaus!» und sein Wort, ihm sei eine verbeulte Kirche, die an die Peripherie hinausgeht lieber als eine, «die sitzenbleibt», inspiriert laut Schönborn auch den gegenwärtigen Reformprozess in der Erzdiözese Wien. Für ihn selbst sei der Papst immer wieder eine «große Herausforderung». Dessen vorweihnachtliche Ansprache vor der Kurie, in der Franziskus 15 «Krankheiten» benannte, umschrieb Kardinal Schönborn mit dem Satz: «Das ist schon steil.» Diesen «Beichtspiegel», den sich alle großen Institutionen zu Herzen nehmen sollten, werde man sich auch in der Wiener Kirche genau anschauen.

Fragen wie «Wie viel Pfarren wird es in Zukunft geben? Werden Kirchen verkauft bzw. abgegeben?» bewegten die Gemüter. Für Schönborn muss sich die Kirche Tatsachen stellen wie jener, dass in Österreich und gerade in Wien katholische Schüler oftmals eine Minderheit in den Klassen bilden. Aber das müsse kein Anlass für Resignation sein, betonte der Erzbischof. Immerhin 80 Prozent der Österreicher wollten, dass ihre Heimat ein christliches Land bleibt. «Da müssen wir was dazu tun!», so Schönborn. Es gelte «christliche Grundhaltungen» zu pflegen, Quellen des Christseins abseits von «Etikette» zu erschließen – und als Gläubige in der Gesellschaft präsent zu sein, statt «Verschreckte, die sich in der Sakristei verschanzen», zu werden.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Gewaltakte in Frankreich äußerte Schönborn die Sorge, dass die sozialen Spannungen in Europa größer werden. Auch die Schere zwischen Modernisierungsverlierern und -profiteuren gehe auseinander. Gleichzeitig sei aber «faszinierend», wie viel Solidarität sich rund um die tragischen Ereignisse in Paris gezeigt habe – quer durch alle Schichten der Bevölkerung. Als ein «gutes Zeichen» wertete Schönborn auch, dass die Töne jener, die aus den Terrorakten «schlechtes politisches Kleingeld» machen wollten, nicht sehr laut gewesen seien. Viele Europäer ganz unterschiedlicher Herkunft würden nach den Toten von Paris spüren: «Das kann nicht der Weg sein», so Schönborns Eindruck. (kna/kathpress)

Papst Franziskus | © Oliver Sittel
19. Januar 2015 | 14:30
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