Papst Franziskus inmitten aktiver und emeritierter Schweizer Bischöfe
Schweiz

In der Schweiz ist «die katholische Kirche» etwas komplizierter als in Rom

Zürich, 25.8.18 (kath.ch) Begriffe wie Kirchgemeinde oder Landeskirche führen immer wieder zu Verwirrung. Die staatskirchenrechtlichen Körperschaften haben in der katholischen Kirche in der Schweiz eine Tradition, die sich vom Aufbau der römischen Kirche abhebt. Eine Vereinbarung aus dem Jahr 2015 hat hier Klarheit geschaffen.

Martin Spilker

«Miteinander Verantwortung für den Bestand und die Weiterentwicklung der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz tragen.» So steht es in der Präambel, der Einleitung der «Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizer Bischofskonferenz SBK und der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz RKZ» vom 11. Dezember 2015. Doch dieses Miteinander wird nicht immer gleich verstanden.

In der Schweiz gewachsene Strukturen

Erst vor kurzem kam es wieder ein Hin und Her zwischen dem Churer Generalvikar Martin Grichting und Vertretern der katholischen Kirche im Kanton Zürich – sowohl von Bistums- wie von Körperschaftsseite – über Bezeichnung und Kompetenzen der einzelnen Organe. Dazu hat sich auch alt Bundesrichter Giusep Nay geäussert, der die gewachsenen Strukturen staatskirchenrechtlicher Einrichtungen in der Schweiz deutlich stützt.

Vereinfacht gesagt geht es darum, dass die kirchenrechtlichen Strukturen – die Bistümer und Abteien, zu denen wieder Pfarreien oder Pastoralräume gehören – unter Leitung der Bischöfe und Äbte stehen. Dazu gibt es – in der Regel deckungsgleich mit den politischen Gemeinden – Kirchgemeinden, die in den meisten Kantonen dazu berechtigt sind, Kirchensteuern zu erheben. Dieses Recht steht sowohl der römisch-katholischen, der reformierten wie der christkatholischen Kirchen zu.

Nicht deckungsgleiche Flächen

Auf kantonaler Ebene sind die römisch-katholischen Kirchgemeinden in den Landeskirchen oder, etwas schwerfälliger formuliert, kantonalen staatskirchenrechtlichen Körperschaften, organisiert. Jedes Bistum hat als staatskirchenrechtliches Pendant also nicht eine Behörde, sondern so viele, wie das Gebiet der Diözese Kantone zählt. Die kantonalen Körperschaften wiederum sind national in der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz zusammengeschlossen. Die Vorsteher der Bistümer und Territorialabteien organisieren sich für landesweite Fragen in der Bischofkonferenz.

Die staatskirchenrechtlichen Organe auf kantonaler und nationaler Ebene sind es aber, welche die Finanzen für seelsorgerliche Tätigkeiten auf diesen Ebenen verwalten. Dazu gehört beispielsweise Spezialseelsorge in Spitälern oder Gefängnissen. Oder, auf nationaler Ebene, das Sekretariat der Bischofskonferenz oder die Medienarbeit. Die Kirchgemeinden wiederum finanzieren die Seelsorge vor Ort und beteiligen sich an den kantonalen Aufgaben.

Unterschiedliche Kirchenbilder

Nicht für alle Beteiligten ganz befriedigend gelöst ist einerseits die Namensgebung, anderseits auch das Verständnis der unterschiedlichen Instanzen. «Hardliner» einer streng römischen Kirche würden die staatskirchenrechtlichen Gremien gerne gleich ganz aufheben und sich auf Bistumsebene um die Finanzen kümmern. Oder sie verstehen Kirchgemeinden und Körperschaften als reine Geldbeschaffer, die keine Kompetenz haben, sich zu pastoralen Fragen zu äussern.

Körperschaften haben ihre Berechtigung durch die Hinordnung auf die Kirche.

Die Körperschaften umgekehrt verstehen sich als Teil der einen katholischen Kirche, in der sie die ihnen zugeordneten Aufgaben wahrnehmen. Am Beispiel der Anstellung eines Seelsorgers lässt sich zeigen, wie wichtig die gute Zusammenarbeit ist: Seelsorger erhalten vom Bischof eine kirchliche Beauftragung. Den Arbeitsvertrag handeln sie aber mit den Kirchgemeinden oder kantonalen Körperschaften aus.

Kirchgemeinden und kantonale Körperschaften sehen sich also nicht allein als Geldgeber oder Verwaltungsbehörden. Sie können gemäss Verfassung oder Gesetzen zwar autonom über die Kirchensteuern verfügen. Ihre Berechtigung haben sie aber nur durch ihre Hinordnung auf die Aufgaben der Kirche.

Vom Staat gewollt

In einem Papier mit Empfehlungen zur Umsetzung des dualen Systems einer Kommission der RKZ heisst es dazu: «Diese Hinordnung und die gesellschaftliche Bedeutung der Kirche sind der eigentliche Grund dafür, dass der Staat sie (die Körperschaften) sich im öffentlichen Recht organisieren lässt und anerkennt.» Auch der Staat hat also ein Interesse an den staatskirchenrechtlichen Behörden, die von den Angehörigen der jeweiligen Konfession demokratisch gewählt werden.

Die eingangs erwähnte Vereinbarung zwischen den Schweizer Bischöfen und der Zentralkonferenz hat denn auch dazu geführt, dass die beiden Gremien verschiedene Richtlinien und Vereinbarungen beschlossen haben.  Die weiterführenden Empfehlungen für die Zusammenarbeit mit dem programmatischen Titel «Auf das Zusammenspiel kommt es an» (Juni 2018), erstellt durch die RKZ, wurden der Bischofskonferenz vorgelegt und Rückmeldungen wurden aufgenommen. Dabei handelt es sich aber nicht um ein gemeinsames Papier, wie RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch gegenüber kath.ch erklärte.

Wer darf sich Kirche nennen?

Immer wieder taucht auch die Kritik auf, dass kirchliche Körperschaften den Namen «Kirche» oder «Synode» in ihrer Bezeichnung führen. Diese Begriffe seien den kirchenrechtlichen Instanzen vorbehalten, wird von pastoraler Seite argumentiert. Ihre Verwendung für Körperschaften wie bei der Landeskirche oder Synode als Parlament einer kantonalen Körperschaft würden zu Verwässerung und Verwirrung führen.

Unabhängig davon, ob Gläubige diese Unterscheidung wahrnehmen oder nicht, widersprechen die Vertreter der Körperschaften dieser Ansicht. Sie verstehen die staatskirchenrechtlichen Behörden als Teil der Kirche im Sinn des II. Vatikanischen Konzils. In den oben erwähnten Empfehlungen für die Zusammenarbeit wird denn auch nicht von einem nebeneinander der beiden Organisationsstränge gesprochen, sondern von gemeinsamer Verantwortung: Die Christen, die in den staatskirchlichen Organisationen Verantwortung übernehmen, sind gleichzeitig Mitglieder ihrer Pfarrei und damit Teil der Gemeinschaft der Gläubigen.

Für eine Kultur des Miteinanders

Diese «sich überschneidenden Rechtskreise», wie es in den Empfehlungen der RKZ heisst, sind in der Schweiz historisch gewachsen. Um in dieser Situation tragfähige Entscheidungen zu treffen, sind die Vertreter der pastoral Verantwortlichen und der staatskirchenrechtlichen Behörden gefordert, Entscheidungen aufeinander abzustimmen.

«Das setzt die Bereitschaft zur Suche nach einem Konsens voraus.»

«Das setzt eine Kultur des Miteinanders und die Bereitschaft zur Suche nach einem Konsens voraus», heisst es in den Empfehlungen der RKZ-Kommission dazu. Um pastorale Schwerpunkte setzen zu können, so eine Einsicht, brauche es finanzielle Mittel. Finanzielle Entscheidungen umgekehrt müssen von den Verantwortlichen für die Pastoral aber auch gutgeheissen werden können.

In diesem Fall, so der Tenor in den RKZ-Empfehlungen, heisse das Zauberwort Einvernehmlichkeit. Mit der gegenseitigen Anerkennung «in ihren unterschiedlichen Aufgaben, Verantwortungsbereichen, Kompetenzen und Rollen» haben die Bischofskonferenz und die RKZ in der Vereinbarung von 2015 festgehalten, auf diese Einvernehmlichkeit hinzuarbeiten.

Papst Franziskus inmitten aktiver und emeritierter Schweizer Bischöfe | © Bistum LGF, Jean-Claude Gadmer
25. August 2018 | 12:07
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