Katechetin Evi Marti von der Pfarrei St. Martin mit ihren Erstkommunikantinnen und Erstkommunikanten
Schweiz

Erstkommunion: «Mehr Taufen vor dem Weissen Sonntag als sonst»

Am heutigen Weissen Sonntag feiern wieder viele Kinder ihre erste Heilige Kommunion. In der Pfarrei St. Martin in Baar ist die Erstkommunion dabei nicht nur nach wie vor ein traditionell wichtiges Familienfest. Es fällt auf, dass die Zahl der Taufen einiger Kinder vor der Erstkommunion deutlich höher liegt als sonst – was darauf hindeuten kann, dass das Sakrament eine Aufwertung erlebt.

Wolfgang Holz

Auffällig an der diesjährigen Erstkommunionfeier sei die deutlich höhere Zahl an Taufen vor der Erstkommunion. «Ohne Taufe können Kinder die Erstkommunion nicht empfangen», erklärt Evi Marti, Religionslehrperson in der Pfarrei Baar. «Wir hatten drei bis vier Taufen vor der Erstkommunion «, berichtet sie. «Wir haben diesmal sogar ein reformiertes Kind dabei, das wegen der Erstkommunion die Konfession gewechselt hat.»

70 Kinder zum Tisch des Herrn

Rund 70 Kinder gehen in Baar am Sonntag zum ersten Mal an den Tisch des Herrn. «Das ist eine durchschnittliche Zahl», so die katholische Katechetin Evi Marti. Was das Gottesdienstritual anbelangt, habe sich den vergangenen Jahren, in denen sie für den Erstkommunionunterricht der Kinder verantwortlich ist, nicht viel geändert.

Evi Marti, Katechetin der Pfarrei St. Martin in Baar
Evi Marti, Katechetin der Pfarrei St. Martin in Baar

«Wir haben den Erstkommunionweg etwa angepasst und verkürzt, zudem hat man beim Startanlass mit einer Segensfeier gespürt, dass die beteiligten Eltern und Kinder den Anlass als sehr wichtig empfinden.» Man sei zu einem gemeinsamen Mittagessen zusammengekommen beim Eltern-Kind-Tag und habe die Tauferneuerungsfeier mit den Taufkerzen gefeiert. Im Gegensatz zu früher bringen die Erstkommunionkinder somit ihre Taufkerzen nicht mehr mit in den Gottesdienst. Zur Erstkommunionfeier erscheinen die Kinder in den traditionell weissen Gewändern.

«Die Erstkommunion ist in Baar noch fest verankert, ausserdem ist es für viele Familien nach wie vor ein grosses und wichtiges Familienfest.»

Evi Marti, Katechetin, Pfarrei Baar

«Die Erstkommunion ist in Baar noch fest verankert, ausserdem ist es für viele Familien nach wie vor ein grosses und wichtiges Familienfest», versucht Evi Marti die heutige Bedeutung des Sakraments der Erstkommunion für die Eltern zu umreissen. In einem Fall sei ihr bekannt, dass sogar Verwandte aus Australien zur Erstkommunionfeier anreisen. «Der Glauben und das Familienfest, beides zusammen, macht wohl die Wichtigkeit des Fests heutzutage aus.»

Kinder kommen gerne in Erstkommunionunterricht

Was die Kinder in ihrem Erstkommunionunterricht betrifft, hat sie den Eindruck, «dass die Schülerinnen und Schüler gerne kommen». Wobei man schnell merke, dass einige Kinder durch ihr Elternhaus religiös stärker sozialisiert seien als andere. «Das erkennt man etwa daran, dass solche Kinder dann bestimmte biblische Geschichten schon kennen».

Baarer Erstkommunikantinnen und Erstkommunikanten im Religionsunterricht
Baarer Erstkommunikantinnen und Erstkommunikanten im Religionsunterricht

Andere Kinder würden dagegen schon mal nachfragen, etwa an Weihnachten: «Jesus – wer ist das?» Generell seien ihre Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht in der Primarschule sehr aufnahmefähig. «Es ist immer wieder erstaunlich, was Kinder alles aufnehmen, wenn man ihnen eine Geschichte erzählt.»

Nicht zu leugnen sei sicherlich, dass der Gottesdienstbesuch der Kinder weiter abnehme. «Allerdings sind unsere Familiengottesdienste und unsere Schuleröffnungsgottesdienste zumeist gut besucht.»

Neun Kinder zur Erstkommunion seit Januar getauft

Auch Claudio Tomassini, Seelsorger und Pfarreileiter in der Pfarrei Baden, kann bestätigen, dass es vermehrt zu Taufen vor der diesjährigen Erstkommunionfeier gekommen sei. «Seit Januar bis jetzt habe ich neun Kinder getauft – wobei dieser Trend zu Kindertaufen in unserer Pfarrei schon seit einigen Jahren anhält.»

Claudio Tomassini, Gemeindeleiter von Sursee, begrüsst die Menschen in der Kirche von Sursee zu einer "Kraftfeier".
Claudio Tomassini, Gemeindeleiter von Sursee, begrüsst die Menschen in der Kirche von Sursee zu einer "Kraftfeier".

Warum Eltern ihre Kinder heutzutage erst später taufen lassen – und nicht gleich nach der Geburt – kann für den Badener Seelsorger mehrere Gründe haben. «Zum einen ist möglicherweise die traditionelle Beziehung zur katholischen Kirche nicht mehr so ausgebildet, zum anderen ist vielleicht nur ein Elternteil katholisch», erklärt er. Nicht zuletzt bestehe heutzutage auch eine allgemeine Verunsicherung gegenüber der Institution Kirche. «Deswegen warten einige Leute mit der Taufe.»

Tränen bei der Taufe

Im Vorfeld der Kindertaufen erlebt der Pfarreileiter jedenfalls oft berührende Momente. «Es sind immer extrem kostbare Taufgespräche und ganz tolle Begegnungen, wenn die Kinder sich taufen lassen wollen und sich dafür bewusst entscheiden.» Und bei den Taufen selbst dann in der Kirche flössen regelmässig Tränen bei den Familienmitgliedern – vor Rührung.

Kindertaufe: Nicht mehr alle katholischen Eltern lassen ihre Kinder heute nach der Geburt taufen.
Kindertaufe: Nicht mehr alle katholischen Eltern lassen ihre Kinder heute nach der Geburt taufen.

Was die erhöhte Zahl von Taufen von Kindern vor der Erstkommunion für die Erstkommunion selbst bedeutet, erkennt Claudio Tomassini eine Freude bei den betroffenen Kindern, auch bei der Feier dabei sei zu können. Teil der Gemeinschaft werden zu können. «Und zwar wirklich im Sinne des Glaubens», ist Tomassini überzeugt.

«Das Fest der Erstkommunionfeier ist heutzutage viel einfacher, viel bescheidener geworden.»

Claudio Tomassini, Seelsorger Pfarrei Baden

Denn die Zeit der grossen Geschenke für Kinder an der Erstkommunionfeier sei vorbei. «Das Fest der Erstkommunionfeier ist heutzutage viel einfacher, viel bescheidener geworden. Manche feiern auch nicht mehr in Restaurants, sondern zuhause», sagt der Seelsorger. «In diesem Sinn bedeutet die Erstkommunion für viele Kinder und Eltern ein Gewinn – auch unter dem Aspekt, in ein grösseres Ganzes eingebettet zu sein.»

«Einführung in den Glauben überhaupt»

Laut Einschätzung des deutschen Pastoraltheologen Hubertus Brantzen befindet sich die Erstkommunionvorbereitung für Kinder im Wandel. «Wir erleben, wie Gemeinden zusammengelegt werden, und darum der Erstkommunionunterricht in einer neuen Gestalt stattfinden muss. Zudem erklären sich immer weniger Erwachsene bereit, die Kinder in der Vorbereitungszeit zu begleiten.»

Zudem sei für immer mehr Kinder «die Erstkommunionvorbereitung zu einer ersten Einführung in den Glauben überhaupt geworden.» Eine umso grössere Rolle spielen demnach Eltern bei der Vorbereitung ihrer Kinder auf die Erstkommunion. Meist geschehe dies fast nebenbei mitten im Alltag, so Brantzen: «Sie vermitteln ihnen, was im Leben wichtig ist. Sie leben vor, welche Werte sie im Leben tatsächlich weiterbringen.» Es sei unabdingbar, Familien mit in die Erstkommunion einzubeziehen.

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Kompaktkurse, bei denen etwa der gesamte Lehrinhalt des Kommunionsunterrichts an ein bis zwei Wochenenden vermittelt werden soll, sieht er eher kritisch. «Eine Sozialisation in die Glaubenspraxis der Kirche ist eine Frage langsamen und ganzheitlichen Wachstums», erklärte der Experte. Eltern seien die wichtigsten Erzieher ihrer Kinder.

Auch im Alltag von Familien, die nur selten in die Kirche gehen, gebe es Elemente, die die Vorbereitung unterstützten: Wenn Eltern für ihre Kinder schöne Geschenke aussuchten, und darauf verwiesen, dass diese Geschenke zeigen sollten, wie wichtig das Geschenk der Freundschaft mit Jesus ist, dann sei das auch schon ein Teil der Hinführung zum Glauben, so Brantzen. Zudem könnten Kinder, die von ihren Eltern liebevoll begleitet würden, auch nachempfinden, dass Gott für sie da sei.

Der Pastoraltheologe rechnet zudem mit weiteren Umbrüchen. Die Tradition werde an Bedeutung verlieren, sagte er: «In den kommenden Jahrzehnten werden nur noch solche Eltern ihre Kinder zur Erstkommunion gehen lassen, die bewusst ihren Glauben leben.» (kna)


Katechetin Evi Marti von der Pfarrei St. Martin mit ihren Erstkommunikantinnen und Erstkommunikanten | © zVg
7. April 2024 | 16:00
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