Daniel Krieg
Porträt

Domherr Daniel Krieg wünscht Aufarbeitung der jahrelangen Konflikte im Bistum Chur

Heute vor einem Jahr hat der Vatikan die Ernennung von Joseph Bonnemain zum Bischof von Chur bekannt gegeben. Die Stimmung im Bistum sei nun unverkrampfter, sagt Daniel Krieg (48). Seit kurzem ist er neuer Domherr.

Boris Burkhardt

Die Anfrage für das Amt des Domherrn kam für Daniel Krieg anfangs Dezember überraschend. «Bischof Bonnemain hat mir seine Beweggründe nicht mitgeteilt», sagt der Priester der Pfarreien St. Martin und Bruder Klaus in Altdorf mit einem gewinnenden Lächeln. Über die Domherren habe er zuvor gewusst, «dass sie Priester sein müssen und sich in der Seelsorge ausgezeichnet haben sollten».

Der zweitjüngste Domherr

Insgesamt gibt es 24 Domherren. Aktuell sind zwei Posten im Domkapitel vakant. Mit 48 Jahren ist Daniel Krieg der zweitjüngste Domherr. Im Dezember erfolgte die offizielle Ernennung, am 13. Januar die sogenannte Installation ins Amt.

Daniel Krieg im Januar nach der Installation als Domherr in Chur.
Daniel Krieg im Januar nach der Installation als Domherr in Chur.

Zu einer Sitzung ist das Domkapitel bisher nicht zusammengekommen; es gibt noch nicht einmal ein Datum. Krieg kann deshalb nur vermuten, welche Aufgaben in diesem neuen Amt auf ihn zukommen. 

Die Urner Region in Chur einbringen

«Der Bischof hat mir erklärt, dass es sich um zwei Sitzungstage im Jahr handelt», sagt Krieg. Und fügt aus Erfahrung hinzu: «Meistens ist es aber mehr Aufwand, als gesagt wird.» Krieg hätte durchaus ohne Konsequenzen ablehnen können. Zu seiner Motivation erklärt er: «Es ist dasselbe wie in der Politik: Es gibt die, die immer schimpfen, und die, die sich einbringen.»

Daniel Krieg
Daniel Krieg

Krieg hofft, dass er die Sicht seiner Urner Region in Chur einbringen kann. Er will sein neues Amt aber nicht überbewerten: «Ich bin einer von 24 in diesem Gremium.» Er wolle jedoch Bischof Joseph Maria Bonnemain nach Kräften unterstützen: «Wir können es uns als Vertreter der Kirche nicht leisten, zu streiten und gleichzeitig das Evangelium zu verkünden.»

Ministrant und Jungwacht

Daniel Krieg wurde 1974 in Lachen SZ geboren und wuchs mit vier Geschwistern in Siebnen auf. Sein Vater, erzählt er, habe als Bauernbub in einer zwölfköpfigen Familie eine einfache soziale Herkunft gehabt. Krieg war Ministrant, in der Jungwacht aktiv und im Turnverein Siebnen bis 2007.

Die Kirche in Lachen SZ.
Die Kirche in Lachen SZ.

Er besuchte das Gymnasium in Nuolen SZ, das von den Missionaren der Heiligen Familie geführt und vom Kanton Schwyz finanziell mitgetragen wurde. 1994 schloss er mit der Matura Typus B ab, Latein und Englisch. Für Altgriechisch hatte die Zahl der angemeldeten Schüler nicht gereicht.

Familie oder Zölibat?

Bis zum 18. Lebensjahr habe er geplant, Medizin zu studieren, berichtet Krieg. 1995 schrieb er sich als Student der katholischen Theologie in Luzern ein: «Ich hatte in meiner Kinderzeit einen sehr guten Pastoralassistenten und einen, auf seine Art, durchaus überzeugenden Pfarrer.» Noch vor der Matura besuchte Krieg ausserdem in Freiburg und Luzern theologische Vorlesungen, um einen Einblick zu erhalten.

Eine wissenschaftliche Karriere als Theologe kam für Krieg nie in Frage: «Die Perspektive, in den Kirchendienst zu gehen, wurde während des Studiums immer klarer. Aber ich musste mich noch zwischen Familie und Zölibat entscheiden.»

«24 Stunden am Tag erreichbar»

Die endgültige Entscheidung für das Priesteramt traf Krieg im Semester 1997/1998 während seiner Zeit in Mainz. Im Jahr 2000 trat er seine erste Stelle als Pastoralassistent in Engelberg an. Die Diakonenweihe folgte im Mai 2002 in Chur, die Weihe zum Priester im April 2003 in Einsiedeln. Von 2002 bis 2007 wirkte er in der Pfarrei Goldau.

«Die Abschaffung des obligatorischen Zölibats würde sicher zwei, drei Probleme lösen, strukturell und persönlich», sagt Krieg mit Blick auf seine damalige Entscheidung vorsichtig: «Aber das Berufsbild des Priesters müsste sich ändern: Ich bin 24 Stunden am Tag für meine Gemeindemitglieder erreichbar. Das funktioniert ziemlich sicher mit Familie so nicht mehr.»

«Ich mag den Menschenschlag der Urschweiz»

2007, mit 33 Jahren, wurde Krieg in Altdorf zum Pfarrer gewählt: «Ich war relativ offen, was den zukünftigen Wirkungsort anging. In Altdorf kannte ich schon einige Mitarbeiter von Fortbildungen.»

Domherren seit 2022: von links Karl Wolf, Adrian Lüchinger, Luis Varandas, Bischof Joseph Maria Bonnemain, Albert Fischer, Jürg Stuker, Daniel Krieg.
Domherren seit 2022: von links Karl Wolf, Adrian Lüchinger, Luis Varandas, Bischof Joseph Maria Bonnemain, Albert Fischer, Jürg Stuker, Daniel Krieg.

Und Altdorf erwies sich für Krieg als die richtige Entscheidung: «Ich mag den Menschenschlag der Urschweiz. Und eine Seelsorgeeinheit mit 6500 Menschen hat eine gute Grösse.» Seit 2011 ist er ausserdem Dekan des Dekanats Uri, das 24 Pfarreien umfasst – «zum Teil auch Kleinstpfarreien» wie Realp, Sisikon und Bauen mit je rund 100 Mitgliedern.

Den Strukturwandel pragmatisch angehen

Für Krieg macht diese Kleinräumigkeit in der Innerschweizer Bergwelt durchaus Sinn. Kooperationen, die es im Dekanat Uri in zwei Seelsorgeräumen oder bei der Firmvorbereitung und in der Ministrantenpastoral gibt, begrüsst Krieg durchaus: «Aber es muss von unten kommen, damit es funktioniert.»

Daniel Krieg (Mitte)
Daniel Krieg (Mitte)

Grosse Seelsorgeeinheiten seien in der Innerschweiz nicht umzusetzen, ist sich Krieg sicher: «Da ginge der Kontakt verloren.» Den Strukturwandel müsse man pragmatisch angehen: «Er kommt von allein, wenn Geld und Personal fehlen.»

Kirchenaustritte, manchmal auch Eintritte

Die Kleinräumigkeit habe auch dazu geführt, dass die Welle der Kirchenaustritte erst langsam, «mit vielleicht zehn Jahren Verspätung», in Uri angekommen sei: «Der Austritt ist eine grössere Hemmschwelle, wenn jeder jeden kennt.» Aber auch Krieg macht die Erfahrung, dass vor allem Mitglieder zwischen 20 und 45 Jahren die Kirche als Verein ansähen: «Sie rechnen wie beim Fitnessstudio: Ich nutze das Angebot nicht; also zahle ich auch kein Abo.»

Daniel Krieg
Daniel Krieg

Er kenne viele Menschen persönlich, die ausgetreten seien: «Ich behandle sie alle gleich, etwa bei Beerdigungen.» Schön ist es für Krieg, wenn Menschen wieder in die Kirche eintreten: «Das kommt ab und zu vor.»

Wie sieht der neue Domherr den neuen Bischof?

Die Reaktionen in Altdorf auf seine Wahl zum Domherrn seien «durchweg positiv» gewesen, sagt Krieg. Ältere Gemeindemitglieder hätten ihm durchaus gesagt, «dass sie stolz sind». Bereits Pfarrer Hans Arnold, Kriegs Vorgänger in Bruder Klaus, war Domherr – einer der wenigen, der aus Altersgründen von seinem Amt zurücktrat.

Katholische Pfarrkirche Goldau SZ
Katholische Pfarrkirche Goldau SZ

Wie schätzt der zweitjüngste Domherr die Stimmung im Bistum Chur ein, ein Jahr nach der Ernennung von Joseph Bonnemain zum Bischof von Chur? «Persönlich erlebe ich die Stimmung als unverkrampfter. Es ist eine gewisse Aufbruchsstimmung spürbar», sagt Krieg. «Allerdings bedarf es noch einer Aufarbeitung der jahrelangen Konflikte in unserem Bistum im Sinne einer Versöhnung, sonst schwelen diese noch weiter. Und in diese Richtung ist noch nicht viel geschehen.»

«Die Pfarrei bleibt meine primäre Aufgabe»

Zusätzlich zum Amt im Domkapitel ist er Mitglied der Kommission für den Ständigen Diakonat geworden. Doch seine Gemeindemitglieder müssten keine Angst haben, dass sie wegen seiner neuen Aufgabe zu kurz kommen: «Die Pfarrei bleibt meine primäre Aufgabe. Die Menschen vor Ort kommen zuerst – überhaupt die Menschen.»


Daniel Krieg | © Boris Burkhardt
15. Februar 2022 | 05:00
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