Hörsaal an Universität Freiburg.
Schweiz

Kein Sinkflug: Zahl der Theologie-Studierenden bleibt stabil

Geisteswissenschaften und Sozialwissenschaften sind für junge Menschen immer weniger attraktiv. Seit Jahren sinkt die Zahl der Studierenden. Nicht betroffen von dem Trend ist die katholische Theologie an den Fakultäten Freiburg, Luzern und Chur.

Barbara Ludwig

Der Anteil der Studierenden der Geschichte hat sich seit dem Studienjahr 2013/14 um 20 Prozent verringert, bei den Sprach- und Literaturwissenschaften sind es gar 34 Prozent. Das meldeten verschiedene Schweizer Medien vergangene Woche. Auch die Politikwissenschaft musste Federn lassen, dort betrug der Rückgang elf Prozent.

Wie aber steht es um die katholische Theologie in der Schweiz? Dass die theologischen Fakultäten im Zeitalter der Säkularisierung nicht gerade überrannt werden, dürfte bekannt sein. Das zeigen die Zahlen zu den Studienanfängerinnen und -anfänger, die kath.ch auf Anfrage erhielt: In Freiburg haben im Jahr 2023 17 Personen ein Theologiestudium begonnen, in Luzern waren es im gleichen Jahr 114 Personen. 2022 waren es 19 in Freiburg und 84 in Luzern.

Dennoch ist vom Sinkflug bei den Geistes- und Sozialwissenschaften die Theologie in Freiburg, Luzern und Chur nicht betroffen.

Seit 2013 stabile Zahlen in Freiburg

In Freiburg kann Theologie auf Französisch und auf Deutsch studiert werden. Mit 60 Prozent sind die Französischsprachigen heute deutlich stärker präsent als ihre Kolleginnen und -kollegen deutscher Zunge, wie Dekan Joachim Negel sagt.

Universität Freiburg (Schweiz), Miséricorde.
Universität Freiburg (Schweiz), Miséricorde.

2013/14 studierten laut Angaben des Bundesamtes für Statistik insgesamt 316 Personen in Freiburg Theologie, im Studienjahr 2022/23 waren es 293. Zwischendurch gab es Peaks mit 338 (2015/16) und 337 (2018/19) Studierenden. Diese Personen waren in einem Bachelor-, Master-, Lizentiats- oder Doktoratsstudium; nicht berücksichtigt sind dabei spezielle Studiengänge, etwa religionswissenschaftlicher Art. Das zeigt: Die Gesamtzahlen sind relativ stabil, wenn auch auf niedrigem Niveau.

Massiver Rückgang in 1990er Jahren

Wenn man von einem Niedergang in Freiburg sprechen will, muss man über 30 Jahre zurückschauen. Dort purzelte die Zahl der Studierenden, die eine theologische Erstausbildung absolvieren, ab 1991. Das zeigt eine Grafik auf der Webseite des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI), die sich auf Angaben des Bundesamtes für Statistik abstützt.

Hellgrüne Kurve: Ab 1991 wollten immer weniger Menschen in Freiburg eine theologische Erstausbildung absolvieren.
Hellgrüne Kurve: Ab 1991 wollten immer weniger Menschen in Freiburg eine theologische Erstausbildung absolvieren.

1991/92 belegten 437 Personen Theologie in einem Bachelor-, Master- oder Lizentiatsstudium (ohne Doktoratsstudium). Dann setzte ein beinahe kontinuierlicher Sinkflug ein, der mit 135 Studierenden im Jahr 2011/2012 die Talsohle erreichte. Anschliessend konnte die Fakultät Freiburg wieder aufholen.

Nicht betroffen von diesem markanten Rückgang war das Doktoratsstudium. Dort zeigt der Trend im Gegenteil deutlich nach oben. Freiburg sei stark forschungsmässig ausgerichtet, erklärt Joachim Negel dazu.

Wachstum in Luzern

Auch in Luzern kann man sich über stabile Verhältnisse freuen. Das belegen Angaben des Bundesamtes für Statistik. Zwischen 2013/14 und 2018/19 verzeichnete die Fakultät gar eine Zunahme der Theologiestudierenden, Personen im Doktoratsstudium miteingerechnet – von 197 auf 267 Personen. Im Gegensatz zur zweisprachigen und stark international geprägten Fakultät in Freiburg sind hier die Doktorandinnen und Doktoranden jedoch klar in der Minderheit.

Studierende vor der Universität Luzern.
Studierende vor der Universität Luzern.

Einen ähnlich starken Rückgang der Studierendenzahlen musste Luzern bislang nicht hinnehmen. Das zeigt die erwähnte, bis 1980 zurückreichende Grafik des SPI. 2017/18 absolvierten dort mehr Personen (245) eine theologische Erstausbildung als 1980/81 (163). Es gab zwar auch einige Baissen, aber tendenziell nahm das Interesse an einem Studium in der Stadt an der Reuss zu.

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Leichter Corona-Knick

Bei der kleinen Theologischen Hochschule in Chur handelt es sich um eine kirchliche Einrichtung. 2013/14 studierten dort 54 Personen Theologie, in den Folgejahren bewegte sich die Zahl auf einem stabilen Niveau zwischen 49 und 54. Was auffällt ist eine kleine Baisse, ab 2019/20, wo die Zahl plötzlich auf 45 zurückfällt und dann unter der 50-er Marke verharrt.

Joachim Negel, Theologe.
Joachim Negel, Theologe.

Dieses Phänomen lässt sich auch an den grösseren Fakultäten Freiburg und Luzern beobachten. Es ist ein leichter Corona-Knick, den auch der Freiburger Dekan Joachim Negel erwähnt. In Freiburg fällt die Zahl der Studierenden von 337 (2018/19) auf 304 (2019/20) und 293 (2022/23) zurück. Ob dafür die Pandemie verantwortlich ist, bleibt allerdings offen. «Obwohl ich gerne 100 oder 200 Studierende mehr hätte, ist unsere Fakultät insgesamt erfreulich stabil, wir haben keine signifikanten Einbrüche», sagt Negel.

Nicht einbezogen wurde die Entwicklung der Theologischen Fakultät in Lugano, wo ebenfalls Theologie studiert werden kann.

Wie die Fakultäten das Interesse für Theologie wecken

Wie macht man jungen Menschen Lust auf ein Theologiestudium? Die Theologischen Fakultäten versuchen dies mit unterschiedlichen Mitteln. Freiburg organisiert Werbeveranstaltungen an Gymnasien in der Deutschschweiz und verleiht einen Maturapreis, sagt Dekan Joachim Negel. Professionelle Filme, die für bestimmte Studiengänge werben, zählten zu den Massnahmen im Bereich Medienarbeit. Die Fakultät hat auch verschiedene Fortbildungsveranstaltungen für interessierte Nicht-Theologen entwickelt. Etwa einen CAS «Grundfragen der christlichen Existenz», einen MAS «Christliche Spiritualität» und einen CAS «Integral Economic».

Die Theologische Fakultät Luzern hat stark auf neue Studiengänge gesetzt. Sie hat unter anderem «Theologie im Fernstudium», einen «Master in Philosophy, Theology and Religions» in englischer Sprache sowie einen «Master Ethik» eingeführt. Das teilt Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte, mit. Die neuen Studiengänge haben laut Ries zu einem Anstieg der Anzahl immatrikulierter Studierender ab 2014 geführt. Zugleich hätten die Massnahmen die Reichweite der Studiengänge geografisch, kulturell und fachlich erhöht.

Die Theologische Hochschule Chur will vor allem ein attraktives Präsenzstudium bieten und dieses kontinuierlich weiterentwickeln. Das teilt René Schaberger, Rektoratsassistent mit. «Wir streben danach, den Studierenden durch eine flexible Studiengestaltung und persönliche Betreuung die bestmögliche akademische Ausbildung zu bieten.» Schaberger erwähnt zudem Zusatzangebote wie Stimmbildung, Bildungsreisen, Schreibkurse, spirituelle Veranstaltungen sowie Psychologiekolloquien. Diese sollen das Leben der Studierenden bereichern und ihre Persönlichkeit fördern. Die THC sei zudem in den Sozialen Medien präsent. (bal)


Hörsaal an Universität Freiburg. | © Annalena Müller
28. Februar 2024 | 17:00
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