Bundesrat Alain Berset
Schweiz

«Holocaust-Tragödie verpflichtet zum Nachdenken»

Bern, 27.1.18 (kath.ch) Das Nachdenken über den Holocaust sei auch heute nicht überholt. Das äusserte Bundespräsident Alain Berset in seiner Botschaft zum Internationalen Tags des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, der am Samstag begangen wird. Er erwähnte das führende Engagement der Schweiz in der International Holocaust Remembrance Alliance. Auch die Schweizer Roma-Organisationen meldeten sich zum Thema.

Zwar habe bereits 1977 der jüdische Auschwitz-Überlebende Hans Maier – alias Jean Améry – gezweifelt, was das Nachdenken über die Opfer des Dritten Reiches noch bringe, heisst es in der vom Eidgenössischen Departement des Inneren (EDI) herausgegebenen Botschaft.

Tragödie traf zivilisierte Welt ins Herz

Doch könne auch 2018 «niemand legitimerweise sagen, die Auseinandersetzung mit dem Holocaust sei überholt», so Berset. «Denn diese Tragödie, die die vermeintlich moderne, zivilisierte Welt mitten ins Herz traf, verpflichtet zum Nachdenken über die schlimmsten Grausamkeiten, die Menschen anderen antun können.» Selbst der erwähnte Améry blieb von den Gräueltaten der Gestapo dermassen gezeichnet, dass er sich das Leben nahm.

Die Schweiz erweise am Gedenktag der Befreiung von Auschwitz allen Opfern des Nationalsozialismus die Ehre, schreibt der Bundespräsident. Das Land setze sich insbesondere im Rahmen der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) für das Weiterleben der Erinnerung ein. Seit März 2017 präsidiert sie die Allianz, der 31 Mitgliedstaaten angehören.

Unter Schweizer Leitung habe die Allianz erstmals eine Strategie und klare Schwerpunkte verabschiedet mit dem Ziel, die politischen Entscheidungsträger für die Realität der Verfolgung der Juden, Roma, Sinti und Jenischen stärker zu sensibilisieren.

Internationale Konferenzen zur Geschichtsvermittlung

Als Teil ihres Engagements bei der IHRA entwickle und unterstütze der Bund gemeinsam mit lokalen Partnern verschiedene Projekte, so die Botschaft. Insbesondere habe er gemeinsam mit den Pädagogischen Hochschulen Internationale Konferenzen organisiert, die sich mit den Mitteln und Möglichkeiten des Unterrichts über die Geschichte des Holocaust befassten. Dabei wurden Mechanismen diskutiert, die im Vorfeld des Holocaust zur Tötung Hunderttausender Menschen mit Behinderungen durch die Nazis geführt hatten.

Roma-Organisationen erinnern an Roma-Opfer

Die Schweizer Roma-Organisationen und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hatten den Bundesrat tags zuvor ersucht, die Erinnerung an alle Opfer wachzuhalten. Gemäss ihrer Mitteilung machten sie darauf aufmerksam, dass auch die Roma unter dem Nationalsozialismus zu Tausenden verfolgt wurden. Mindestens 500 000 Roma seien systematisch ermordet worden. Allein in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 seien fast 3000 Menschen bei der Liquidierung des sogenannten «Zigeunerlagers» im Konzentrationslager Auschwitz II-Birkenau umgekommen. (rp)

Hinweis: SRF1 zeigt am Sonntag in «Sternstunde Religion» den Dokumentarfilm «Die letzten Zeugen. Leben nach der Shoah» von Eric Bergkraut. Er ist bereits online.

Bundesrat Alain Berset | © Bernard Bovigny
27. Januar 2018 | 10:37
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Holocaust-Gedenktag

Jeweils am 27. Januar wird weltweit der Opfer des Holocaust gedacht. Das Datum erinnert an die Befreiung der überlebenden Häftlinge des grössten NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch sowjetische Truppen am 27. Januar 1945. Seit 1996 gedenken die Deutschen jeweils an diesem Tag der Millionen Opfer des Völkermords. Im November 2005 verabschiedete auch die Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, die den 27. Januar zum weltweiten Gedenktag macht.

Das 1940 errichtete Konzentrationslager bei Krakau ist zum Inbegriff des Völkermords an den Juden geworden. Dort wurden rund 1,5 Millionen Menschen, die meisten davon Juden, sowie viele Tausend Sinti und Roma und Polen ermordet.

Holocaust ist die Bezeichnung für die Massenvernichtung der rund sechs Millionen Juden während des Zweiten Weltkriegs. Der Begriff stammt vom griechisch-lateinischen Wort «holocaustum» ab. Es bedeutet «ganz verbrannt» oder «Brandopfer» und meinte ursprünglich ein Gott wohlgefälliges Opfer. In Israel wird der eher säkulare hebräische Ausdruck «Schoah» gebraucht. Er bedeutet «Zerstörung» oder «Katastrophe». (kna)