Kardinal Michael Czerny
Theologie konkret

Kardinal Czerny: «Reformen sind in vollem Gange»

Der Kurienkardinal Michael Czerny glaubt, dass die Synode die Partizipation vorantreiben wird. Es braucht «neue Wege», damit Frauen sich besser in der Kirche einbringen können. Und: Dass der Vatikan Maria Magdalena als «Apostelin der Apostel» anerkennt, ist ein «Perspektivenwechsel». Es geschehe ein Wandel, so Kardinal Czerny.

Jacqueline Straub

Wie blicken Sie auf den synodalen Prozess?

Kardinal Michael Czerny*: Die Synode ist eine wunderbare Herausforderung für uns als Kirche. Es ist nicht einfach, aber es lohnt sich auf jeden Fall, gemeinsam zu lernen, wie wir als Kirche besser funktionieren können, um den Auftrag, den Jesus Christus uns anvertraut hat, zu erfüllen.

«Die Ergebnisse sind nicht sofort sichtbar.»

Welche Hoffnungen haben Sie?

Czerny: Meine Hoffnung ist, dass wir die Kunst des Zuhörens, des Dialogs und der Konsensfindung auf betende und geschwisterliche Weise erlernen. Auch, dass wir angesichts vieler Fragen und Differenzen gemeinsam vorankommen.

Glauben Sie, dass dies die Struktur der katholischen Kirche auf lange Sicht verändern kann?

Czerny: Wir werden sehen, welche Veränderungen die Synode mit sich bringt. Aber diese Veränderungen werden die Frucht dieser synodalen Vorgehensweise sein. Wir brauchen Zeit. Die Ergebnisse sind nicht sofort sichtbar.

Plakat über Gleichberechtigung
Plakat über Gleichberechtigung

Im Vorfeld der Synode in Rom wurden in vielen Ländern die Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen laut. Was sagen Sie dazu?

Czerny: Es zeigt, dass die Frauenfrage auf der ganzen Welt ein Anliegen ist. Es ist auch ein Beispiel dafür, dass der synodale Prozess am Werk ist. Die Synode ist nicht dazu berufen, diese Fragen zu beantworten. Sie ist dazu berufen, zu lernen, wie sie funktionieren kann. Es ist wie ein Experiment.

Glauben Sie, dass die Synode die Rolle der Frauen in der Kirche stärken wird?

Czerny: Der synodale Prozess hat dies bereits getan. Denn Frauen und Männer haben gleichberechtigt an dem synodalen Prozess teilgenommen. Zudem: Frauen und Männer sind gleichberechtigt in der katholischen Kirche.

Slogan des Kirchenfrauenstreiks von 2019: Gleichberechtigung. Punkt. Amen
Slogan des Kirchenfrauenstreiks von 2019: Gleichberechtigung. Punkt. Amen

Warum haben Frauen dann keine Möglichkeit zu den Weiheämtern zugelassen zu werden?

Czerny: Die Gleichheit der Geschlechter in der Kirche kommt nicht durch den Zugang zum Priesteramt, sondern von der Taufe. Die Taufe macht uns zu gleichwertigen Mitgliedern der Kirche, gleichwertig in jedem Aspekt der Teilhabe.

«Das tut uns leid.»

Dennoch: Berufene Frauen können keine Priesterinnen werden.

Czerny: Ich glaube, es herrscht noch immer eine altmodische Vorstellung, dass ein Priester oder ein Bischof irgendwie besser ist. Ihre Frage ist eine soziologische Frage, auf die die Kirche nur eine begrenzte Antwort geben kann, die Sie wahrscheinlich nicht glücklich machen wird. Das tut uns leid. Aber ich hoffe, dass Sie das wirkliche Leben, die wirkliche Kirche, in der Männer und Frauen die gleiche Würde haben und gleichberechtigt mitarbeiten, immer mehr zu schätzen wissen.

Das Kirchenrecht (Codex Iuris Canonici, Cic) hinter roten Buchdeckeln.
Das Kirchenrecht (Codex Iuris Canonici, Cic) hinter roten Buchdeckeln.

Ich erlaube mir nochmals nachzuhaken: Es gibt kein Recht auf die Priesterweihe, doch die Berufung eines Mannes wird von der Kirche geprüft. Die einer Frau nicht. Hier handelt es sich um eine strukturelle Diskriminierung.

Czerny: Nein, es ist keine strukturelle Diskriminierung, es ist unsere Tradition, dass Frauen nicht Priester werden können. Und Tradition ist dynamisch. Sie ist fortlaufend. Sie ist nicht statisch.

In Kürze wird im spanischsprechenden Raum ein Buch erscheinen, in dem sehr viele Frauen von ihrer Berufung zur Priesterin berichten. Haben Sie jemals eine zur Priesterin berufenen Frau getroffen?

Czerny: Vermutlich ja. Ich habe Frauen getroffen, die darüber nachdenken oder die sich an der Debatte beteiligen.

«Es bedeutet nicht Uniformität.»

Wird die Synode dezentrale Lösungen zulassen?

Czerny: Ja, ich denke, einige lokale Unterschiede werden hervorgehoben werden. Wir haben bereits grosse Unterschiede in der Weltkirche. Zum Beispiel feiern die Menschen in einem afrikanischen Land die Eucharistie anders als in Europa. Das Wort «katholisch» bedeutet allumfassend. Es bedeutet nicht Uniformität. Es bedeutet, alle einzubeziehen.

Und wie ist das möglich?

Czerny: Wir leben bereits das «Katholische», die Vielfalt in der Einheit. Einige Unterschiede werden in Zukunft vielleicht zunehmen und einige andere werden vielleicht abnehmen. Die Synode kann Vorschläge oder Entscheidungen diesbezüglich machen.

Sr. Alessandra Smerilli, die höchste Frau im Vatikan
Sr. Alessandra Smerilli, die höchste Frau im Vatikan

Sie sind Präfekt des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen. 50 Prozent ihres Teams sind Frauen. Warum ist Ihnen das wichtig?

Czerny: Es sollten die Personen eingestellt werden, die die Aufgaben hierfür am besten erfüllen können – unabhängig vom Geschlecht.

Ihr Dikasterium beschäftigt sich mit Menschenrechten. Wie kann die Rolle der Frauen in der Kirche verbessert werden?

Czerny: Zuallererst ist es wichtig, dass Frauen sich in der Kirche zuhause fühlen. Es braucht neue, bessere Wege, wie Frauen sich in der Kirche einbringen können.

Christus erscheint Maria Magdalena am Ostermorgen von Rubens und Breughel der Jüngere
Christus erscheint Maria Magdalena am Ostermorgen von Rubens und Breughel der Jüngere

Im Neuen Testament gibt es die Apostelin Junia, die im Mittelalter zu einem Mann, Junias umgewandelt wurde. Maria Magdalena wurde in der frühen Kirche «Apostelin der Apostel» genannt und auch Papst Franziskus anerkennt sie als diese und hat sie liturgisch aufgewertet. Gleichzeitig sagt der Vatikan, dass es keine weiblichen Apostel gab. Was heisst das für die Frau von heute?

Czerny: Sobald man sagt, dass Maria Magdalena «ein Apostel der Apostel» war, ist das ein Perspektivenwechsel, der sich nun besser in der Liturgie widerspiegelt. Der Wandel ist also im Gange.

«Die Reform hat nicht aufgehört, sie ist im Gange.»

Das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt die Kirche als «ecclesia semper reformanda». Gilt dieser Grundsatz noch heute?

Czerny: Ja, die Kirche ist immer dabei, sich zu reformieren. Die Reformagenda ist nicht ein Moment, in dem jemand beschliesst, eine Regel zu ändern. Die Reformagenda ist das Wachstum, das Leben der Kirche selbst, und das spiegelt sich in der Lehre der Kirche wider. Die Reform hat nicht aufgehört, sie ist im Gange. Es wird neue Ergebnisse geben. Aber wenn man sich am Anfang eines Prozesses befindet, wie die Synode zur Synodalität, kann man nicht sagen, was am Ende herauskommen wird.

Kreuz aus einem Boot, das in Lampedusa gestandet ist
Kreuz aus einem Boot, das in Lampedusa gestandet ist

Sie tragen ein einzigartiges Kreuz. Was steckt dahinter?

Czerny: Das Holz des Kreuzes ist aus einem zerstörten Flüchtlingsboot, das am Strand von Lampedusa lag. Es erinnert mich immer daran, den nach Hilfe rufenden Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – wie Jesus es getan hat.

*Kardinal Michael Czerny ist Jesuit und seit 2019 Kardinal. Er ist in Tschechien geboren und in Kanada aufgewachsen. Kardinal Czerny setzte sich in Lateinamerika, Afrika und Rom für die Soziallehre der Kirche und soziale Gerechtigkeit ein. Im April 2022 berief ihn Papst Franziskus zum Präfekten des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen.


Kardinal Michael Czerny | © Jacqueline Straub
15. Oktober 2023 | 12:06
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