Josef Annen
Schweiz

Josef Annen: «Die Rolle der Frau in der Kirche ist sicher die drängendste Frage»

Der ehemalige Generalvikar Josef Annen ist seit 50 Jahren Priester. Am Sonntag, 30. April, feiert er sein Priesterjubiläum in Zürich. Er blickt zurück auf die dramatischen Veränderungen in der Kirche: Zweites Vatikanum, Jugendseelsorge in Luzern und Zürich, Gottesdienst und Liturgie in Winterthur. Dabei äussert er sich auch zur Rolle der Frauen.   

Sarah Stutte

Sie feiern am Sonntag Ihr 50. Priesterjubiläum. Was bedeutet Ihnen das?

Josef Annen:* Es ist für mich ein Anlass, um Danke zu sagen. Meiner Familie, mit der ich all die Jahre verbunden gewesen bin. Aber natürlich auch den vielen Menschen, denen ich in diesen fünfzig Jahren begegnen durfte.

Warum wollten Sie Priester werden?

Annen: Genauso wie Zugvögel bin ich einem inneren Kompass gefolgt. Meine Eltern waren religiös und in der Kirche engagiert. Ich selbst habe mich deshalb schon von klein auf immer wohl gefühlt in der Kirche. Bei der Erstkommunion sagte ich mir: Lieber Jesus, hier ist es schön. Ich werde auch einmal Pfarrer. Die Frage nach dem Grund unseres Lebens hat mich stets interessiert.

«Wir sind da, um mit euch gemeinsam unterwegs zu sein.»

Wie haben Sie Ihre Priesterweihe erlebt?

Annen: In dem Jahrgang 1973 waren wir vier Anwärter. Der Gottesdienst fand in Kloten statt. Er war bewusst schlicht gehalten – mit den Pfarrern von Kloten und Winterthur, dem Bischof und dem damaligen Regens. Wir wollten uns als Priester nicht erhaben fühlen und somit von den anderen Gläubigen unterscheiden. Stattdessen war uns wichtig zu zeigen: Wir sind da, um mit euch gemeinsam unterwegs zu sein.

Sie waren von 1980 bis 1987 in der deutschsprachigen Jugendseelsorge in Luzern und Zürich tätig. Was ist Ihnen aus dieser Zeit am meisten in Erinnerung geblieben?

Annen: Ich habe mich dabei als eine Art Geburtshelfer gesehen. Gott war schon lange bei den jungen Menschen, bevor ich ihnen begegnet bin. Ich habe ihnen lediglich dabei geholfen, zu entdecken, dass das Leben mehr ist, als sich nur hier in dieser Welt zu bewegen. Wir haben unsere Wurzeln im Himmel.

«Volle Kirchen vor dem Zweiten Vatikanum.»

Wie hat sich die Liturgie für Sie verändert?

Annen: Ich bin vor dem Zweiten Vatikanum aufgewachsen. Ich habe also noch die alte Liturgie auf Lateinisch erlebt. Und der Priester stand mit dem Rücken zum Volk. Die Anzahl der Gläubigen hat mich beeindruckt. Diese Teilnahme hat nach dem Zweiten Vatikanum stetig abgenommen. Das macht viel aus für die Atmosphäre der Feier und der Liturgie, wenn eine grosse Gemeinschaft den Gottesdienst mitträgt und mitsingt.

Sie haben also noch vor vollem Haus Gottesdienste gefeiert und dann gesehen, wie nach und nach die Kirchen leerer wurden. Wie war das für Sie?

Annen: Das fällt mir erst jetzt richtig auf, wenn ich Gottesdienst-Vertretungen im Kanton Zürich mache. Früher als Generalvikar hatte ich sehr viele spezielle Anlässe wie Firmungen oder Jubiläen – da war die Kirche immer voll. Jetzt habe ich solche Feiern nur noch vereinzelt, da fallen die leeren Kirchbänke mehr ins Gewicht.

«Ich setze mich für das Diakonat der Frau ein.»

Nimmt die Motivation als Pfarrer dann nicht ab, wenn man als solcher nur vor zwei Menschen einen Gottesdienst hält?
Annen: Nein. Die Seelsorgearbeit ist mir für zwei Personen genauso wichtig wie für zwanzig.

Sollen Frauen konzelebrieren dürfen?

Annen: Die Rolle der Frau in der Kirche ist sicher die drängendste Frage in der weltweiten Kirche. Ich setze mich schon seit Jahren aktiv für das Diakonat der Frau ein und sehe keine gewichtigen Gründe, die gegen Priesterinnen sprechen. Für die Konzelebration ist die Weihe jedoch die Voraussetzung. Die kirchenrechtliche Grundlage muss gegeben sein.

«Ein Vorwärtskommen erzwingen wollen, führt nur zu Verhärtungen.»

Vielen geht das zu langsam voran…
Annen: Ich verstehe die Ungeduld. Ein Vorwärtskommen erzwingen zu wollen, ist meiner Ansicht nach aber nicht dienlich für die Anliegen der Frauen in der Kirche. Das führt nur zu Verhärtungen.

Der zweite Teil dieses Interviews erscheint am 30. April. Josef Annen erzählt von seiner Zeit als Regens am Priesterseminar und vom Konflikt im Bistum Chur, der ihn beinahe das Leben gekostet hat.

*Der Priester Josef Annen hat das Bistum Chur jahrzehntelang geprägt. Geboren wurde er 1945 in Küssnacht am Rigi. Nach dem Studium in Theologie und Philosophie in Chur und Tübingen erfolgte 1973 die Priesterweihe. Es folgte ein Promotionsstudium in Münster. Danach war er Vikar und Jugendseelsorger in Winterthur und Zürich, 1987–2000 Pfarrer in St. Peter und Paul in Winterthur und 2000–2009 Regens am Priesterseminar in Chur. Von 2009 bis 2020 war Josef Annen Generalvikar für Zürich und Glarus. Am Sonntag feiert Josef Annen um 9.30 Uhr sein Goldenes Priesterjubiläum in der Kirche St. Peter und Paul in Zürich. (sas)


Josef Annen | © Sarah Stutte
29. April 2023 | 15:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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