Diese Männer gehören laut Pride-Angaben zum homophoben Mob, der den Gottesdienst störte.
Schweiz

Extremismus-Experte: «Die Junge Tat stellt für LGBTQ-Personen eine Gefahr dar»

Ein homophober Mob hat am Sonntag den Pride-Gottesdienst gestört. Vermummte Männer versuchten, ein Kreuz mit der Aufschrift «No Pride Month» in die Kirche zu tragen. Extremismus-Experte Fabian Eberhard (38) vermutet dahinter die rechtsextreme «Junge Tat».

Raphael Rauch

Sie vermuten, Männer der «Jungen Tat» könnten den Pride-Gottesdienst gestört haben. Warum?

Fabian Eberhard*: Mit vollständiger Sicherheit lässt sich das nicht sagen. Ich gehe jedoch stark davon aus.

Fabian Eberhard ist Recherche-Chef des «SonntagsBlick» und Experte für Extremismus.
Fabian Eberhard ist Recherche-Chef des «SonntagsBlick» und Experte für Extremismus.

Was spricht dafür?

Eberhard: Das Aussehen und die Statur der Männer erinnern stark an die «Junge Tat». Es gibt in der Schweiz nur wenig Gruppierungen, die für eine solche Tat überhaupt in Frage kommen. Die Art der Störaktion ist typisch für die «Junge Tat»: Das Agieren in einer kleinen Gruppe, schnell, gezielt – und öffentlichkeitswirksam.

Hier ein Überblick über die Instagram-Posts zum Vorfall am Pride-Gottesdienst.
Hier ein Überblick über die Instagram-Posts zum Vorfall am Pride-Gottesdienst.

Die Störer haben ihre Aktion gefilmt.

Eberhard: Auch das ist typisch für die «Junge Tat». Die Gruppe filmt all ihre Aktionen und stellt dann professionell produzierte Propagandavideos ins Internet. In den sozialen Medien hat sich die «Junge Tat» damit eine Fangemeinde von tausenden Sympathisanten erarbeitet.

«Sie sind jung, hip – aber inhaltlich genauso radikal wie die klassischen Neonazis von früher.»

Wer ist diese Gruppe?

Eberhard: Die «Junge Tat» ist die zurzeit wohl aktivste rechtsextreme Gruppierung der Schweiz. Sie steht für einen Generationenwechsel innerhalb der Neonazi-Szene. Die Mitglieder der «Jungen Tat» pflegen einen gesunden Lebensstil, sie sind jung, hip – aber inhaltlich genauso radikal wie die klassischen Neonazis von früher, die mehrheitlich mit Glatze und Springerstiefeln auftraten. Mit dem neuen Erscheinungsbild und mit den professionellen Propagandavideos hat es die «Junge Tat» geschafft, den Rechtsextremismus für Junge Leute wieder attraktiv erscheinen zu lassen.

Die "Junge Tat" inszeniert auf Instagram einen Körperkult.
Die "Junge Tat" inszeniert auf Instagram einen Körperkult.

Wie gross ist die «Junge Tat»?

Eberhard: Die Gruppe besteht aus einem harten Kern von rund einem Dutzend Aktivisten. Um sie scharen sich nochmals einige Dutzend Sympathisantinnen und Sympathisanten, die sich im Umfeld der Gruppe bewegen. Besonders aktiv ist die Gruppe in Winterthur und Umgebung sowie im Zürcher Oberland und der Innerschweiz.

«Gründer und Anführer ist ein ehemaliger Kunststudent.»

Konnten Sie mit Anhängern der «Jungen Tat» persönlich sprechen? Sind das eher dumpfe Rambos oder gibt es auch Intellektuelle wie bei den Identitären?

Eberhard: Die «Junge Tat» meidet Journalistinnen und Journalisten. Anfragen beantworten sie nicht. Intellektuelle sind da durchaus drunter. Gründer und Anführer ist ein ehemaliger Kunststudent.

Die "Junge Tat" inszeniert auf Instagram einen Körperkult.
Die "Junge Tat" inszeniert auf Instagram einen Körperkult.

Inwiefern ist die Gruppe homophob?

Eberhard: Die «Junge Tat» ist inhaltlich eine durch und durch männerbündlerische, rechtsextreme Gruppierung. Sie diskriminiert Minderheiten und propagiert traditionelle Geschlechterrollen und Beziehungen.

«Die Junge Tat stellt für LGBTQ-Personen eine Gefahr dar.»

Die «Junge Tat» zelebriert einen exzessiven Körperkult. In Verbindung mit dem Männerbündlerischen: Hat die «Junge Tat» etwas Homoerotisches?

Eberhard: Ich sehe die Relevanz dieser Frage nicht. Klar ist in diesem Zusammenhang vor allen eines: Die Junge Tat stellt für LGBTQ-Personen eine Gefahr dar.

Die Mitglieder der "Jungen Tat" sollen jeden Tag mindestens 20-30 Minuten Sport machen.
Die Mitglieder der "Jungen Tat" sollen jeden Tag mindestens 20-30 Minuten Sport machen.

Warum ist die «Junge Tat» gefährlich?

Eberhard: Die Sicherheitsbehörden haben bei Mitgliedern der «Jungen Tat» wiederholt Waffen beschlagnahmt. Die Gruppe ist gewaltbereit und wappnet sich mit Kampfsport für den Strassenkampf. Die Anführer pflegen einen engen Kontakt zu militanten Neonazis in ganz Europa. Auch der Nachrichtendienst des Bundes hat die Gruppe mittlerweile auf dem Radar.

«In Österreich und den USA gab es ähnliche Aktionen gegen die LGBTQI-Bewegung.»

Warum haben sich die Störer bei ihrer Aktion weiss gekleidet und vermummt? 

Eberhard: Die Art der Vermummung gehört einerseits zum typischen Stil der identitären Strömung, zu der auch die «Junge Tat gehört». In Österreich und den USA gab es in den letzten Wochen ähnliche Aktionen von weiss vermummten Rechtsextremen gegen die LGBTQI-Bewegung. Die Vermummung dient zudem dazu, nicht erkannt zu werden. 

Und wieso weiss?

Weiss dürfte eine Anspielung auf die weisse Hautfarbe sein – ganz im Sinne der rassistischen White-Supremacy-Ideologie. Die «Junge Tat» hat auf ihrem Telegram-Kanal den «White Boy Summer» ausgerufen.

* Fabian Eberhard (38) ist Recherche-Chef des «SonntagsBlick» und Experte für Extremismus.


Diese Männer gehören laut Pride-Angaben zum homophoben Mob, der den Gottesdienst störte. | © zVg
21. Juni 2022 | 12:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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