Kanzel in einer katholischen Kirche im Thurgau
Schweiz

Kanzel frei für Muslime? Pfarreien reagieren skeptisch

Basel/Zürich, 21.1.14 (kath.ch) Eine Basler Muslimin fordert katholische und reformierte Kirchen auf, die Kanzel mit ihr zu teilen. Was sagen die Kirchen dazu? Kath.ch hat in drei multikulturellen Pfarreien nachgefragt.

Sylvia Stam

Die Muslimin Mirsada Voser, Präsidentin der bosnisch-islamischen Gemeinschaft Basel, hat in einer Radiosendung den Wunsch geäussert, mit nichtmuslimischen Menschen über den Islam in Dialog zu treten. Hintergrund sind die Attentate in Paris. Konkret möchte Voser mit römisch-katholischen und reformierten Kirchgemeinden in Kontakt treten mit der Bitte, dass diese die Kanzel mit ihr teilen. «Ich bin ein Mensch wie du. Wo habt ihr Probleme? Was müsst ihr über uns wissen?» fragt sie in der Sendung «Blickpunkt Religion» von Radio SRF (18. Januar).

Auf Nachfrage zeigt sich: Am interreligiösen Dialog sind grundsätzlich alle interessiert. Kirchenvertreter aus Bern, Zürich und Winterthur äussern sich positiv zur Idee, mit Muslimen in Dialog zu treten. Kritisch sind sie jedoch bei der Frage, ob die Kanzel der richtige Ort ist, wo dieser stattfinden soll.

Kirchgemeindehaus statt Kanzel

In Bern habe es schon einmal eine Art Kanzelteilen gegeben, teilt Ludwig Spirig, Kommunikationsbeauftragter der Kirche Region Bern auf Anfrage von kath.ch mit. «2010 sprach Saida Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, in den Gottesdiensten der Pfarrei St. Josef in Köniz und Schwarzenburg.» In Köniz sei es nach dem Gottesdienst zu einem angeregten Austausch mit den Kirchengängern gekommen, so Spirig.

Grundsätzlich sei die katholische Kirche Region Bern zu einem solchen Kanzeltausch durchaus bereit. Die Kanzel sei aber sozusagen eine «Einbahnkommunikation» und somit nicht der geeignete Ort für den Dialog. Gespräche und Informationsveranstaltungen in Kirchgemeindehäusern hält Spirig für geeignetere Gefässe.

Kein Gastrecht auf der Kanzel

Ähnlich argumentiert auch Hugo Gehring, Pfarrer in Winterthur: Die Kanzel sei nicht der Ort von Statements, sondern allenfalls von «Zeugnissen des Glaubens.» Er sieht keinen Grund, «warum jemand von islamischer Seite in diesem Gefäss Gastrecht haben sollte.» Sehr wohl denkbar wären auch für ihn Podiumsgespräche.

Gehring zweifelt ausserdem, ob ein Kanzeltausch wirklich dazu beitragen könnte, einer allfälligen Islamophobie entgegenzuwirken. «Die Auswahl der Kirchgängerinnen und Kirchgänger ist eine beschränkte Personengruppe», die nicht mit «Schweizerinnen und Schweizern» gleichzusetzen sei.

Der Pfarrer und Dekan des Dekanats Winterthur wäre durchaus bereit, anlässlich eines Freitagsgebetes in einer Moschee zu sprechen. «Aber ich bin felsenfest sicher, dass dies von der Moschee her nirgendwo erlaubt wäre. Diese Gegenseitigkeit ist in keiner Weise angezielt von muslimischer Seite.» Gehring beruft sich bei dieser Aussage auf seine langjährige Erfahrung als Religionslehrer an der Oberstufe. Bei seinen regelässigen Moscheebesuchen mit Schulklassen habe er immer wieder erfahren, «dass nur wir an Informationen und Austausch mit den Muslimen interessiert sind, aber sie in keiner Weise am Dialog mit uns.» In den 20 Jahren als Pfarrer habe er auch nie eine Anfrage von islamischer Seite gehabt, etwas übers Christentum kennen zu lernen oder eine Kirchenführung zu erleben. Er hat den Eindruck, dass auch Frau Voser nur bemüht ist, «den Nicht-Muslimen den Islam richtig zu erklären.»

Wo bleiben die Imame?

Alfred Böni, Pfarrer in der Pfarrei St. Gallus in Zürich Schwamendingen, hat verschiedene Formen des kirchlichen Dialogs mit Muslimen erlebt. In einer ökumenischen Woche Islam-Christentum – nota bene bereits im Jahr 1986! – hätten sich bis zu 350 Personen im Kirchgemeindehaus in Winterthur-Töss eingefunden, «um Spannungen zwischen dem Islam und dem Christentum in einem offenen Dialog zur Sprache zu bringen». Leider sei beim ökumenischen Abschluss-Gottesdienst jedoch kein Imam zur Mitwirkung bereit gewesen. Die ganze Woche sei dennoch bei der religiös stark gemischten Bevölkerung sehr gut angekommen und habe sicherlich geholfen, gesellschaftlich vorhandene Spannungen aufzubrechen und einander als Menschen zu begegnen.

Am vergangenen Sonntag, 18. Januar, fand in Schwamendingen der traditionelle Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen statt. «Auch hier kam die Frage nach der Mitbeteiligung eines Imams auf. Gefunden wurde schliesslich eine syrisch-stämmige muslimische Flüchtlingsfrau aus Damaskus, die einen kleinen Teil der Predigt bestritt und ein Gebet sprach.

Interreligiöses Gebet geplant

Böni will das Thema auch im ökumenischen Konvent ansprechen, der Zusammenkunft aller Seelsorgenden der vier Kirchgemeinden in Schwamendingen. Interesse wäre seiner Meinung nach sowohl auf katholischer wie auf reformierter Seite vorhanden. Die «Ladenkirche Schwamendingen», ein Projekt der reformierten Kirchgemeinde, das ideell auch von der katholischen mitgetragen werde, sei zur Zeit daran, ein interreligiöses Gebet in die Wege zu leiten, «wo vor allem auch Muslime gewünscht sind». Der Start sei für den 20. April vorgesehen. (sys)

Kanzel in einer katholischen Kirche im Thurgau | © Barbara Ludwig
21. Januar 2015 | 12:13
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