Franziska Driessen-Reding ist ehemalige Zürcher Synodalratspräsidentin.
Schweiz

Franziska Driessen-Reding: Strukturen in der Kirche machen Menschen krank und widersprechen dem Evangelium

«Ich bin tief betroffen», sagt die Zürcher Synodalratspräsidentin über die Kündigung von Veronika Jehle. Gerne würde sie die Anstellungsordnung ändern. Doch dafür braucht sie die Zustimmung von Bischof Joseph Bonnemain und Generalvikar Luis Varandas.

Raphael Rauch

Was sagen Sie zur Kündigung von Veronika Jehle?

Franziska Driessen-Reding*: Ich bin tief betroffen. Dass eine so profilierte Theologin, erfahrene Seelsorgerin und engagierte Frau keine andere Lösung mehr sieht, als ihre Missio zurückzugeben und damit in Kauf nimmt, nicht mehr als Seelsorgerin tätig sein zu dürfen, ist ein weiterer dramatischer Verlust für unsere Kirche.

Veronika Jehle
Veronika Jehle

Welches Signal geht von der Kündigung aus?

Driessen-Reding: Sie zeigt, wie tief wir als Kirche in einer Sackgasse stecken. Viele Bischöfe und Leitungsverantwortliche der Pastoral wollen einfach nicht sehen, dass wir hier ein tiefgreifendes strukturelles Problem haben, dass hier systemische Diskriminierung fortwährend geschieht. Dieses System führt zur elenden Doppelmoral, fördert Vertuschung und Verheimlichung und nicht zuletzt auch Duckmäusertum. So lange die Kirchenleitung nicht bereit ist, diese Spirale der Diskriminierung zu durchbrechen, so lange werden wir weiter fähige, engagierte und bestens ausgebildete Seelsorgerinnen und Seelsorger verlieren, die wir doch so dringend bräuchten.

Bischof Joseph Bonnemain und Franziska Driessen-Reding mit pinkem "Gleichberechtigung"-Button.
Bischof Joseph Bonnemain und Franziska Driessen-Reding mit pinkem "Gleichberechtigung"-Button.

Was haben Sie getan, um Veronika Jehle umzustimmen?

Driessen-Reding: Ich zolle ihrem Entscheid grossen Respekt, auch wenn ich mir natürlich eine Lösung ihres inneren Konflikts gewünscht hätte, die eine weitere Seelsorgetätigkeit bei uns ermöglicht hätte.

Die Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding und Generalvikar Luis Varandas.
Die Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding und Generalvikar Luis Varandas.

Wer könnte die diskriminierende Anstellungsordnung ändern?

Driessen-Reding: Nur die pastorale Seite, sprich Bischof und Generalvikar, gemeinsam mit der Körperschaft. Alleine können wir als staatskirchenrechtliches Gremium hier nicht handeln.

Hirschengraben 66 in Zürich.
Hirschengraben 66 in Zürich.

Können Sie den Bischof und den Generalvikar nicht überzeugen, die Missio abzuschaffen?

Driessen-Reding: Ich bin gar nicht sicher, dass sie abgeschafft werden sollte. Grundsätzlich ist es ja richtig, dass Seelsorgende im Auftrag des Bischofs und in Verbundenheit mit ihm ihren Dienst ausüben. Die Kriterien für die Erteilung der Missio müssen aber transparent und offener werden, vor allem in Bezug auf das Privatleben der Seelsorgenden und die konsequente Anerkennung der sexuellen Selbstbestimmung aller Menschen. Das fordert ja auch der von Bischof und Generalvikar unterzeichnete Verhaltenskodex. Diese Selbstbestimmung muss doch auch Seelsorgerinnen und Seelsorgern zugestanden werden, auch den Priestern!

Papst Franziskus empfängt die Bischöfe der Schweiz 2021 im Vatikan.
Papst Franziskus empfängt die Bischöfe der Schweiz 2021 im Vatikan.

Die deutschen Bischöfe machen vorwärts und wollen über das Partikularrecht niemanden mehr diskriminierenden. Warum fehlt den Schweizer Bischöfen hierfür bislang den Mut?

Driessen-Reding: Diese Frage müssen Sie anderen stellen.

Treffen von Bischöfen und RKZ-Vertretern: Abt Urban Federer (Mitte) mit Franziska Driessen-Reding, Bischof Markus Büchel und Renata Asal-Steger. Roland Loos ist links im Bild.
Treffen von Bischöfen und RKZ-Vertretern: Abt Urban Federer (Mitte) mit Franziska Driessen-Reding, Bischof Markus Büchel und Renata Asal-Steger. Roland Loos ist links im Bild.

Was werden Sie am Montag in Einsiedeln bei der nationalen synodalen Versammlung einfordern?

Ich werde laut und deutlich sagen, dass wir in unserer Kirche noch immer Strukturen aufrechterhalten, die diskriminieren, die Menschen krank machen und die der Botschaft des Evangeliums zutiefst widersprechen. Ich will aber nicht nur kritisieren, sondern mit allen gemeinsam nach möglichen Wegen aus der Sackgasse suchen. Wir von den staatskirchenrechtlichen Gremien haben viele Expertinnen und Experten in unseren Reihen, die ihre Erfahrungen aus der Personalführung in Wirtschaft oder öffentlichen Verwaltungen einbringen können. Ich hoffe also auf einen konstruktiven und ehrlichen Dialog.

* Franziska Driessen-Reding ist Präsidentin des Zürcher Synodalrats und stellvertretende Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz. Am Montag nimmt sie an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln teil.


Franziska Driessen-Reding ist ehemalige Zürcher Synodalratspräsidentin. | © Christian Merz
27. Mai 2022 | 11:44
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