Isabel Vasquez
Schweiz

«Help me»: Migratio lanciert Hilfsangebot für Betroffene von sexuellem Missbrauch

Die Fachstelle Migratio bietet für Migrantinnen und Migranten eine Helpline an. Betroffene von Missbrauch können sich per Mail oder telefonisch melden – in ihrer Muttersprache. Migrierende melden sexuelle Übergriffe seltener, weil sie Angst haben ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlieren, sagt Nationaldirektorin Isabel Vasquez.

Jacqueline Straub

Sind Migrantinnen und Migranten mehr von sexuellem Missbrauch durch Priester betroffen als Einheimische?

Isabel Vasquez*: Dass Migrantinnen und Migranten eine vulnerable Gruppe ist, ist eine Realität. Aber wir können nicht sagen, dass es bei ihnen mehr sexuelle Übergriffe gibt, als in anderen Pfarreien. Die Dunkelziffer könnte bei den Missionen grösser sein – muss aber nicht. Aber durch die ohnehin schon vulnerable Situation vieler Migrantinnen und Migranten wehren sich Betroffene oftmals weniger. Sie haben Angst, einen Übergriff zu melden und zur Anzeige zu bringen.

«In manchen Kulturen ist der Priester noch immer höhergestellt.»

Warum?

Vasquez: Weil sie denken, dass sie dann vielleicht ihre Aufenthaltserlaubnis verlieren könnten.

Spielt dabei auch das Priesterbild eine Rolle?

Vasquez: In manchen Kulturen ist der Priester noch immer höhergestellt. An sein Wort halten sich alle. Das macht es für Betroffene von Missbrauch schwierig, ihre Stimme zu erheben.

"Help me" von Migratio
"Help me" von Migratio

Die Fachstelle Migratio bietet für Migrantinnen und Migranten, die Missbrauch in der Kirche erlebt haben, nun Hilfe an. Was genau ist «Help me»?

Vasquez: «Help me» bietet Migrantinnen und Migranten die Möglichkeit, sich bei uns in ihrer Muttersprache zu melden. Per Mail oder telefonisch. Mein Team und ich sprechen über sieben Sprachen. Ansonsten übersetzen wir die Emails mit Hilfe einer App. Jeden Mittwoch von 9 Uhr bis 12 Uhr kann auf der Notfallnummer von Migratio angerufen werden. Das Besprochene bleibt vertraulich.

Wie gehen Sie vor, wenn jemand einen sexuellen Missbrauch meldet?

Vasquez: Zuerst schauen wir, wie wir die betroffene Person unterstützen können. Viele Betroffene wissen gar nicht, zu welchem Bistum sie gehören und wo sie sich melden können.

«Wir möchten ihnen die Angst nehmen, dass sie bei einer Anzeige ihre Aufenthaltsbewilligung verlieren.»

Was braucht es, damit Migrantinnen und Migranten sich melden?

Vasquez: Die Überwindung der Sprachbarriere. Aber auch Vertrauen und Sicherheit. Wir möchten ihnen die Angst nehmen, dass sie bei einer Anzeige ihre Aufenthaltsbewilligung verlieren.

Was unternehmen Sie als Verantwortliche für die Missionen, um Missbrauch zukünftig einzudämmen?

Vasquez: Alle Hauptamtliche und Freiwillige müssen einen Workshop zu Nähe und Distanz besuchen. Ebenso kontrollieren wir, wie die Missionen arbeiten. Und: Priester, die hierzulande arbeiten, werden zuerst durchleuchtet. Sie müssen etliche Dokumente vorweisen, einen Strafregisterauszug einreichen und genügend gut Deutsch sprechen können. Vorbestrafte Priester werden abgelehnt. Zudem muss der Priester interkulturelle Kompetenzen haben, bevor er in die Schweiz einreist.

*Isabel Vasquez ist Nationaldirektorin von Migratio.

«Help me»

Jederzeit können sich Betroffene per Mail an Migratio wenden: help-me@migratio.ch

Telefonisch kann Migratio immer am Mittwoch von 9 Uhr bis 12 Uhr erreicht werden: +41 79 339 81 61.

Mehr Informationen gibt es hier.


Isabel Vasquez | © Jacqueline Straub
29. September 2023 | 09:00
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