Jacqueline Keune, Theologin.
Schweiz

Jacqueline Keune: «Ich hoffe, dass uns die neue klimapolitische Ausrichtung unseren Lebensstil verändern lässt»

Das Schweizer Stimmvolk hat das Klimaschutz-Gesetz deutlich angenommen. Dies begrüssen Christinnen und Christen, die für die Vorlage kämpften. Doch es soll nicht bei dem Ja bleiben, findet etwa die Theologin Jacqueline Keune. Kurt Zaugg von «Oeku Kirchen für die Umwelt» mahnt, nun sollten möglichst alle am gleichen Strick ziehen: «Das Ziel Netto-Null zu erreichen, ist anspruchsvoll.»

Barbara Ludwig

Am Sonntag haben 59,1 Prozent der Stimmbeteiligten Ja zum Klimaschutz-Gesetz gesagt. Damit erhält die Schweiz Wegmarken zum Erreichen des Netto-Null-Zieles bis zum Jahr 2050 und Förderprogramme für den Ersatz von fossilen Heizungen sowie für Innovationen.

Zahlreiche kirchliche Organisationen hatten für die Vorlage geworben und dafür eine Koalition mit eigenen Webauftritt gegründet. Der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) zählte zu den treibenden Kräften des Bündnisses «Christ:innen für Klimaschutz».

Wichtiger Meilenstein

Präsidentin Simone Curau-Aepli bezeichnet die Annahme des Gesetzes als «wichtigen Meilenstein» in der Klimapolitik der Schweiz. «Endlich hat die Mehrheit der Stimmenden erkannt, dass wir uns als geografisch kleines, aber wirtschaftlich grosses Land neu ausrichten und Verantwortung übernehmen müssen», teilt sie kath.ch mit. Die Zeit dränge.

Simone Curau-Aepli setzt sich für Umwelt und Gleichstellung ein.
Simone Curau-Aepli setzt sich für Umwelt und Gleichstellung ein.

Simone Curau-Aepli kritisiert, dass sich viele christlichen Verbände und Organisationen im Kampf für das Ja engagiert hätten – «aber nur wenige Kirchgemeinden, Pfarreien oder Landeskirchen mit Statements oder Fahnen zum Klimaschutzgesetz». In der Tat wollte sich eine Mehrheit der katholischen Landeskirchen nicht zur Vorlage äussern.

«Angst vor internen Auseinandersetzungen sass noch tief»

Die Zurückhaltung zeigt nach Ansicht der SKF-Präsidentin, dass «die Angst vor den internen Auseinandersetzungen nach der Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative bei vielen noch tief sitzt». Sie wünsche sich, «dass wir durch dieses Ja ermutigt werden, uns als Christinnen und Christen auch bei anderen Themen zusammenzuschliessen und mit gemeinsamer Stimme für mehr Gerechtigkeit und Solidarität einzustehen».

Lebensstil verändern

Auch die Theologin Jacqueline Keune begrüsst die Annahme des Gesetzes. Sie sei dankbar, dass die Schweiz heute ein Zeichen für «ein Mehr an Klimagerechtigkeit, an Gerechtigkeit überhaupt» gesetzt habe. Für «die Geschwister im Süden» und alle, die nach uns die Erde bewohnen würden. Damit spielt die Theologin auf die Tatsache an, dass die Folgen des Klimawandels bislang vor allem die Bevölkerung in südlichen Ländern treffen.

Jacqueline Keune, Theologin
Jacqueline Keune, Theologin

Für Jacqueline Keune hat es sich nicht mit der Abstimmung vom Sonntag erledigt: «Ich hoffe und wünsche, dass mich und uns die neue klimapolitische Ausrichtung auch persönlich neu ausrichtet und unseren Lebensstil verändern lässt», schreibt sie in einem Statement für kath.ch.

Gemeinschaftliche statt individualistische Spiritualität

Ebenso wie Simone Curau-Aepli nimmt die Theologin die Kirche in den Blick. Vielleicht könne die Kirche gesellschaftlich nur eine Bedeutung haben, «wenn wir von einer individualistischen Spiritualität zu einer gemeinschaftlichen finden, aus der wir die Kraft schöpfen können, den Widerspruch des Evangeliums in die politischen Verhältnisse hineinzutragen und für den Schutz alles Atmenden einzustehen».

Gemeinsamer Effort überzeugte

Kurt Zaugg-Ott kämpft seit langem an vorderster Front für den Klimaschutz. Er ist Leiter der Fachstelle «Oeku Kirchen für die Umwelt» und Mitglied im Initiativkomitee der Gletscher-Initiative. Dieses Volksbegehren wurde zugunsten des Klimaschutz-Gesetzes zurückgezogen.

Kurt Zaugg-Ott, Geschäftsleiter der Fachstelle "Oeku Kirchen für Umwelt"
Kurt Zaugg-Ott, Geschäftsleiter der Fachstelle "Oeku Kirchen für Umwelt"

Er sei erleichtert über das klare Ja zur Vorlage, teilt Kurt Zaugg-Ott auf Anfrage mit. Das sei keine Selbstverständlichkeit, werde doch mit dem neuen Gesetz die komplette Abkehr von fossilen Energieträgern bis 2050 festgelegt. «Der gemeinsame Effort der Initianten und Initiantinnen, der Wissenschaften, der Wirtschaft und der Mehrheit der Parteien hat die Stimmbevölkerung überzeugt, dass in der Klimapolitik ein Kurswechsel dringend nötig ist.»

Dankbar für Zustimmung der Bischöfe

Der Fachstellenleiter zeigt sich dankbar, dass die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz und die Schweizer Bischöfe «sich zwar verhalten, aber doch klar für das Gesetz ausgesprochen haben». Das habe dem christlichen Bündnis geholfen, die Zustimmung aus kirchlichen und christlichen Kreisen «öffentlich zu machen», stellt Kurt Zaugg-Ott fest.

Von links: Bernd Nilles, Geschäftsleiter Fastenaktion, Milena Hartmann und Kurt Zaugg-Ott von Oeku feiern in Bern das Ja zum Klimaschutz-Gesetz.
Von links: Bernd Nilles, Geschäftsleiter Fastenaktion, Milena Hartmann und Kurt Zaugg-Ott von Oeku feiern in Bern das Ja zum Klimaschutz-Gesetz.

Die Schweizer Bischofskonferenz hatte sich positiv zum Klimaschutz-Gesetz geäussert hat – ohne indes eine Parole abzugeben. Zudem waren der Basler Bischof Felix Gmür und der Westschweizer Bischof Charles Morerod auf der Webseite von «Christ:innen für Klimaschutz» für die Vorlage.

Anspruchsvolles Ziel

Klimagerechtigkeit und der Wunsch, künftigen Generationen eine intakte Schöpfung übergeben zu können, seien im kirchlichen Umfeld die wichtigsten Argumente gewesen. Mit dem neuen Gesetz soll die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden und ihren Verbrauch von Öl, Benzin, Gas und Kohle möglichst reduzieren. Das Ziel Netto-Null zu erreichen, sei «anspruchsvoll», mahnt Kurt Zaugg-Ott. «Es setzt voraus, dass möglichst alle am gleichen Strick ziehen.» Der Einzelne, aber auch Wirtschaft, Verwaltung, Politik und die Kirchen.

Damit Menschen Nahrung haben

Auch das katholische Hilfswerk Fastenaktion engagierte sich von Beginn an bei der christlichen Klimaallianz. So zeigt sich denn auch Geschäftsleiter Bernd Nilles zufrieden mit dem Abstimmungsresultat. Dieses sei ein «notwendiger Schritt für mehr Klimagerechtigkeit», schreibt er in einem Statement für kath.ch. «Ein Schritt für uns, für die nächste Generation und insbesondere auch für die Menschen in den ärmsten Ländern der Welt.»

Nur wenn Länder wie die Schweiz ihre Verantwortung wahrnehmen, könnten die Folgen der Klimakrise abgeschwächt und die Nahrungsmittelsicherheit erhöht werden.


Jacqueline Keune, Theologin. | © Jutta Vogel
18. Juni 2023 | 17:36
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!