Kardinal Joao Braz de Aviz
Schweiz

Kardinal Braz de Aviz ruft Schweizer Ordensleute zu Taten auf

Baar ZG, 25.9.18 (kath.ch) «Mit euch.» Unter diesem Titel trafen sich rund 400 Ordensleute aus der ganzen Schweiz in der Waldmannshalle in Baar (ZG) zum gesamtschweizerischen Ordenstag, um über die Herausforderungen und Chancen der Orden zu sprechen. In seinem Impulsreferat am Montag gab der aus Brasilien stammende Kurienkardinal Joao Braz de Aviz den Ordensleuten einige kernige Gedanken mit auf den Weg.

Der Anblick sorgt bei Passanten in der Innenstadt von Baar für Aufsehen: Über hundert Ordensfrauen und Ordensmänner marschierten in ihren unterschiedlichen Habits vom Bahnhof zum Gemeindehaus. Cars brachten die Ordensleute aus der ganzen Schweiz hierher.

Viele davon kommen aus den Westschweizer Kantonen. Manche kennen sich vom letzten Treffen vor drei Jahren, das ebenfalls in Baar stattfand. Die Versammlung wird jeweils von der Dachorganisation der Konferenz der Vereinigung der Orden und Säkularinstitute der Schweiz Kovoss Coriss durchgeführt.

Kompass-Funktion der Orden

Peter von Sury, Abt des Benediktinerkloster Mariastein und Präsident der Vereinigung der Höhern Ordensobern der Schweiz VOS`USM, schaute bei seiner Begrüssung freudig auf den bis auf den letzten Platz gefüllten Saal.

Ordensgemeinschaften spielen eine wichtige Rolle als gesellschaftliches Korrektiv.

Als erstes tritt FDP-Ständerat Joachim Eder auf das Podium. Er zeichnet in seinem Kurzreferat ein düsteres Szenario. Der Alltag in der Gesellschaft sei dominiert von Reizüberflutung, Anonymität und vom Streben nach Materiellem. Der moderne Mensch leide in einer immer unübersichtlicheren Welt an permanenter Überforderung. Deshalb spielen die Ordensgemeinschaften für Eder eine wichtige Rolle als gesellschaftliches Korrektiv. Der Zuger Politiker ruft die Ordensleute dazu auf, sich vermehrt dieser «Kompass»-Funktion bewusst zu werden.

Ungleiche Entwicklung

Der Hauptredner dieses Tages, Kardinal Joao Braz de Aviz, nimmt Joachim Eders Faden auf und spricht von den grossen Herausforderungen, von denen die Orden stehen würden. Der Präfekt der Kongregation für Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, freute sich erst einmal, die ganze Bandbreite, die das Ordensleben bietet, vor sich zu sehen.

Aus seinen Besuchen in der Schweiz kenne er Einzelpersonen wie die Vorsteher von Klöstern, Lehrerinnen und Lehrer in Klosterschulen und Ordensleute, die in Spitälern oder in der Bildung tätig sind, erklärt er vor den versammelten Gästen.

«Volk Gottes, das sind vor allem wir, die Ordensleute.»

Doch der brasilianische Kardinal sieht das Ordensleben in weiten Teilen Europas als in seiner Existenz gefährdet. Er beschwört die Einheit und ruft dazu auf: «Wir müssen zusammen unterwegs sein, die Vielfalt in der Einheit pflegen und uns nicht in gegenseitigen Abgrenzungskämpfen aufreiben.»

Geschlossenheit und Solidarität

Ein geschlossenes und solidarischeres Auftreten sei bitter nötig, denn in naher Zukunft werde aufgrund der Überalterung in den Klöstern das kontemplative Leben um fünfzig Prozent zurückgehen.

Um sich nicht entmutigen zu lassen, lohne sich der Blick auf andere Länder, wo das Ordensleben derzeit geradezu «explodiere». In seinem Referat geht Kardinal Joao Braz de Aviz näher auf die Situation der Katholiken in Vietnam ein, das 250 Ordensgemeinschaften zählt. «Jährlich kommen dort tausend neue Novizen hinzu. Das sollte uns Mut machen», betont der Kardinal.

Menschennähe und ökumenische Kontakte

Der prominente Redner aus dem Vatikan hat einen langen Forderungskatalog mitgebracht. Damit die Orden bestehen bleiben, müssen sie sich bewegen, innerlich erneuern. Er ruft die Ordensleute dazu auf, nicht nur die kirchlichen Traditionen zu kultivieren, sondern auch einen intensiven Dialog mit der Jugend von heute zu suchen und zu führen. Er erinnerte an das Zweite Vatikanische Konzil, als sich die Kirche als Volk Gottes zu verstehen begann. «Volk Gottes, das sind vor allem wir, die Ordensleute.»

«Dort möchten wir gemeinsam mit jungen Leuten Begegnungsmöglichkeiten schaffen für eine Gemeinschaft in der Vielfalt.»

Mit einem Blick auf die Mitglieder von Ordensgemeinschaften in den Kirchen der Reformation im Saal ruft Joao Braz de Aviz dazu auf, künftig vermehrt ökumenische Treffen zu organisieren, «sonst werden wir eine geschlossenen Gruppe, die nur noch auf sich selber schaut». Der Kardinal mahnt zudem zu mehr Bescheidenheit und Demut bei der Ausführung der Ämter und im Umgang mit dem Nächsten.

Er erzählt von seinen Begegnungen mit Papst Franziskus. Eindrücklich sei ihm eine Schelte des Papstes in Erinnerung geblieben, als dieser das pompöse Auftreten der Kardinäle kritisierte und ihnen zurief, «sie sollen nicht so dicke Ringe tragen». Er selber trage nur ein schlichtes Holzkreuz um den Hals. «Jesus wurde auch an ein schlichtes Holzkreuz geschlagen», betonte der Gast aus Rom.

Das «geistige Doppelleben», das Joao Braz de Aviz bei Kollegen beobachte, schwäche die Kirche von innen heraus. Umkehr sei angebracht. Das heisst: «Nahe bei den Menschen sein und Kirche nicht von oben, sondern von unten denken.»

Was für Kardinal Joao Braz de Aviz jedoch unveränderlich bleiben muss, ist die Fixierung auf Jesus als Zentrum. Er erinnert in diesem Kontext an das Konzils-Dokument «Lumen Gentium», in dem stehe: «Christus ist das Licht der Völker».

Bewegende Zeugnisse

Abschliessend geben Vertreter und Vertreterinnen verschiedener Ordensgemeinschaften Zeugnisse ab und erzählen aus ihrem Alltag. Auf die Bühne kommen Vertreter von Gemeinschaften wie «La Famille St. Jean», deren Brüder als Seelsorger in Pfarreien, Schulen und Universitäten tätig sind. Ebenso spricht eine Vertreterin von «Ordo Viginum», einer

Einen interessanten Einblick liefert Beatrice Panaro, eine Vertreterin der Scalabrini-Missionarinnen, deren Schweizer Sitz sich Solothurn befindet. Die Frauen dieses Säkularinstituts leben in verschiedenen Städten Europas in kleinen Gemeinschaften und internationalen Zentren. «Dort möchten wir gemeinsam mit jungen Leuten und Menschen verschiedener Nationalitäten, Kulturen und Religionen Begegnungsmöglichkeiten schaffen für eine Gemeinschaft in der Vielfalt», sagt Beatrice Panaro. Aktuell liege der Fokus auf der Arbeit mit Migranten.

«Wir sind auch in der Nähe von Pizzerien präsent.»

Frère Johann Clerc stellt «La comunita Shalom» vor. Die Bewegung wurde 1986 anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. in Brasilien gegründet. Überall in Brasilien, berichtet der junge Theologiestudent, baue die Bewegung «Zentren den Evangelisierung» auf. «Wir sind auch in der Nähe von Pizzerien präsent, weil sich dort viele junge Leute tummeln und man mit ihnen ins Gespräch kommen kann.» Seit 2001 ist «La comunita Shalom» auch in der italienischen Schweiz aktiv.

Kontakte pflegen

Nach den Zeugnissen folgt ein Apéro. Die Ordensleute gehen aufeinander zu. Dank Gedenkfeiern zu 500 Jahre Reformation, zum Bruder-Klausen-Jubiläum von vergangenem Jahr und durch schweizweite Ordenstreffen sind viele Kontakte entstanden. Das hört man aus den Gesprächen heraus, welche die Ordensleute führen.

Eine ad-hoc Musikgruppe ermöglichte im Verlaufe des Treffens öfters Zeiten der Besinnung und Vertiefung. Sie bestand aus zwei Menzinger Schwestern, einem Benediktiner und einem Jesuiten.

Kardinal Joao Braz de Aviz | © Walter Ludin
25. September 2018 | 16:21
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