Die Päpste der Geschichte
Porträt

Gregor der Grosse: Reformer und Rhetoriker

Rom steht am Abgrund als Gregor I. 590 Papst wird. Er reformiert die Wirtschaft, die Liturgie und Musik. Mit seinem rhetorischen und diplomatischen Geschick legt Gregor das Fundament für die politische Macht der mittelalterlichen Päpste.

Annalena Müller

Im ausgehenden 6. Jahrhundert ist Roms Glanzzeit lange vorbei. Die Kaiser residieren in Byzanz. In der Stadt am Tiber regieren Korruption, Seuchen und Verfall. Militärisch bedrohen die Langobarden Rom und im Jahr 590 grassiert auch noch die Pest. In dieser düsteren Lage besteigt Gregor I. den römischen Bischofsstuhl.

Gebildeter Aristokrat

Der neue Papst entstammt der städtischen Oberschicht. Er verfügt über gute Beziehungen, finanzielle Mittel, eine solide Ausbildung und ist sogar des Griechischen einigermassen mächtig. Das ist wichtig, denn theologische Debatten werden in Byzanz geführt – dem Zentrum der Macht und – de facto – auch der Christenheit.

Gregor der Grosse ist einer der Kirchenväter. Darstellung um 1500.
Gregor der Grosse ist einer der Kirchenväter. Darstellung um 1500.

In Rom führt Gregor wichtige Reformen ein. Dazu gehört eine umfassendere Bildung des Klerus sowie liturgische und musikalische Neuerungen. Die gregorianischen Gesänge werden die Musik der Kirche viele Jahrhunderte prägen.

Rom und Byzanz

Auch wirtschaftlich bringt sein Pontifikat Veränderungen. Die Kirche ist im 6. Jahrhundert bereits die grösste Grundbesitzerin des Imperiums. Gregor macht die Wirtschaftsführung effizienter, indem er örtliche Verwalter einsetzt, die ihm rechenschaftspflichtig sind. Derart gelingt es dem Papst, die städtische Grundversorgung mit Getreide sicherzustellen.

Maurikios war von 582-602 Kaiser von Ostrom.
Maurikios war von 582-602 Kaiser von Ostrom.

Auch der Beziehung zwischen Rom und Byzanz drückt Gregor seinen Stempel auf. Diese ist schon lange angespannt. Seit dem Untergang Westroms 476 liegt die politische Macht im oströmischen Byzanz, dem heutigen Istanbul. Der Kaiser ist fern, sein Machtanspruch über Rom hingegen deutlich spürbar. Gleichzeitig streben Roms Bischöfe schon länger nach Unabhängigkeit von Byzanz. Gregor wird sie nicht erreichen. Aber er legt das Fundament für die Emanzipation, die unter Leo III. (795-816) Realität wird.

Fundament des päpstlichen Primats

Politisch wendet Gregor seinen Blick von Ost nach West. Also weg von Byzanz und hin zu den neu-entstehenden Reichen der Merowinger und Angelsachsen. Mittels Missionierung werden die römische Autorität und Jurisdiktion ausgedehnt und gleichzeitig der byzantinische Einfluss geschwächt. Dafür wertet der Papst, der ein begnadeter Rhetoriker ist, die Herrscher der germanischen Königtümer auf, indem er sie wortreich in Rang und Würden byzantinischen Herrschern gleichstellt.

Auch vom Papsttum hat Gregor genaue Vorstellungen. Der Papst sei Regelgeber und Schiedsrichter der christlichen Gesellschaft. Papst, Bischof und Priester werden bei Gregor zu Erziehern und Vormündern der weltlichen Gewalt. Diese müsse den moralischen Anweisungen der Kleriker folgen. Gregor formuliert im Grundsatz die Idee, die auf Jahrhunderte hin das Ringen zwischen Päpsten und Monarchen prägen sollte. Laut Gregor und seinen Nachfolgern liegt die höchste moralische Macht allein beim Papst. Auch Kaiser müssen ihm folgen. Nicht nur die Herrscher der 6. Jahrhunderts, sondern auch spätere Monarchen, sehen das natürlich ganz anders.

Gregor der Grosse wurde 1295 heiliggesprochen. Sein katholischer Gedenktag ist der 3. September.


Die Päpste der Geschichte | © kath.ch
6. Juli 2023 | 15:00
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