Kardinal Walter Kasper am 4. April 2019 in Rom.
Schweiz

Kardinal Walter Kasper: «Ivo Fürer schaute nach vorne, erkannte die Probleme und nannte sie beim Namen»

Kardinal Walter Kasper hat den St. Galler Bischof Ivo Fürer sehr geschätzt. An europäischen Treffen sei bischöfliche Kollegialität gelebt worden: «Es wäre mehr als wünschenswert, hätten wir auch heute mehr davon.»

Walter Kasper*

Der Tod des emeritierten Bischofs von St. Gallen, Ivo Fürer, hat mich persönlich sehr bewegt. Nicht nur weil meine Heimatstadt Wangen im Allgäu von ihrem Ursprung seit Jahr-hunderten her eng mit St. Gallen verbunden ist, sondern noch viel mehr, weil Ivo Fürer diese grenzüberschreitende Gemeinschaft Europas auf der Grundlage des christlichen Glaubens persönlich repräsentiert. 

Nachkonziliare Aufbrüche

Ich habe ihn kennengelernt als Sekretär der Konferenz der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Er war eng mit Kardinal Carlo Maria Martini verbunden, eine der herausragenden nachkonziliaren Bischofsgestalten und langjähriger Vorsitzenden der CCEE. 

Der Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini im Jahr 1998.
Der Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini im Jahr 1998.

Die Erinnerung an Ivo Fürer führt in eine Zeit zurück, die heute Vergangenheit ist, eine Zeit der nachkonziliaren Aufbrüche, in der freilich schon damals die Probleme, Konflikte und schweren Krisen, mit denen wir heute in der Kirche konfrontiert sind, deutlich erkennbar waren. Ivo Fürer schaute nach vorne, erkannte die Probleme und nannte sie beim Namen. 

Jedes Jahr ein Treffen in St. Gallen

So war er der rechte Mann, den Kardinal Martini beauftragte, miteinander befreundete europäische Bischöfe zum Austausch und zu Gesprächen einzuladen. Wir trafen uns seit den 1990er-Jahren bis zum Tod von Papst Johannes Paul II. 2005 jedes Jahr in St. Gallen zu vertraulichen persönlichen Gesprächen über die Zukunft der Kirche.

Ivo Fürer im Jahr 2014.
Ivo Fürer im Jahr 2014.

Die offene, menschen- und gastfreundliche Art von Ivo Fürer schuf dafür einen guten menschlichen und geistlichen Rahmen. So erlebten wir diese Gespräche als Ausdruck gelebter bischöflicher Kollegialität, und es wäre mehr als wünschenswert, hätten wir auch heute mehr davon. 

Ein bedeutender Hirte

Das Bistum St. Gallen und darüber hinaus die katholische Kirche in Europa hat mit Ivo Führer einen bedeutenden Bischof und Hirten verloren. Er möge nun ruhen im Gottes Frieden und Freude.

* Walter Kasper (89) war von 1989 bis 1999 Bischof von Rottenburg-Stuttgart, einem Schweizer Nachbarbistum. Er stammt aus Wangen im Allgäu, das früher zum Klosterbezirk St. Gallen gehörte. 1999 wurde Kasper Kurienkardinal und war Ökumene-Minister von Papst Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Kaspers Nachfolger wurde der damalige Bischof von Basel, Kurt Koch.


Kardinal Walter Kasper am 4. April 2019 in Rom. | © KNA
17. Juli 2022 | 11:25
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