Chefredaktor Charles Martig im Newsroom von kath.ch
Kommentar

Experte für Strafuntersuchung an der Seite von Joseph Bonnemain

Die Verhandlungen laufen seit Wochen. Dem vatikanischen Sonderermittler Joseph Bonnemain soll ein externer Kompagnon zur Seite gestellt werden. «Es geht um die Glaubwürdigkeit der Kirche», meint Charles Martig. «Alles muss auf den Tisch: Je schneller und effizienter, desto besser.»

Charles Martig

Bereits an der nationalen Medienkonferenz vom 12. September hat Bischof Bonnemain gesagt, dass er den Auftrag habe, gegen sechs Mitglieder der Bischofskonferenz eine kanonische Voruntersuchung zu führen, nur ungern annahm. Er habe den Auftrag des Vatikans nur übernommen, weil niemand anderer diesen in der Schweiz ausführen könne. Der Verdacht auf Befangenheit steht seither im Raum.

Bonnemain braucht für Strafuntersuchung tatkräftige Unterstützung

Ein Vorschlag der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ) kam postwendend. Urs Brosi schlug vor, einen Rechtsexperten zu finden, der Bonnemain zur Seite steht. Diese Fachperson sollte laut Brosi im Bereich Ermittlung und Strafuntersuchung kompetent sein und bei der Polizei oder einer Staatsanwaltschaft tätig sein. Bischof Joseph Bonnemain zeigte sich im SRF «Club» offen für eine solche Lösung.

Bischof Bonnemain versprach an der Vorstellung der Pilotstudie, sich persönlich für die Öffnung der Nuntiatur-Archive einzusetzen.
Bischof Bonnemain versprach an der Vorstellung der Pilotstudie, sich persönlich für die Öffnung der Nuntiatur-Archive einzusetzen.

Die Verhandlungen laufen. Eine Frage, die sich stellt: welche Kompetenzen der Rechtsexperte oder die Expertin mitbringt. Sicher wird er im Strafrecht und im Prozessrecht bewandert sein. Dass heisst, die Fachperson wird Bischof Bonnemain in Fragen des Strafrechts beraten.

«Schaut die Fachperson dem Sonderermittler Bonnemain einfach über die Schulter?»

Die Ermittlung gegen sechs Mitglieder der Bischofskonferenz sind kirchenrechtlicher Art. Deshalb stellt sich die Frage, welche Aufgabe die neue Fachperson aus kanonischer Sicht übernimmt. Schaut die Fachperson dem Sonderermittler Bonnemain einfach über die Schulter? Wie ein Berater der PwC oder KPMG, der dafür engagiert wird, einen Audit durchzuführen? Oder bekommt der neue Experte mehr Kompetenzen?

Fragiles Doppelgespann

Prima vista wird es ein fragiles Doppelgespann. Bischof Bonnemain ist offiziell der Sonderermittler des Vatikans. Ihm zur Seite soll ein Berater gestellt werden, auf den er hören kann oder auch nicht. Was geschieht, wenn der Rechtsexperte die Situation vollständig anders einschätzt als Bonnemain? Im Konfliktfall wäre das Doppelgespann wie zwei ungleiche Brüder. Einer ist der Ältere mit Vorrechten, der andere kann seine Meinung einbringen, spielt aber schlussendlich die zweite Geige.

Bisherige Arbeit von Sonderermittler Bonnemain überprüfen

Im besten Fall hört Bischof Bonnemain auf die externe Fachexpertise. Dann könnte die neue Fachperson als erstes überprüfen, ob der Sonderermittler des Vatikans bisher eine gute Arbeit gemacht hat.

Bischof Joseph Maria Bonnemain vor den Medien
Bischof Joseph Maria Bonnemain vor den Medien

Es gibt einen ganz konkreten Fall, der zu überprüfen ist. Bischof Bonnemain hat am 8. September 2023 Strafanzeige in Freiburg und Lausanne gestellt. Es geht um den Fall von Jean César Scarcella. Der Abt von St. Maurice lässt sein Amt seit dem 13. September ruhen, weil ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen wird.

«Es hat sage und schreibe drei Monate bis zur Anzeige gedauert.»

Pikant daran ist, dass die Vorwürfe gegen Scarcella bereits Ende Mai 2023 bei der Schweizer Bischofskonferenz eingingen. Es hat nun seit Ende Mai sage und schreibe drei Monate gedauert bis zur Anzeige.

Hohe Dringlichkeit bei sexuellen Übergriffen auf Minderjährige

Jetzt stellen sich Fragen: War das sachlich erforderlich? Oder ist diese Verzögerung mit der Arbeitsüberlastung von Bischof Bonnemain zu erklären? Tatsache ist: Beim Verdacht auf sexuelle Übergriffe gegenüber Minderjährigen gibt es eine hohe Dringlichkeit. Wenn die Anzeige nicht umgehend erfolgt, besteht eine Wiederholungsgefahr. Und das müsste auch dem Sonderermittler Bonnemain klar gewesen sein. Warum hat er abgewartet? Eine externe Fachperson könnte hier Dampf machen und auf konkrete Schritte drängen.

Befangenheit aus dem Weg räumen

Bischof Bonnemain ist seit 23. Juni 2023 offizieller Sonderermittler des Vatikans. Dass er professionelle Unterstützung bekommen soll, ist enorm wichtig, um den Verdacht der Befangenheit aus dem Weg zu räumen. Und es kann sogar dazu führen, dass die anstehenden Verfahren schneller vorangehen.

Schnelle und lückenlose Aufklärung: Das ist im Interesse von Sonderermittler Bonnemain, aber auch der gesamten Kirche in der Schweiz. Das Misstrauen ist gross. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Kirche. Alles muss auf den Tisch: Je schneller und effizienter, desto besser.

6.11.2023, 9.00 Uhr: Diese Fassung des Kommentars ist korrigiert. Die Verhandlungen über die Einsetzung eines Rechtsexperten laufen.


Chefredaktor Charles Martig im Newsroom von kath.ch | © Regula Pfeifer
6. November 2023 | 08:30
Lesezeit: ca. 3 Min.
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