Schwester Scholastika, die letzte Schwester im Kloster Wonnenstein.
Schweiz

Giuseppe Gracia ist Schwester Scolasticas grösster Fan

Der ehemalige Sprecher des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, unterstützt Schwester Scolastica, die einzig verbliebene Schwester des Klosters Wonnenstein. Die will nicht ausziehen und gibt sich kämpferisch: «Diese Zusammenkunft soll keine Demonstration sein, sondern ein Gebetssturm zum Himmel», sagt sie in Teufen.

Silvan Beer und Raphael Rauch

Der Weg nach Wonnenstein gleicht einem Wintermärchen. Schneebedeckte Wege führen zum Kloster Wonnenstein nach Teufen. Doch die Idylle ist trügerisch. Hinter den Klostermauern lauert eine mühselige Geschichte, die das Kloster Wonnenstein seit einigen Jahren beschäftigt und den Bischof von St. Gallen, Markus Büchel, auf die Palme bringt.

Schwester Scolastica will nicht ausziehen

Vor Jahren übernahmen einige Altherren der Studentenvereinigung «Bodania» aus einer Notsituation heraus die Verwaltung des Klosters. Es wurde ein Verein gegründet, der das weitere Bestehen der Klostergemeinschaft gewährleisten soll. Doch das Misstrauen gegenüber der gegenwärtigen Verwaltung ist gross. 

Idyllisch im Nebel: das Kloster Wonnenstein.
Idyllisch im Nebel: das Kloster Wonnenstein.

Von finanziellen Hintergedanken der Herren ist die Rede. Vom Ende des Frauenklosters. Es geht um Geld. Um angebliches Bauerwartungsland, das zu den Kloster-Liegenschaften zählen soll. Um Interventionen in Rom. Um eine zunächst anonym auftretende Interessengemeinschaft. Die Fronten verhärten sich. Und mitten in diesem Tumult steht Schwester Scolastica, die einzig verbliebene Ordensfrau, die im Kloster die Stellung hält und nach wie vor nicht ausziehen will.

Unterstützung für Schwester Scolastica

Doch sie ist nicht allein. Die Interessengemeinschaft wagt sich mittlerweile aus der Deckung und nennt Ross und Reiter. Laut eigenen Angaben hat sie Mitte Dezember rund 800 Mitglieder, davon sollen dreiviertel Frauen sein. Bei der Steuergruppe ist das Geschlechterverhältnis genau umgekehrt: Drei Männer und eine Frau sagen dem «Verein Kloster Maria Rosengarten Wonnenstein», dem Bistum St. Gallen und der Studentenvereinigung «Bodania» den Kampf an. Sepp Moser aus Appenzell leitet die Steuergruppe. Dieser gehören auch Chiara Wyss aus Ulisbach und Otmar Zanettin aus Speicher an. Und Giuseppe Gracia aus St. Gallen.

Solidarität mit Schwester Scholastika: Treffen in Wonnenstein.
Solidarität mit Schwester Scholastika: Treffen in Wonnenstein.

Gerade diese Personalie birgt Zündstoff, schliesslich handelt es sich dabei um den ehemaligen Sprecher des Bistums Chur. Es scheint, als ob der aus der römisch-katholischen Körperschaft ausgetretene Scharfmacher von Altbischof Vitus Huonder eine neue Berufung gefunden hat. Seit ein paar Tagen äussert sich Gracia öffentlich zu seinem Engagement. Auf Twitter lädt er zu einer Veranstaltung am vierten Adventssonntag ein:

Die Kirche wird zurzeit renoviert. Alternativ lädt die IG in einen Saal ein. Der ist vollbesetzt. Einige, die keinen Sitzplatz mehr ergattern können, stehen an den Wänden. Die Stimmung ist freudig, aber aus vielen Gesprächen hört man Empörung und Sorge heraus. 

«Ein Gebetssturm zum Himmel!»

Eine Frau aus der Gegend schwärmt von den Ordensfrauen, die so vielen im Gebet beigestanden sind. Jemand erzählt aus seiner Kindheit, als das Kloster noch voll besetzt war und die Klosterfrauen im Sommer zum Heuen ausgezogen sind. Ein junger Mann habe einmal als Gärtner ausgeholfen und von Schwester Scolastica einen Schnaps spendiert bekommen. Unter den Anwesenden ist auch Adrian Iten, der Präsident des Organisationskomitees des vergangenen St. Galler Weltjugendtags

Kämpferisch an der Kanzel: Schwester Scholastika.
Kämpferisch an der Kanzel: Schwester Scholastika.

Durch all diese Gespräche zieht sich die Sorge, dass man diesen Ort als Frauenkloster verlieren könnte. Als Schwester Scolastica vor der Messe das Wort ergreift, verstummen die Gespräche: «Diese Zusammenkunft soll keine Demonstration sein, sondern ein Gebetssturm zum Himmel!», sagt die charismatische Schwester.

Kaplan Josef Kaufmann steht der Messe vor

Es müssten so einige Mauern niedergerissen werden, um in eine vielversprechende Zukunft aufbrechen zu können. Doch zusammen würden sie zuversichtlich wie die Muttergottes und in freudiger Erwartung vorwärtsschreiten. Dem Gottesdienst steht Kaplan Josef Kaufmann vor.

Schwester Scholastika, die letzte Schwester im Kloster Wonnenstein.
Schwester Scholastika, die letzte Schwester im Kloster Wonnenstein.

Nach der Messe geht es in einen anderen Saal für Kaffee und Kuchen. Schwester Scolastica ist das Zentrum des Geschehens. Die meisten wollen ihr Mut zusprechen, ihre Solidarität bekunden – oder einfach der kämpferischen Nonne die Hand schütteln. 

Eine Kopie der schwarzen Madonna von Einsiedeln steht in Wonnenstein

Seit bald 60 Jahren lebt sie im Kloster und entschieden beharrt sie darauf, dass dies auch so bleibt – auch wenn sie vom Verein wiederholt aufgefordert wurde, in ein anderes Kloster zu ziehen. 

Eine Kopie der schwarzen Madonna von Einsiedeln in Wonnenstein.
Eine Kopie der schwarzen Madonna von Einsiedeln in Wonnenstein.

Es gibt Kaffee. Von einer Kanzel aus berichtet Schwester Scolastica von der Geschichte des Klosters, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Sie endet mit einer Anekdote über die Kopie der schwarzen Madonna des Klosters Einsiedeln, die sich hier befindet. So sei die Muttergottes einer Schwester im Traum erschienen und habe sie gebeten, eine solche für das Kloster Wonnenstein anfertigen zu lassen. Augenzwinkernd meint Schwester Scolastica, dass die Muttergottes doch nicht zulassen werde, dass man ihre Heimat auflöst.

Die Ziele der Interessengemeinschaft

Anschliessend erläutert Giuseppe Gracia (55), Mitglied der Steuergruppe der IG, die konkreten Anliegen. Der Ort solle als Frauenkloster erhalten bleiben. Dazu sei Schwester Scolastica mit verschiedenen Orden im Kontakt, die das Kloster beziehen könnten. Mit der neuen Klostergemeinschaft solle eine Stiftung gegründet werden, um wieder unter kirchlicher Kontrolle zu stehen. Alle Bauvorhaben sollten gestoppt werden, die über die Ordensfrauen hinweg eingefädelt wurden. 

Der ehemalige Sprecher des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, unterstützt Schwester Scholastika.
Der ehemalige Sprecher des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, unterstützt Schwester Scholastika.

Auf ihrer Website fordert die IG zudem mehr Transparenz von Seiten der Vereinigung «Bodania». Es solle öffentlich gemacht werden, ob der Bischof von St. Gallen, Markus Büchel, Mitglied der Vereinigung ist, wie man sich erzählt, und was er zu diesem Interessenskonflikt zu sagen hat. Gesichert ist, dass der Bischof von St. Gallen der AV Leonina angehört.

Nach der Messe verschwinden die Herren der «Bodania»

Giuseppe Gracia, der als Sprecher des Bistums Chur nicht gerade als Förderer von Frauenklöstern in Erscheinung getreten war, sagt nun: Er stehe für Dialogbereitschaft und wolle konstruktiv ins Gespräch kommen. «Man hört immer wieder, dass der Verein und die Interessengemeinschaft (IG) ja das gleiche wollen. Das könne man jetzt beim Kaffee zusammen klären», sagt Gracia und hält Ausschau nach den paar Herren der «Bodania». Die hatten zwar an der Messe teilgenommen. Später jedoch sind sie nicht mehr zugegen und der Austausch über die Zukunft des Klosters muss ohne sie vonstatten gehen.

Blättert stolz in den Schätzen des Klosters: Schwester Scholastika, die letzte Schwester im Kloster Wonnenstein.
Blättert stolz in den Schätzen des Klosters: Schwester Scholastika, die letzte Schwester im Kloster Wonnenstein.

Im Vorfeld wollte sich der Verein Kloster Maria Rosengarten Wonnenstein gegenüber kath.ch nicht äussern. Laut dem Verein kolportiere die Gegenseite vielen falsche Behauptungen – etwa, dass es auch um Bauerwartungsland gebe. Oder dass man sich das Kloster unter den Nagel reissen wolle – schliesslich sei in den Statuten klar bezeichnet, dass die Suche nach einer neuen Gemeinschaft wesentlicher Vereinszweck ist.

Der Verein verweist auf seine «Fragen & Antworten»

Warum aber soll Schwester Scolastica ausziehen, wenn man unbedingt eine neue Frauengemeinschaft anwerben will? Auf diese Frage gibt’s an diesem Wochenende keine Antwort. Auf einzelne Vorwürfe will der Verein gegenüber kath.ch nicht eingehen – und verweist auf die «Fragen & Antworten» auf der Website.

Will nicht aufgeben: Schwester Scholastika
Will nicht aufgeben: Schwester Scholastika

Ob nach wie vor Franz Xaver von Weber Schwester Scolastica und Co. vertritt, war am Wochenende nicht in Erfahrung zu bringen. Der Rechtsanwalt vertritt regelmässig renitente Katholiken, etwa den umstrittenen Pater Adam Serafin im Wasserschloss-Konflikt oder den umstrittenen Priester Georg Rabeneck im Kanton Schwyz. 

Kein Friede in Sicht

Advent heisst Ankunft. In wenigen Tagen ist Weihnachten. Dann feiert die Welt die Geburt des Friedensfürsten. In Wonnenstein ist jedoch kein Friede in Sicht.


Schwester Scholastika, die letzte Schwester im Kloster Wonnenstein. | © Daniel Ammann
19. Dezember 2022 | 07:05
Lesezeit: ca. 5 Min.
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