Diakon Stefan Staub
Schweiz

Teufen feiert mit ukrainischen Flüchtlingen: «Die Passion ist eins zu eins gegenwärtig»

Stefan Staub ist Diakon in Teufen AR. Vor einem Monat hat er in seiner Pfarrei 120 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Zusammen mit diesen feiert er Karfreitag und Ostern: «Heute werden die Kreuze überall dort aufgerichtet, wo Menschen anderen Menschen Schaden zufügen.»

Jacqueline Straub

Wie feiern Sie Karfreitag und Ostern?

Stefan Staub*: Ich feiere zusammen mit der Kirchgemeinde und einem Teil der 120 ukrainischen Schutzsuchenden Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern. In der Ukraine gibt es viele verschiedene Konfessionen. Bei uns sind vor allem lutherische Christinnen und Christen. Wir gestalten deswegen einen katholischen Gottesdienst mit ökumenischer Prägung.

«Wir planen in der Pfarrei kein zweites Osterfest.»

In der Ukraine gibt es auch viele orthodoxe Christinnen und Christen. Diese feiern erst nächste Woche Ostern. Werden Sie in Ihrer Gemeinde zweimal Ostern feiern?

Staub: Unter unserer Gruppe hat es ein paar ukrainisch-orthodoxe Christinnen und Christen, die Ostern eine Woche später feiern. Wir planen in der Pfarrei aber kein zweites Osterfest. Vermutlich werden diese dann dafür nach St. Gallen fahren.

Auch an Palmsonntag beteiligten sich die Geflüchteten aus der Ukraine im Gottesdienst.
Auch an Palmsonntag beteiligten sich die Geflüchteten aus der Ukraine im Gottesdienst.

Was bedeutet Ostern für Sie?

Staub: Für mich zeigt sich die Karwoche dieses Jahr in einer ganz anderen Dichte als sonst angesichts des Krieges. Durch die vielen Lebensgeschichten der Menschen aus der Ukraine, die ich hören und mitfühlen durfte, sind Karfreitag und Ostern für mich dieses Jahr ganz konkret. Die Passion ist eins zu eins gegenwärtig. Die Passion passiert jetzt. Heute werden die Kreuze überall dort aufgerichtet, wo Menschen anderen Menschen Schaden zufügen.

Können Sie sich trotzdem auf Ostern freuen?

Staub: Ich habe die Osterhoffnung, dass das Dunkle, der Terror und das Leid in der Welt nicht der Schlusspunkt sind. Sondern nur ein Doppelpunkt. Es kommt noch etwas.

«An Karfreitag werden Ukrainer das Kreuz in die Kirche tragen und ein Kreuzritual machen.»

Wie laufen die Ostervorbereitungen in der Pfarrei neben der Betreuung der Geflüchteten?

Staub: An Karfreitag tragen Ukrainerinnen und Ukrainer das Kreuz in die Kirche und gestalten ein Kreuzritual machen. Ich trage Texte vor, in denen die biblischen Figuren auf dem Weg nach Golgatha zu Wort kommen. Die Texte könnten kaum aktueller in unsere Zeit passen. In der Osternacht wird ein pensionierter lutherischer Pfarrer das Osterlicht in die Kirche tragen.

Vor einem Monat kamen 120 Flüchtlinge aus der Ukraine in Teufen an. Wie läuft’s?

Staub: Inzwischen sind es sogar 130 Menschen in Teufen. Die Integration in die Familien funktioniert sehr gut, vermutlich deshalb, weil wir mit unseren Gastfamilien seit Beginn der Aktion und mit der ukrainischen Community in engem Kontakt sind. Die Geflüchteten prägen inzwischen das Dorf- und Pfarreibild. Wir geben den Ukrainerinnen Schutz und Sicherheit, doch auch sie geben uns etwas: nämlich einen tiefen Sinn für unser Christsein – unsere Gemeinde ist durch die Aufnahme der Geflüchteten wieder mehr zusammengewachsen. Kirche macht jetzt Sinn für viele Menschen.

* Stefan Staub ist Diakon in Teufen AR.


Diakon Stefan Staub | © zVg
15. April 2022 | 18:25
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