Feuer für die Armee: Franziska Heigl setzt Jugendtraum um
Frau, tätowiert und Katholikin: Franziska Heigl sprengt Vorstellungen. Dass die Armee auf Diversity setzt, findet sie super. Ihre Kurz-RS bezeichnet sie als eine «Mega-Erfahrung».
Regula Pfeifer
Franziska Heigl steckte gerade in der Ausbildung zur Armeeseelsorgerin. Da erhielt sie eine SMS: Ein Armeeseelsorger fragte, ob sie im Dienst sei. Die Leute vor Ort meinten, sie sei die Nachfolgerin. Da war Franziska Heigl einmal mehr klar: Sie war am richtigen Ort. «Dass mein Interesse für die Armee auf Gegenseitigkeit beruht, schätze ich sehr», sagt sie. «Ich bin nicht eine Person, die sich aufdrängen möchte.»
Als Teenie den Bruder bewundert
Die 45-Jährige sitzt in Zivil vis-à-vis im Sitzungsraum der Pfarrei Teufen-Bühler-Stein AR und erzählt lebhaft gestikulierend. Sie strahlt viel, wirkt ab und zu auch ernst. Die Armeeuniform trage sie nur im Dienst, sagt sie. Die militärischen Tenüs und Tragarten seien in Reglementen festgelegt.
Franziska Heigl hat seit ihrer Jugend «ein Riesenfeuer für die Armee im Bauch «, wie sie begeistert erzählt. Als Teenie bewunderte sie ihren Bruder, der in Uniform in die RS zog. Das wollte sie auch. Doch das kam nicht infrage – für sie als Frau. «Ich bin ländlich und in einer einfachen Familie aufgewachsen, in Biberist nebst Solothurn», erklärt die damalige Situation. «Da spielte der Glaube eine grosse Rolle.»
Einzige Frau im Lehrgang
Im Mai hat Heigl ihre Armeeseelsorge-Ausbildung abgeschlossen – als einzige Frau in diesem Lehrgang. Die Armeeseelsorge hat in diesem Ausbildungsgang erstmals auch Seelsorger mit muslimischem und jüdischem Hintergrund zugelassen. «Es ist super, dass die Armee auf Diversity setzt, das gefällt mir sehr», sagt Franziska Heigl.
Sie erweitert die Diversity gleich in eigener Regie: «Auch wer sich keiner Religion zugehörig fühlt, gehört dazu», sagt die Katholikin. «Mir sind der Mensch, seine Art und seine Anliegen wichtig, nicht primär seine Religionszugehörigkeit.» Alle verdienten denselben Respekt, dieselbe Achtung und Wertschätzung. «Menschen begleiten, hinhören, da sein: Das erfüllt mich ganz», sagt Franziska Heigl.
«Ich habe alle Sorgen mitbekommen und eine unglaubliche Kameradschaft erlebt.»
Zur Ausbildung gehörte auch eine dreiwöchige Kurz-RS – für alle, die nicht die normale RS gemacht haben. Diese machte sie in Thun bei den Funkern in der Panzergruppe. «Eine Mega-Erfahrung, eine Grenz-Erfahrung», schwärmt Franziska Heigl. Sie beteiligte sich an den ersten drei Wochen einer normalen RS und lief überall mit.
«So habe ich alle Sorgen mitbekommen und eine unglaubliche Kameradschaft erlebt», sagt die Armeeseelsorgerin. «Ich war Teil davon, Alter und Frausein spielten keine Rolle.» Am liebsten hätte sie weiter gemacht.
Seelsorge benötigt
Auch sie selbst kam in jenen drei Wochen an ihre Grenzen – und benötigte einen Armeeseelsorger. Sie wandte sich an Stefan Staub, einer der Ausbildner der Armeeseelsorge. «Er hat mich gut unterstützt», sagt sie. Der Kontakt führte später zu ihrer aktuellen Stelle: Seit Februar arbeitet sie als Seelsorgerin in der Pfarrei Teufen-Bühler-Stein, wo Staub als Pfarreileiter wirkt. Die Pfarrei ist wegen ihrer Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen in den Medien präsent.
Aus der früheren Jugendseelsorgerin im Zürcher Oberland ist eine Seelsorgerin im Appenzellischen geworden, die sich für Kinder, Jugendliche, Familien, Seniorinnen und Senioren einsetzt: «Das ist Leben pur.»
Zufrieden als Frau in der Kirche
Ihre Rolle als Frau in der Kirche sieht sie positiv. «Ich bin zufrieden mit der Kirche, da wo ich bin», sagt sie. «Ich fühle mich sehr wohl und frei.»
Verkäuferin und Familienfrau
Franziska Heigls Leben hat ein paar Umwege genommen. Die gelernte Bijouterie-Verkäuferin heiratete früh und kümmerte sich um die Familie. Als die Ehe zerbrach, suchte sie einen neuen Weg. Sie besann sich ihrer Wurzeln und erinnerte sich an die Jugend-Wallfahrten nach Fatima in Portugal und nach Lourdes in Frankreich. Damals waren für sie zwei Optionen offen: das Ordensleben oder das Familienleben.
«Das RPI hat mir alle Türen geöffnet.»
Vor sieben Jahren begann sie deshalb am Religionspädagogischen Institut (RPI) in Luzern zu studieren. «Das war das Genialste, was ich – nebst meiner Familie damals – machen konnte», sagt sie. «Das RPI hat mir alle Türen geöffnet.» Auch jene in die Armee.
Denn die RPI-Studierenden erhielten Besuch – von Stefan Staub. Er warb für die Armeeseelsorge. «Ich war nicht dabei, doch meine Mitstudierenden kamen danach auf mich zu und sagten: ‘Das ist doch etwas für dich, wie auf dich zugeschnitten’», erinnert sie sich.
Vom nächsten Jahr an wird Franziska Heigl als Armeeseelsorgerin Dienst leisten. «Ich werde für die Anliegen und Sorgen der Rekruten da sein, dem Stab beratend zur Seite stehen und wichtige Zeremonien begleiten», sagt sie. «Das macht mich glücklich und stolz.»
Option Mobilmachung verursacht Bauchweh
Und doch sei da noch der Gedanke, es könnte eine Mobilmachung geben – was der Ukrainekrieg wieder bewusst machte. «Das macht mir, ehrlich gesagt, schon Bauchweh.» Sie weiss aber: Mit dieser Sorge ist sie nicht allein. Und dafür ist sie nun auch da: für die Sorgen der anderen Armeeangehörigen.
Fürs Fotoshooting zieht Franziska Heigl die Uniform an. Das Béret setzt sie sich vorsichtig auf – vor dem spiegelnden Kirchenfenster. Und lacht, als sie merkt, dass das aufs Foto kam. «Während der Ausbildung habe ich die Haare länger getragen», sagt sie. Die Frisur unter dem Béret hätte womöglich gelitten. «Ich bin eine Ästhetin», sagt Franziska Heigl.
Auch ein Tattoo darf aufs Foto. Es ziert ihren Hals. «Mir ist bewusst, dass ich oft aus dem Rahmen falle – als tätowierte Frau, als Katholikin und als Armeeseelsorgerin», sagt sie. Doch das kümmert sie wenig. Sie mache die Erfahrung: «In Gesprächen lösen sich Vorurteile meist rasch auf.»
Armeeseelsorgerinnen: Tendenz steigend
Die Armee hat zurzeit 200 Armeeseelsorgerinnen und -seelsorger. Darunter auch die im Mai neu aufgenommenen. Das werde sich per Ende Jahr etwas verringern, da einige in den Ruhestand entlassen würden, sagt Samuel Schmid. Er ist der Chef der Armeeseelsorge.
Der Frauenanteil liegt mit 15 Armeeseelsorgerinnen bei 7,5 Prozent. Die Tendenz ist laut Schmid steigend. Der nächste Kurs werde einen bedeutend höheren Frauenanteil haben.
Vor Abschluss des aktuellen Kurses bestand die Armeeseelsorge aus 171 Angehörigen – darunter 14 Armeeseelsorgerinnen. Das entsprach damals einem Anteil von 8,2 Prozent. (rp)
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