Bernd Nilles, Geschäftsleiter Fastenopfer
Schweiz

Bernd Nilles: «Klimaschutz-Gesetz kann Wirtschaft und Gesellschaft solidarischer machen»

Am 18. Juni wird in der Schweiz über das Klimaschutz-Gesetz abgestimmt. Bernd Nilles von der Fastenaktion hat neulich eine Gedenkfeier am Morteratsch-Gletscher gegen die Klimaerwärmung veranstaltet. Er bezeichnet im Interview die Enzyklika «Laudato si’» als eine grundlegende moralische Inspiration, um gegen die Klimakrise einzuschreiten.

Cristina Vonzun, catt.ch / Adaption Wolfgang Holz

Im Juni stimmen wir in der Schweiz über das Klimaschutz-Gesetz ab. Die Fastenaktion hat sich dafür ausgesprochen. Wie können sich die Katholiken angesichts dieser Abstimmung von der Enzyklika «Laudato si’» inspirieren lassen?

Bernd Nilles*: «Laudato si’» gibt es in jeder Buchhandlung zu kaufen. Die Enzyklika ist sehr lesenswert. Sie ist ein wunderbares und ethisch wegweisendes Dokument der Kirche. In «Laudato si’» stellt die katholische Kirche klar fest, dass es Aufgabe der Kirche und aller christlichen Gemeinschaften sowie einer jeden Familie ist, zur Erziehung zu einer verantwortlichen Genügsamkeit, zur dankerfüllten Betrachtung der Welt und zur Achtsamkeit gegenüber den Armen und der Umwelt beizutragen. Denn es steht viel auf dem Spiel, wie zum Beispiel das Überleben der Menschheit.

Bernd Nilles von Fastenaktion spricht am Gletscher.
Bernd Nilles von Fastenaktion spricht am Gletscher.

Wie geht Fastenaktion damit um?

Nilles: Diesen Auftrag der Sensibilisierung der Bevölkerung nimmt Fastenaktion sehr ernst und gestaltet auch die Fastenzeit in diesem Sinne mit vielen Bildungsmaterialien. «Laudato si’» lobt auch explizit dieses Engagement der Zivilgesellschaft und fordert uns zudem dazu auf, Druck auf Regierungen auszuüben, mehr für Klima und Umwelt zu tun. Letzteres ist genau das, was wir als Fastenaktion im Dialog mit dem Bund oder auch bei einer Mobilisierung für eine Abstimmung tun, wie jetzt bei der Abstimmung zum Klimaschutz-Gesetz. Am 18. Juni Ja zu stimmen ist für mich persönlich keine Glaubensfrage, sondern eine Frage der Verantwortung, der Nächstenliebe und der Bewahrung der Schöpfung.

Gletscher am Schmelzen
Gletscher am Schmelzen

Ist dieses Klimagesetz aus Ihrer Sicht ausreichend? 

Nilles: Es geht in eine sehr gute Richtung und es ist insgesamt ein gutes Gesetz das endlich, nach acht Jahren des Wartens, die Beschlüsse aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 in der Schweiz verankert. Gesetze sind ja häufig Kompromisse. Dieses ist ein Kompromiss zwischen Initianten und Parlament. Fastenaktion wäre es lieber gewesen, es würde schneller gehen mit der Absenkung des CO2-Ausstosses. Zusammen mit der Wissenschaft sehen wir eine klimaneutrale Schweiz bis 2040 als Paris-konform und machbar an.

In Ostafrika leiden 26 Millionen Menschen wegen Dürre an Hunger.
In Ostafrika leiden 26 Millionen Menschen wegen Dürre an Hunger.

In welchem Masse sind die Forderungen von Fastenaktion im Klima-Gesetz berücksichtigt worden?

Nilles: Unsere Forderung hat der Bund erfreulicherweise für die Bundes- und Kantonalverwaltungen übernommen – aber sich für die Schweiz insgesamt für das schwächere Ziel 2050 entschieden. Gut am Gesetz ist auch die Einbeziehung des Finanzplatzes Schweiz. Es kann ja nicht sein, dass wir hier brav Emissionen reduzieren, unsere Nationalbank und Banken aber weiterhin unser Geld in fossilen Industrien anlegen. Dieses Gesetz hat das Potential, die Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft solidarischer zu machen und auch krisenfester.

Warum?

Nilles: Einerseits wird das Gesetz die Erneuerbaren Energien voranbringen und damit Energiesicherheit zu fairen Preisen ermöglichen. Andererseits zeigen wir uns durch eine starke Reduzierung der Treibhausgase solidarisch mit den Menschen, die dem Klimawandel zum Opfer fallen. Ein Kind, das heute geboren wird, muss im Jahr 2100 in einer Welt voller Klimachaos und Extremwetter leben, wenn wir es heute unterlassen zu handeln.

So bedroht wie nie zuvor: Luftaufnahme des Amazonasregenwaldes, rund 400 Kilometer südlich von Manaus.
So bedroht wie nie zuvor: Luftaufnahme des Amazonasregenwaldes, rund 400 Kilometer südlich von Manaus.

Wie fühlen Sie sich durch das Soziale Lehramt der Kirche inspiriert und unterstützt, besonders in Zeiten der grossen Krisen von heute wie Krieg, Klima-Krise, Pandemie?

Nilles: Die multiplen Krisen machen den Menschen Angst und Sorge – auch meiner Familie und mir. Sie sind aber Ergebnis menschlichen Handelns und damit auch umkehrbar. Umkehr ist etwas, zu dem uns die Heilige Schrift einlädt. Man könnte es auch einen Wandel – eine Konversion – nennen. Wenn wir es im Sinne von «Laudato si’» schaffen, die Übernutzung und Zerstörung von Natur beziehungsweise Schöpfung einzustellen, und wenn wir es im Geiste von «Fratelli tutti» schaffen, geschwisterliche Liebe über Kontrolle und Macht zu stellen, dann würden wir uns damit auch Kriegen und Klimakrisen entgegenstellen.

*Der Katholik Bernd Nilles ist Geschäftsleiter von «Fastenaktion». Das Interview wurde von catt.ch geführt.


Bernd Nilles, Geschäftsleiter Fastenopfer | © Christoph Wider
29. Mai 2023 | 05:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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