Mario Pinggera, Pfarrer, Theologe, Kirchenmusiker und Organist.
Schweiz

Pfarrer Mario Pinggera: «Ich bin überzeugt, dass Nemo vielen Menschen aus dem Herzen spricht»

In der Schweiz herrscht grosse Euphorie nach dem Sieg von Nemo am Eurovision Song Contest in Malmö. Mario Pinggera, Pfarrer in Richterswil und gleichzeitig versierter Kirchenmusiker, gefällt Nemos Stimme. «Nemo wäre eine Bereicherung für unseren Chor.»

Wolfgang Holz

Herr Pinggera, haben Sie am Wochenende den European Song Contest verfolgt und den Triumph von Nemo live miterlebt?

Mario Pinggera: Ich habe die mediale Berichterstattung verfolgt. Den Contest nicht, das wäre mir zu spät geworden. Am Sonntag habe ich zwei Messen und sollte nicht verschlafen wirken.

«Eine solche internationale Prämierung ist in der Tat aussergewöhnlich.»

Was sagen Sie zum Sieg von Nemo aus musikalischer Hinsicht?

Pinggera: Zunächst einmal herzliche Gratulation! Als Musiker freut es mich sehr, wenn jemand derart erfolgreich ist. Eine solche internationale Prämierung ist in der Tat aussergewöhnlich.

Gefeiert: Nemo bei der Rückkehr aus Malmö auf dem Flughafen Zürich
Gefeiert: Nemo bei der Rückkehr aus Malmö auf dem Flughafen Zürich

Hat Nemo eine schöne Stimme?

Pinggera: Was ist schön? Womit wir schon bei Nemos Text wären. Mir gefällt die Stimme. Nemos Stimme ist sehr tragfähig, und Nemo singt in verschiedenen klangtechnischen Dimensionen. Dabei verwendet Nemo «glissandi» – indem Nemo übergangslos von einem Ton zum anderen wechselt. Das hat auch schon Karel Gott früher erfolgreich gemacht.

Hat der Song Sie inhaltlich berührt?

Pinggera: Aber natürlich. Ich bin überzeugt, dass Nemo vielen Menschen aus dem Herzen spricht. Nemo macht einfach, was Nemo macht und ist – und das finde ich gut. Was den Inhalt seines Songs «The Code» angeht, bewegt Nemo sich auf einer ähnlichen thematischen Ebene wie Conchita Wurst, der ja vor zehn Jahren den Eurovision Song Contest für Österreich gewonnen hat.

Nemo anlässlich der Feier zum 50-Jahres-ESC-Sieg von Abba, am Donnerstag, 18. April 2024, in der Schwedischen Botschaft in Bern.
Nemo anlässlich der Feier zum 50-Jahres-ESC-Sieg von Abba, am Donnerstag, 18. April 2024, in der Schwedischen Botschaft in Bern.

Glauben Sie, dass das Thema Nonbinarität das Verständnis und die Toleranz gegenüber queeren Menschen in der Schweiz befördert, wenn es bei einem solchen Grossevent wie dem Eurovision Song Contest auf die Bühne kommt?

Pinggera: Es findet auf alle Fälle eine Art gesellschaftliche Bewusstwerdung statt. Grundsätzlich sollten Menschen so leben können, wie sie leben wollen, ohne dass dies infrage gestellt oder kritisiert wird. Allerdings gibt es sicherlich Länder, wie etwa Russland, wo man mit einem solchen Thema nicht kommen könnte. Die russische-orthodoxe Kirche würde so einen Song als westlich-dekadent und moralisch verwerflich einstufen.

«Aus religiöser Sicht betrachte ich das Lied eher weniger.»

Zurück zum Song. Nemo verwendet im Lied biblische Metaphern wie Himmel und Hölle. Was sagen Sie aus religiöser Sicht dazu?

Pinggera: Diese Metaphern werden vielfach verwendet. Aus religiöser Sicht betrachte ich das Lied eher weniger. Umso mehr bewegt wie gesagt der autobiografische Inhalt.

Pfarrer Mario Pinggera in der Pfarrei Heilige Familie in Richterswil
Pfarrer Mario Pinggera in der Pfarrei Heilige Familie in Richterswil

Viele streiten sich jetzt schon in der Schweiz, wo und wie nächstes Jahr der Eurovision Song Contest ausgetragen wird. Was glauben Sie, kann diese Veranstaltung fürs Image der Schweiz bewirken?

Pinggera: Es tut sicher gut, dass der ESC-Songwettbewerb mal wieder in der Schweiz stattfindet. Ich hoffe allerdings, dass sich die weltpolitische Lage bis dahin etwas gebessert hat. Sonst droht dem ESC ein ähnlich sicherheitstechnischer Aufwand wie beim WEF in Davos.

Anzeige ↓ Anzeige ↑

Wäre Nemo eigentlich eine Bereicherung für den Richterswiler Kirchenchor?

Pinggera: Unbedingt! Aber zunächst empfehle ich «Good vibes». Ein völlig neues Ensemble unserer höchst innovativen Kirchenmusikerin Flurina Ruoss. Mittlerweile singen dort über 40 Menschen, die zum Teil eben nicht kirchenaffin sind. Die Musik verbindet!

Könnten Sie sich vorstellen, dass Nemo auch mal in der Kirche in einem Gottesdienst auftritt?

Pinggera: Warum nicht?!


Mario Pinggera, Pfarrer, Theologe, Kirchenmusiker und Organist. | © Chirstian Merz
14. Mai 2024 | 15:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!