Bischöfe besuchen Kindergarten der Comboni-Schwestern. Rechts im Bild: Bischof Bürcher
International

Im Schatten der Mauer, im Herzen des Konflikts

Eine internationale Delegation von Bischöfen hat das Kloster der Comboni-Schwestern von Bethanien an der israelischen Sperrmauer in Jerusalem besucht. Diese setzen sich beidseits der Mauer für die Bedürftigen ein.

Andrea Krogmann

An drei Seiten von der israelischen Sperranlage umgeben, sind die Comboni-Schwestern von Bethanien beidseits der Mauer für die Bedürftigen da. Mit ihrer Arbeit setzen sie ein Zeichen für Begegnung und Gewaltfreiheit.

Gepflegte Blumenbeete ziehen sich entlang der hohen Mauern, die den Konvent der Comboni-Schwestern umfassen. Kindgerechte Malereien bilden den Hintergrund für bunte Spielgeräte aus Plastik.

Folgt der Blick den Wänden nach oben, bilden Stacheldraht und Überwachungskameras die unfreundliche Grenze zum schäfchenbewölkten Winterhimmel. «Das hier», sagt der Bischof von Troyes (Frankreich), Marc Stenger, «ist keine Theorie».

Internationaler Besuch

Das hier ist der Kindergarten der Comboni-Schwestern in Bethanien südöstlich der Jerusalemer Altstadt, und Stenger ist Teilnehmer des internationalen Solidaritätsbesuchs, den Vertreter verschiedener Bischofskonferenzen dem Heiligen Land zum 20. Mal abstatten.

Aus der Schweiz gehören Bischof Peter Bürcher und der Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), Erwin Tanner, der Delegation an.

Auf drei Seiten eingeschlossen

1966 eröffneten die Comboni-Schwestern ihr «Haus der Freundschaft» als spirituelles Zentrum zusammen mit einem Kindergarten für die arabischen Kinder der Umgebung. Wenig später wurde das Haus durch seine Lage unfreiwillig zu einer besonderen Mission für die Schwestern: Seit der zweiten Intifada ist das Gebiet ein Hotspot von Konfrontationen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften.

Heute umschliesst die israelische Sperrmauer den Konvent von drei Seiten. Der Dienst der Schwestern, sagt Bischof Stenger, ist «ein beeindruckendes Zeugnis und die einzig überzeugende Antwort» auf die omnipräsente Gewalt.

Das Türchen ging zu

«Es war nicht unsere Wahl», sagt Superiorin Alicia Vacas. Die Mauer der Israelis schneidet die Schwestern und ihren Kindergarten von ihrem ursprünglichen Einzugsgebiet ab. Ein Durchgang in der Mauer sollte den Kindern von Al-Eizarija weiterhin den Zugang zum Kindergarten gewähren, eine Lösung, die kein Jahr dauerte.

Dann, sagt Vacas, schloss Israel auch diesen Zugang. Die 37 Kinder, die heute den Comboni-Kindergarten besuchen, kommen von der Jerusalemer Seite der Mauer. Zwei Schwestern zogen unterdessen auf die palästinensische Seite der Mauer, um «auf beiden Seiten präsent zu sein». «Wir fanden uns vor einer Mauer wieder und sehen sie als unsere Mission an», sagt Oberin Vacas.

Gebrochenes Herz

«Wir finden uns in der Mitte wieder, Frieden gibt es nicht hier», sagt Schwester Iman Milad, die für den Kindergarten verantwortlich ist. Auch wenn es heute ruhig ist – abgesehen von den Gesängen, die die Kinder für den Bischofsbesuch einstudiert haben: Das Leben im Schatten der Mauer hat seinen Preis. «Die Familien vertrauen uns wohlwollend ihre Kinder an und die Kinder sind glücklich hier. Aber die Verantwortung ist enorm», sagt sie.

Nicht alle Schwestern sind dem Stress gewachsen. Vor zwei Jahren, als in Zeiten gewalttätiger Zusammenstösse an der Mauer ein Molotowcocktail auf das Konventsgebäude fiel und Schaden anrichtete, brach eine der Schwestern zusammen. Zwei Tage später war sie tot. «Im Volksmund nennt man das gebrochenes Herzen», sagt Schwester Alicia Vacas. Der Tod der Mitschwester hat bis jetzt seinen Schrecken nicht verloren.

Mauer durchbrechen

«Es tut gut, dass die Kirche jene sieht, die mit den Bedürftigen arbeiten, ihnen zuhört und ihre Augen für ihre Mission öffnet», kommentiert Schwester Azezet Kidani den Besuch der Bischofsgruppe. Sie sei froh um die Gelegenheit, die Erfahrungen ihrer Arbeit zu teilen.

Die wichtigste Lektion in den Augen der Schwester, deren Einsatzgebiet von afrikanischen Asylsuchenden in Tel Aviv über Beduinengruppen im Westjordanland reicht und die heute auf palästinensischer Seite der Mauer lebt: «Auf beiden Seiten ist es schwierig, auf beiden Seiten wollen die Menschen Frieden. Die Mauer bringt Spaltung, und wer sich nicht treffen kann, entwickelt neue Ängste», so Kidani. «Deshalb müssen wir diese Mauern durchbrechen.» (kna)

Bischöfe besuchen Kindergarten der Comboni-Schwestern. Rechts im Bild: Bischof Bürcher | © Andrea Krogmann/KNA
15. Januar 2020 | 12:46
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