Helena Jeppesen-Spuhler
Schweiz

Helena Jeppesen: «Sehr schwierige Aussage und der Synode nicht dienlich»

Der Papst hat in einem englischsprachigen Interview ausgeschlossen, dass das ordinierte Frauendiakonat jemals Realität wird. Ein Schock für die katholischen Frauen, die sich für Gleichberechtigung in der Kirche einsetzen und für jene, die sich zur Diakonin oder Priesterin berufen fühlen. Die Schweizer Bistümer stehen nun umso dringlicher in der Pflicht, vor Ort Veränderungen vorzunehmen, sagt Helena Jeppesen.

Sarah Stutte

«Nein» – das war die kurze und knappe Antwort des Papstes auf die Frage der Journalistin Norah O’Donell in einem Exklusivinterview für den amerikanischen Sender CBS. O’Donell wollte wissen: «Wird ein kleines Mädchen, das heute katholisch aufwächst, jemals die Möglichkeit haben, Diakonin zu werden und als Klerikerin in der Kirche mitzuwirken?».

Papst Franziskus im Gespräch mit Norah O’Donnell
Papst Franziskus im Gespräch mit Norah O’Donnell

Dann doppelt der Papst noch nach, im Versuch, das Gesagte zu relativieren: «Frauen haben doch schon immer die Aufgaben von Diakoninnen wahrgenommen, ohne Diakoninnen zu sein, oder? Frauen leisten einen grossen Dienst als Frauen, nicht als Amtsträgerinnen […] in der heiligen Ordnung». Damit lässt Franziskus offen, ob es stattdessen nicht irgendwann einmal ein nicht geweihtes, aber eingesetztes weibliches Diakonat geben könne.

Gleichberechtigung ebenfalls Gerechtigkeitsfrage

Das CBS-Interview wurde bereits am 24. April aufgezeichnet und nun, im Vorfeld des am 25. und 26. Mai in Rom stattfindenden Weltkindertages ausgestrahlt. Dass Franziskus, ohne zu zögern die Möglichkeit einer Frauenweihe komplett und scheinbar endgültig ausschliesst, wirkt wie ein Schlag ins Gesicht aller, die sich engagiert für die Gleichberechtigung in der Kirche einsetzen.

Irritiert: Die Fernsehjournalistin Norah O’Donnell.
Irritiert: Die Fernsehjournalistin Norah O’Donnell.

«Diese Aussage ist ein Affront allen Frauen gegenüber, die sich berufen fühlen. Der Papst hat im Interview gute Antworten zum Thema Frieden und zur Klimagerechtigkeit gegeben. Aber die Frage des Zugangs von Frauen zu den Ämtern in der katholischen Kirche ist ebenfalls eine Gerechtigkeitsfrage. Das scheint er hier vergessen zu haben», gibt Helena Jeppesen zu bedenken.

Warum bricht der Papst eigene Regeln?

Dazu zitiert die europäische Delegierte der Weltsynode im Gespräch mit kath.ch Josianne Gauthier, CIDSE-Generalsekretärin – vom Dachverband der katholischen Hilfswerke.

Diese habe 2019 an der Amazonas-Synode folgendes gesagt: «Die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, ist mit der Art und Weise, wie wir den Planeten behandeln, verflochten. Die Anerkennung der Gleichheit und Würde von Frauen, ob in der Gesellschaft insgesamt oder in der Kirche, bedeutet, dass man sich dafür entscheidet, Gerechtigkeit für alle zu verteidigen.»

Die drei Delegierten an der Weltsynode in Rom: Helena Jeppesen-Spuhler, Claire Jonard und Felix Gmür
Die drei Delegierten an der Weltsynode in Rom: Helena Jeppesen-Spuhler, Claire Jonard und Felix Gmür

Helena Jeppesen kann sich nicht erklären, warum der Papst eine Kommission zum Thema einsetze und sich dann – bevor darüber an der Synode im Herbst diskutiert werde und die Ergebnisse der Arbeit der Kommission vorliege –, öffentlich zum Frauendiakonat äussere.

Der Papst habe selbst entschieden, diese Kommissionen einzusetzen und halte sich jetzt nicht an seine eigenen Abmachungen, so Helena Jeppesen. «Warum wartet er die Kommissionsarbeit und die Diskussionen der Synode nicht ab?», fragt sie.

Selbst für Unruhe gesorgt

Im Synodendokument vom letzten Oktober stehe auch klar, dass die Ergebnisse der beiden vorhergehenden vatikanischen Kommissionen zum Diakonat der Frauen – von 2016 und 2020 – publiziert werden sollen, so Jeppesen. Bisher sind diese aber immer noch nicht veröffentlicht worden.

Indes wird laut vatikanischen Quellen gemunkelt, dass die Arbeit der 2020er-Kommission dem Papst schon Ende 2022 übergeben wurde. «Ich fand es geschickt von Franziskus, die Ergebnisse in die Arbeit der Synode einfliessen zu lassen. Eine Veröffentlichung vor der Synode hätte den ganzen Befragungsprozess durcheinandergebracht. Doch nun hat Franziskus mit seiner Aussage für grosse Unruhe gesorgt», sagt Helena Jeppesen.

Helena Jeppesen-Spuhler und eine Ordensfrau stimmen zusammen mit Bischöfen und Kardinälen über das Abschlussdokument ab.
Helena Jeppesen-Spuhler und eine Ordensfrau stimmen zusammen mit Bischöfen und Kardinälen über das Abschlussdokument ab.

Der mögliche Zugang von Frauen zum Diakonat ist eine der am meisten diskutierten Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Synode zur Erneuerung der Kirche.

Das sagt auch Helena Jeppesen. «In vielen Feedbackberichten zum Synthesedokument 2023, die vor wenigen Tagen erst an das Synodenbüro geschickt wurden, ist die Frage nach dem Diakonat für die Frauen wieder als wichtiges Thema an die Synode erwähnt. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Glaubwürdigkeit unserer Arbeit und Sendung».

Reaktion der europäischen Delegierten?

Papst Franziskus habe der Synode mit seinem ‘Nein’ zum jetzigen Zeitpunkt keinen Dienst erwiesen, sagt Jeppesen. «Mich haben seit gestern einige Zuschriften erreicht. Auch Mitglieder der Synode, die eine eher kritische Haltung zum Diakonat haben, fragen sich nun, wie transparent der Prozess wirklich ist und ob Papst Franziskus diesem wirklich treu bleibt», so die europäische Weltsynodendelegierte Jeppesen.

Wie die europäischen Delegierten gesamthaft auf das Statement von Franziskus reagieren werden, steht indes noch aus. Bisher gab es nur vereinzelten Austausch. Ein gemeinsames Treffen findet erst Ende August in Linz statt.

Helena Jeppesen-Spuhler, Claire Jonard und Felix Gmür bei der Pressekonferenz in Rom.
Helena Jeppesen-Spuhler, Claire Jonard und Felix Gmür bei der Pressekonferenz in Rom.

Auch prekär: Der Papst verschlimmbessert seine Aussage in dem CBS-Interview noch mit seiner Ausführung, dass das Frauendiakonat historisch kein Sakrament war. Ein Frauendiakonat ohne Weihe hält er für wahrscheinlich. «Im Schweizer Bericht steht klar, dass ein Spezial-Diakonat keinen Rückhalt in unseren Bistümern hat», sagt Jeppesen mit Nachdruck.

Entschlossenheit stärker als Enttäuschung

Gleiches liest sich auch in der öffentlichen Stellungnahme der Organisation «Womensordination.org» (WOC), die wenige Stunden nach der Ausstrahlung des Interviews als empörte Reaktion darauf folgte.

In ihrem Newsletter teilen die beiden WOC-Leiterinnen Kate McElwee und Katie Lacz mit, dass die Antwort des Papstes im Interview ein «schockierender Moment» gewesen sei, der «einen völligen Mangel an pastoraler Fürsorge» zeige.

Priesterin am Altar: In der römisch-katholischen Kirche weiterhin nicht möglich. Im Bild eine christkatholische Priesterin feiert Eucharistie.
Priesterin am Altar: In der römisch-katholischen Kirche weiterhin nicht möglich. Im Bild eine christkatholische Priesterin feiert Eucharistie.

Weiter heisst es in dem Schreiben: «Wir sind zutiefst enttäuscht darüber, dass Papst Franziskus es versäumt hat, die Tiefe der Berufungen von Frauen anzuerkennen und die Dringlichkeit ihrer vollen Gleichstellung in der Kirche zu bekräftigen». Tiefer als ihre Enttäuschung sei aber ihre Entschlossenheit, dafür zu sorgen, «dass kein junges Mädchen jemals ‘nein’ zu dem Ruf sagen muss, den sie von Gott empfängt».

Schweizer Bischöfe sollen nun handeln

Während des bisherigen Synodenprozesses seien die Forderungen nach einer gleichberechtigten Einbeziehung von Frauen in allen Aspekten des kirchlichen Lebens weltweit zu hören gewesen.

Der Kommentar von Franziskus entspreche deshalb nicht nur in keinem Fall den Bedürfnissen der heutigen Kirche, sondern sei auch ein Verrat am synodalen Projekt des gemeinsamen Unterwegsseins.

Schweizer Bischöfe bei Papst Franziskus.
Schweizer Bischöfe bei Papst Franziskus.

Sieht Helena Jeppesen die päpstlichen Aussagen auch als Verrat an der Synode an?

«So hart wurde ich es nicht formulieren. Doch natürlich ist das Gesagte unverständlich und schwächt den partizipativen synodalen Prozess. So verliert dieser in der Öffentlichkeit nur an Glaubwürdigkeit. Deshalb hoffe ich, dass viele Bischöfe und Gläubige hier nachfassen und dem Synodenbüro und dem Papst schreiben», meint Helena Jeppesen.

Und sie ruft auch die Schweizer Bistümer dazu auf, «dringend weiter einzuführen, was liturgisch ohne Weihe geht: Taufe, Agape-Feiern, Predigt. Wie können auf allen Ebenen unserer Bistümer die Leitungsfunktionen für Nicht-Geweihte ausgebaut werden?».

Das sei der pragmatische Weg vor Ort, neben der Mitarbeit bei der Weltsynode. «Auch dieser Weg wird einen Einfluss haben und die Kirche, vielleicht auch die Theologie verändern. Ich sehe hier in allen sechs Schweizer Bistümern noch einige Luft nach oben», sagt sie.

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Helena Jeppesen-Spuhler | © Annalena Müller
22. Mai 2024 | 17:22
Lesezeit: ca. 5 Min.
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