Ein Glücksfall zur Befriedung des Kirchenstreits in Chur

Bischof Amédée Grab wird am 3. Februar achtzig

Chur, 29.1.10 (Kipa) Durch die Schweiz ging im Jahr 1998 ein Aufatmen, als bekannt wurde, dass Bischof Amédée Grab den von vielen ungeliebten Bischof Wolfgang Haas an der Spitze des Bistums Chur ablöst. Der Ökumeniker Grab, der am Mittwoch, 3. Februar, 80 wird, gilt als «Mann der Versöhnung».

Es gehe ihm gut, erklärte er im Gespräch mit der Presseagentur Kipa. Das nimmt man ihm ab, denn er ist an seinem heutigen Wohnort schwer zu erreichen. In der Woche vor seinem achtzigsten Geburtstag nahm er einen Termin in einem Westschweizer Frauenkloster wahr. Tags darauf reiste er zu einem Treffen ins Tessin.

Er sei theoretisch im Ruhestand, führte der emeritierte Churer Bischof weiter aus. Aber er habe viele Verpflichtungen auch ausserhalb des Bistums. Wenn nötig vertrete er seinen Nachfolger Vitus Huonder in den Pfarreien. Er habe aber keinen «offiziellen Auftrag» im Bistum, präzisierte Grab, der regelmässig auch Gemeinschaften und Klöster besucht.

Heute wohnt er nicht etwa in einem Altersheim, sondern im Priesterseminar Chur. Er hält zwar keine Vorlesungen an der Theologischen Hochschule Chur, ist aber eng mit der Seminargemeinschaft verbunden. Es spricht für sich, dass auf diese Weise die angehenden Priester, Laientheologinnen und Laientheologen des Bistums Chur von seinem reichen Erfahrungsschatz profitieren können.

Tolerant und mehrsprachig

Amédée Grab wurde am 3. Februar 1930 in Zürich geboren und wuchs in Genf auf. Das internationale Klima in der Rhone-Stadt hat ihn nachhaltig geprägt. Wo jeder zweite Katholik aus dem Ausland stammt und wo das Völkergemisch überaus bunt ist, liegen die Lernfelder für Toleranz und Dialogfähigkeit buchstäblich auf der Strasse.

Das Kollegium absolvierte er in der Benediktinerabtei Einsiedeln SZ, wo er anschliessend Ordensmann wurde. 1954 erhielt er die Priesterweihe. Er nahm an der Synode 72 teil, an welcher er die «Harmonie» der Gespräche schätzte.

Nach jahrzehntelanger Lehrtätigkeit an den Gymnasien seiner Abtei in Einsiedeln und in Ascona TI, am Collegio Papio, wurde der Benediktiner 1983 zum Sekretär der Schweizer Bischofskonferenz ernannt. Perplex waren an den Pressekonferenzen jeweils die Journalisten, wenn Grab seine Antworten ohne Umschweife in den drei Landessprachen gab. Vier Jahre später folgte die Ernennung zum Weihbischof im Bistum Lausanne, Genf und Freiburg mit Sitz in Genf.

Ängste ausgeräumt

In Genf hatte es seit 1873 keinen katholischen Bischof mehr gegeben. Grabs Ernennung weckte in der Calvin-Stadt da und dort Befürchtungen, der konfessionelle Friede sei bedroht, und mit dem Weihbischof werde gleichsam ein trojanisches Pferd in die Stadt eingeschleust, um wieder ein katholisches Bistum Genf zu errichten – wo doch die Landesregierung den ersten nach der Reformation in Genf residierenden Bischof 1873 ausgewiesen hatte. Der neue Weihbischof Amédée Grab meisterte aber die Hürde und konnte das gute ökumenische Klima vor Ort erhalten.

1995 wurde Grab zum Diözesanbischof des Westschweizer Bistums und somit zum Nachfolger von Bischof Pierre Mamie ernannt. Drei Jahre später folgte ein für die Kirche Schweiz ungewöhnlicher Vorgang: 1998 wechselte Grab, der Diözesanbischof von Lausanne, Genf und Freiburg, auf den Bischofssitz von Chur, wo er den von vielen ungeliebten Bischof Wolfgang Haas an der Spitze des Bistums ablöste. Das Bistum leitete er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2007.

Zürich findet wieder nach Chur

Wie gut es Amédée Grab gelungen ist, das Kirchen-Klima im Bistum Chur nach dem Abgang seines stark abgelehnten Vorgängers zu wenden, zeugt eine Würdigung durch das Zürcher Pfarrblatt «forum» von Ende 2006. Dem «väterlichen Bischof» sei es gelungen, das gespannte Verhältnis zwischen dem Bischofssitz in Chur und der Kantonalkirche Zürich «in erstaunlich kurzer Zeit» zu entkrampfen.

Unter Grabs Ägide hat auch das Priesterseminar St. Luzi in Chur wieder Boden unter den Füssen erhalten. Unter Haas war das Seminar als Stätte für schlecht ausgebildete Priester ultrakonservativer Prägung in Verruf geraten.

Zuversichtlich und dialogbereit

Amédée Grab erläuterte in einem Gespräch mit der Presseagentur Kipa eines seiner Geheimrezepte: Er habe sich in Genf immer bemüht, zuversichtlich eine Arbeit anzugehen und «und vor allem immer mit allen Seiten im Dialog zu bleiben», sagte er kurz vor seiner Amtseinführung im Bistum Chur.

Im konfessionell heiklen Umfeld der Calvin-Stadt Genf führte seine Arbeit nicht nur zu keinerlei nennenswerten ökumenischen Spannungen, sondern im Gegenteil zu Annäherungen. Auch in Chur werde er sich bemühen, dass «dass Bistum und Gläubige wieder einen Weg finden, miteinander ins Gespräch zu kommen».

Grab musste tiefe Wunden zwischen Haas-Gegnern und Haas-Befürwortern im Bistum heilen. Zu seinem Selbstverständnis für die dazu notwendige Toleranz meinte er gegenüber Kipa: «Ich versuche niemanden auszugrenzen. Doch auch misstrauische Mitchristen müssen gewärtigen, dass nicht alle das Gleiche denken.»

Vielfalt des Bistums

Das Bistum Chur ist eines der grössten der Schweiz mit der Grossstadt Zürich. Die Vielfalt der rund 680.000 Katholiken zählenden Diözese klammerte Grab in seinen Überlegung zur Führung der ihm anvertrauten Kirche nicht aus. «Zürich ist eine andere Welt als die Urschweiz oder Graubünden, ist ein städtisches Milieu und ein Ort, wo die Katholiken in der Minderheit sind und wo traditionell Toleranz und ein ökumenisches Bewusstsein gepflegt werden», meinte er einmal gegenüber Kipa.

Als hätte er nicht in Chur nicht genug zu tun gehabt, wurden dem redegewandten und diplomatisch mit viel Geschick agierenden Ordensmann gegen Ende seiner Amtszeit weitere Aufgaben anvertraut. Von 2001 bis 2006 war er Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Von 1998 bis Ende 2006 stand er als Präsident der Schweizer Bischofskonferenz vor. 2005 wurde Grab zum Moderator der deutschen Sprachgruppe bei der in Rom tagenden Weltbischofssynode gewählt.

Hinweis: Das Bistum Chur feiert am 3. Februar um 9.30 Uhr in der Kathedrale Chur den runden Geburtstag seines emeritierten Diözesanbischofs. Der ungarische Kardinal Peter Erdö, derzeitiger Präsident des CCEE, nimmt am Gottesdienst teil und spricht anschliessend bei einem Festakt.

Hinweis für Redaktionen: Zu diesem Beitrag ist ein honorarfreies Bild erhältlich. Es kann bei der Presseagentur Kipa angefordert werden: kipa@kipa-apic.ch

(kipa/gs/job)

29. Januar 2010 | 11:01
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!