Von links Weihbischof Florian Wörner und Kardinal Rainer Maria Woelki beim Synodalen Weg in Frankfurt.
Story der Woche

«Feige Heckenschützen»? Diese Bischöfe blockierten das Reform-Papier zur Sexualmoral

Eine Minderheit der deutschen Bischöfe hat ein Reform-Papier zur Sexualmoral blockiert. «Erklärt euch», forderte daraufhin Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Welche Bischöfe schweigen – und welche zu ihrem Nein stehen.

Raphael Rauch

Homosexualität, Selbstbefriedigung, Verhütung: Was für die meisten Menschen normal ist, stellt manche katholische Bischöfe immer noch vor ein Problem. 

21 Bischöfe stimmen mit Nein

Am Donnerstag vor einer Woche wollten Katholikinnen und Katholiken auf dem Synodalen Weg die Sexualmoral updaten. Knapp 83 Prozent stimmten mit Ja. Doch eine Minderheit der deutschen Bischöfe blockierte das Reform-Papier. Es flossen Tränen, ein Synodaler sprach von einem Zusammenbruch.

Protest gegen Entscheid der Bischöfe beim Synodalen Weg in Frankfurt.
Protest gegen Entscheid der Bischöfe beim Synodalen Weg in Frankfurt.

Fakt ist: 57 Bischöfe haben sich an der Abstimmung über den Grundtext «Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik» beteiligt. Es gab 33 Ja-Stimmen, 21 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen.

Nein-Sager aus dem konservativen Lager von Köln bis Regensburg

Während der Synodalversammlung hat kath.ch mit verschiedenen Bischöfen, Expertinnen und Experten gesprochen. Auch hat kath.ch alle bischöflichen Pressestellen angefragt und verschiedene Hintergrundgespräche geführt.

Die Bischöfe von Rottenburg-Stuttgart haben unterschiedlich abgestimmt: Matthäus Karrer und Gerhard Schneider haben mit Ja gestimmt. Gebhard Fürst und Thomas Maria Renz schweigen.
Die Bischöfe von Rottenburg-Stuttgart haben unterschiedlich abgestimmt: Matthäus Karrer und Gerhard Schneider haben mit Ja gestimmt. Gebhard Fürst und Thomas Maria Renz schweigen.

Bis auf die Bischöfe, die mit Ja gestimmt haben, und die bekannten Nein-Sager aus dem konservativen Lager von Köln bis Regensburg stehen aber nur die wenigsten Bischöfe zu ihrem Nein – und verweisen auf die geheime Abstimmung. Auf die Frage, inwiefern das ekklesiologisch vereinbar ist – schliesslich sollten die Gläubigen wissen, was ihr Bischof als Hüter des Lehramtes denkt –, schweigen die meisten Bischöfe.

Weihbischöfe wollen noch Bischöfe werden – und schweigen

Dem Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes platzte letzte Woche der Kragen: «Ich schäme mich für die Bischöfe», sagte der Monsignore im Plenum des Synodalen Wegs. Statt auf Dialog zu setzen, hätten die Bischöfe mit einem «feigen Heckenschuss» ein Papier zur Sexualmoral blockiert. 

Kardinal Rainer Maria Woelki und Schwester Philippa Rath beim Synodalen Weg in Frankfurt.
Kardinal Rainer Maria Woelki und Schwester Philippa Rath beim Synodalen Weg in Frankfurt.

Nur die wenigsten Bischöfe stehen zu ihrem Nein. Das Thema ist heikel – vor allem, wenn es um das Abstimmungsverhalten der Weihbischöfe geht. Manche haben Ambitionen und wollen unbedingt Bischof werden. Ein zu liberales Votum, so die Befürchtung, könnten Karriereträume zum Platzen bringen.

Wer könnte beim Grundtext mit Nein gestimmt oder sich enthalten haben? Eine Übersicht in alphabetischer Reihenfolge.

Weihbischof Heinz-Günter Bongartz

Heinz-Günter Bongartz ist Weihbischof in Hildesheim.
Heinz-Günter Bongartz ist Weihbischof in Hildesheim.

Der Weihbischof von Hildesheim, Heinz-Günter Bongartz, könnte beim Grundtext mit Nein gestimmt haben. Zwar stimmte er später dem Handlungstext zur Homosexualität zu, nicht aber jenem zum «Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt».

Erzbischof Stephan Burger

Stephan Burger ist Erzbischof von Freiburg.
Stephan Burger ist Erzbischof von Freiburg.

Offiziell ist nicht bekannt, wie der Freiburger Erzbischof Stephan Burger abgestimmt hat. «Zum Abstimmungsverhalten des Erzbischofs und der Weihbischöfe über den betreffenden Grundtext äussern wir uns nicht», teilt die Pressestelle des Erzbistums Freiburg mit.

Allerdings hat sich Burger bei zwei Handlungstexten enthalten: sowohl bei der «Lehramtlichen Neubewertung von Homosexualität» als auch beim «Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt».

Kenner des Erzbistums Freiburg vermuten, dass Burger bei der anonymen Abstimmung über den Grundtext mit Nein gestimmt hat.

Weihbischof Horst Eberlein

Der Hamburger Weihbischof Horst Eberlein könnte beim Grundtext ebenfalls mit Nein gestimmt haben. Er hatte sich beim Handlungstext »Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt» enthalten.

Bischof Gebhard Fürst

Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart
Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart

Auch Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart, dürfte mit Nein gestimmt haben. Vor der Abstimmung machte Fürst beim Synodalen Weg in Frankfurt Stimmung gegen sexuelle Vielfalt. Er erwähnte die Tübinger Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, die kürzlich in einem Interview bekräftigte: «Bei allen Säugetieren gibt es zwei Geschlechter, und der Mensch ist ein Säugetier.»

Gegenüber kath.ch wollte Gebhard Fürst sein Votum nicht bekanntgeben. Doch Seelsorgende aus dem Bistum Rottenburg-Stuttgart sagen, schon länger sei Fürsts LGBTQ-kritische Haltung bekannt. 

Bei den namentlichen Abstimmungen zu den Handlungstexten hat Fürst einmal mit Ja gestimmt (»Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität») und sich einmal enthalten (»Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt»).

Weihbischof Herwig Gössl

Herwig Gössl (l.) ist Weihbischof in Bamberg.
Herwig Gössl (l.) ist Weihbischof in Bamberg.

Der Bamberger Weihbischof Herwig Gössl hat bei der Abstimmung über den Grundtext mit Nein gestimmt. Immer wieder hat er die Papiere des Synodalen Weges kritisiert. 2021 unterschrieb er den Beitrag «Der Mensch in seiner Liebesfähigkeit und der Glaube der Kirche», der auf der synodenkritischen Plattform des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer veröffentlicht worden war.

Weihbischof Herwig Gössl sagt zu kath.ch «Ich bin mir treu geblieben. Es gibt in dem Grundlagentext zur Sexualethik Aussagen, die ich nicht mittragen kann – wie zum Beispiel die Tendenz, die Bipolarität der Geschlechter aufzuheben. Der gesamte Duktus des Textes widerstrebt mir. Am Ende gibt es keine moralischen Regeln mehr, es läuft auf Beliebigkeit hinaus. Ich habe im Vorfeld der Texterarbeitung versucht, meine Sicht besser einzubringen. Das ist mir nicht gelungen. Ich erlebe bei den Versammlungen einen grossen Druck, dass etwas passieren muss, damit die Kirche nicht untergeht. Das alles ist nicht vom guten Geist beseelt. Von Anfang an wurden Erwartungen geweckt, die nur zu Enttäuschungen führen können.»

Weihbischof Josef Graf

Josef Graf ist Weihbischof in Regensburg.
Josef Graf ist Weihbischof in Regensburg.

Der Regensburger Weihbischof Josef Graf hat sich beim Handlungstext «Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität» enthalten und den Handlungstext «Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt» abgelehnt. Beobachter rechnen damit, dass er beim Grundtext mit Nein gestimmt hat.

Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg

Rupert Graf zu Stolberg ist Weihbischof in München und Freising.
Rupert Graf zu Stolberg ist Weihbischof in München und Freising.

Auch der Münchner Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg hat sich beim Handlungstext «Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität» enthalten und den Handlungstext «Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt» abgelehnt. Beobachter rechnen damit, dass auch er am Donnerstag mit Nein gestimmt hat.

Bischof Gregor Maria Hanke

Gregor Maria Hanke, Bischof von Eichstätt, gehört zu den Aussteigern.
Gregor Maria Hanke, Bischof von Eichstätt, gehört zu den Aussteigern.

Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke gehört zu den wenigen Bischöfen, die zu ihrem Nein am Donnerstag öffentlich stehen. Er sieht das Grundsatzpapier als einen «Bruch» mit dem christlichen Menschenbild. Hanke hat sich hierzu auch auf YouTube erklärt (ab Minute 6:30:22).

Weihbischof Matthias Heinrich

Matthias Heinrich, Weihbischof in Berlin.
Matthias Heinrich, Weihbischof in Berlin.

Der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich hat den Handlungstext «Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität» abgelehnt. Das deutet darauf hin, dass er auch den Grundtext abgelehnt hat. Ein weiteres Indiz: Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hat diesem zugestimmt und dies klar kommuniziert. Wäre Weihbischof Matthias Heinrich derselben Meinung wie sein Erzbischof, hätte das Erzbistum Berlin dies höchstwahrscheinlich ebenfalls kommuniziert.

Bischof Bertram Meier

Bertram Meier, Bischof von Augsburg
Bertram Meier, Bischof von Augsburg

Bei den namentlichen Abstimmungen zum Handlungstext «Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität» und zum Handlungstext «Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt» hat sich der Augsburger Bischof jeweils enthalten. Beobachter des Bistums rechnen damit, dass er am Donnerstag bei der anonymen Abstimmung mit Nein gestimmt hat.

Bischof Stefan Oster

Der Passauer Bischof Stefan Oster.
Der Passauer Bischof Stefan Oster.

Der Passauer Bischof Oster hat beim Handlungstext «Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität» mit Nein gestimmt und sich beim Handlungstext «Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt» enthalten. Beobachter rechnen damit, dass er am Donnerstag mit Nein gestimmt hat.

Weihbischof Ansgar Puff

Weihbischof Ansgar Puff, im Februar 2019
Weihbischof Ansgar Puff, im Februar 2019

Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff hat den Grundtext abgelehnt: «Ich habe auch heute dagegen gestimmt, weil ich zwar in der Zwischenzeit sehr viel über diese Themen nachgedacht habe und auch versucht habe, mich entsprechend wissenschaftlich weiterzubilden, aber an einigen Punkten immer noch der Meinung bin, dass ich das nicht mittragen kann, wenn ich auch andere Punkte gut fand.»

Beim Handlungstext «Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität» hat er sich enthalten und dem Handlungstext «Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt» stimmte er zu.

Weihbischof Thomas Maria Renz

Weihbischof Thomas Maria Renz
Weihbischof Thomas Maria Renz

Der Jugendbischof von Rottenburg-Stuttgart, Thomas Maria Renz, gilt nicht als Reformer. Beobachter rechnen damit, dass er am Donnerstag mit Nein gestimmt hat – auch wenn er später bei den Handlungstexten zu Homosexualität und geschlechtlicher Vielfalt mit Ja stimmte.

Weihbischof Rolf Steinhauser

Rolf Steinhäuser ist Weihbischof in Köln.
Rolf Steinhäuser ist Weihbischof in Köln.

Der Kölner Weihbischof Rolf Steinhauser hat gegen den Handlungstext zum Thema Homosexualität gestimmt und sich beim Papier zur geschlechtlichen Vielfalt enthalten. Beim Grundtext hat er mit Nein gestimmt, wie er später sagte: »Es fällt mir schwer, hier zu sprechen. Ich oute mich als einer von denen, die dagegen gestimmt haben. Und das war keine Sache, die ich mit anderen gross vorher abgestimmt habe. Es gab also jetzt da keinen verschworenen Kreis, der gesagt hat: Wir lassen das kippen oder so.»

Weihbischof Dominikus Schwaderlapp

Dominikus Schwaderlapp ist Weihbischof in Köln.
Dominikus Schwaderlapp ist Weihbischof in Köln.

Auch der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp stimmte mit Nein. Bereits im Vorfeld hatte Schwaderlapp gesagt: »Eine Zustimmung zur Vorlage ‘Leben in gelingenden Beziehungen’ bedeutet nach meiner Überzeugung eine Zustimmung nicht zu einer Fortentwicklung der Lehre der Kirche, sondern zu einem Bruch mit derselben.»

Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger

Nikolaus Schwerdtfeger ist Weihbischof in Hildesheim.
Nikolaus Schwerdtfeger ist Weihbischof in Hildesheim.

Der Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, steht zu seinem Ja bei der Abstimmung zum Grundtext. Sein Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger indes will sich nicht zur Abstimmung am Donnerstag äussern. Beobachter rechnen damit, dass Schwerdtfeger mit Nein gestimmt hat – andernfalls hätte er sich dem öffentlichen Ja-Bekenntnis seines Bischofs wohl angeschlossen. Beim Handlungstext zur Neubewertung von Homosexualität hat er sich enthalten. 

Bischof Rudolf Voderholzer

Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer.
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer.

Der ehemalige Oberassistent der Uni Freiburg ist Bischof von Regensburg. Er dürfte beim Grundtext mit Nein gestimmt haben. Er hat auch die zwei Handlungstexte zu Homosexualität und sexuelle Vielfalt abgelehnt.

Kardinal Rainer Maria Woelki

Kardinal Rainer Maria Woelki.
Kardinal Rainer Maria Woelki.

Die konservative Position des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki ist bekannt. Wie Voderholzer hat Woelki auch die zwei Handlungstexte zu Homosexualität und sexuelle Vielfalt abgelehnt. Auch beim Grundtext dürfte er mit Nein gestimmt haben.

Weihbischof Florian Wörner

Weihbischof Florian Wörner
Weihbischof Florian Wörner

Der Weihbischof von Augsburg, Florian Wörner, hat ebenfalls die zwei Handlungstexte zu Homosexualität und sexuelle Vielfalt abgelehnt. Entsprechend dürfte er auch beim Grundtext mit Nein gestimmt haben.

Weihbischof Christian Würtz

Christian Würtz ist Weihbischof in Freiburg.
Christian Würtz ist Weihbischof in Freiburg.

Zwar hat der Weihbischof von Freiburg, Christian Würtz, den zwei Handlungstexten zu Homosexualität und sexuelle Vielfalt zugestimmt. Trotzdem können sich Beobachter gut vorstellen, dass er beim Grundtext mit Nein gestimmt hat.

Weihbischof Stefan Zekorn

Weihbischof Stefan Zekorn
Weihbischof Stefan Zekorn

Der Weihbischof des Bistums Münster, Stefan Zekorn, hat sich beim Handlungstext zu Homosexualität enthalten. In einem Interview sagte Zekorn: «Bereits in meinem Wortbeitrag bei der Ersten Lesung des Textes auf der vorhergehenden Synodalversammlung habe ich auf drei Elemente hingewiesen, die es mir schwer machen, dem Text zuzustimmen. 1. Der Text widerspricht in wichtigen Teilen «Amoris laetitia», also dem päpstlichen Lehrschreiben zur Sexualmoral, das 2016 nach einer Weltbischofssynode vom Papst veröffentlicht wurde. 2. Die viel zu schwache Darstellung der Familie und ihrer Bedeutung halte ich gerade in unserer Zeit für falsch und unangemessen. 3. Die grundsätzliche Bipolarität der Geschlechter wird auf zu starke Weise nivelliert.» Von daher rechnen Beobachter stark damit, dass Zekorn gegen den Grundtext gestimmt hat. 


Von links Weihbischof Florian Wörner und Kardinal Rainer Maria Woelki beim Synodalen Weg in Frankfurt. | © KNA
16. September 2022 | 14:34
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