Jackie Brutsche als Jack Torera im Film «Las Toreras»
Schweiz

Dieser Film bringt Licht in eine dunkle Familiengeschichte

Jackie Brutsche gewinnt für ihren Film «Las Toreras» den Filmpreis der Zürcher Kirchen. Die Jury lobt die Vielschichtigkeit ihres autobiografischen Dokumentarfilmes über den Suizid ihrer Mutter. Schriftsteller und Festredner Pedro Lenz brillierte mit einer Spoken-Word-Performance zum Thema Kunstpreis.

Eva Meienberg

In der Wüste findet Jack Torero das vielarmige, Blitze schleudernde Monster, das seine Mutter jahrelang gequält und schliesslich getötet hatte. Nach einem ringenden Kampf erschlägt er das Ungetüm mit einem Stein.

Filmisches Alter Ego

Jack Torero ist das Alter Ego der Filmemacherin Jackie Brutsche. Das Monster symbolisiert die psychische Krankheit ihrer Mutter, die sich das Leben nahm, als Jackie Brutsche zehn Jahre alt war.

Die Zürcher Regisseurin Jackie Brutsche bei der Preisverleihung.
Die Zürcher Regisseurin Jackie Brutsche bei der Preisverleihung.

Der Film «Las Toreras» ist eine Reise der Filmemacherin in ihre Vergangenheit, in die Heimat der spanischen Verwandten und schliesslich die Heldenreise von Jack Torero.

Dunkles Geheimnis ihrer Kindheit

Vielschichtig stellt sich die Filmemacherin dem dunklen Geheimnis ihrer Kindheit, das stets ihr künstlerisches Schaffen geprägt hatte, sei es als Musikerin oder als Modedesignerin. Sie suche für ihre Themen die jeweils eigene Form, sagte Jackie Brutsche im Gespräch.

Für die Geschichte um den gewaltsamen Tod ihrer Mutter wählte die Filmemacherin einen dokumentarischen Zugang. In zahlreichen Interviews mit ihren spanischen Verwandten kommt das Publikum zur Erkenntnis, dass es die einzige Wahrheit über den Tod der Mutter nicht gibt. Dass aber das Sprechen über die Vergangenheit, über die Geheimnisse, die Schuld und Scham etwas Wahres zu Tage fördern.

Die Jury: Andrea Marco Bianca, Brigitta Rotach, Sophia Rubischung, Baldassare Scolari, Tobias Grimbacher und Moderatorin Christine Starck
Die Jury: Andrea Marco Bianca, Brigitta Rotach, Sophia Rubischung, Baldassare Scolari, Tobias Grimbacher und Moderatorin Christine Starck

Den dokumentarischen Teil des Filmes ergänzt Jackie Brutsche mit einer fiktionalen symbolischen Ebene: In der Inszenierung der inneren Heldenreise des Jack Torero, den die Filmemacherin gleich selbst spielt.

«Theatralische Heldenreise»

«Las Toreras ist ein Film, der hineinzieht und theatralische Heldenreise, Maskenspiel, Dokumentation und Symbolik verbindet. Die Künstlerin Jackie Brutsche bringt Licht in ein dunkles Kapitel ihrer eigenen Familiengeschichte. Dabei entfaltet sich eine Transformation von Trauer und Schuldzuweisung in Verständnis und Versöhnung», heisst es in der Würdigung der Jury des Filmpreises der Zürcher Kirchen. Der Preis wurde am Donnerstagabend, 5. Oktober, im Rahmen des Zürich Film Festival im Folium Sihlcity vergeben.

Christian Jungen, künstlerischer Leiter des Festivals, bei seiner Rede
Christian Jungen, künstlerischer Leiter des Festivals, bei seiner Rede

Christian Jungen, künstlerischer Leiter des Festivals, machte in seiner Ansprache verschiedene Themen in den Festivalfilmen aus. Dazu gehörten die Sozialen Medien, Filme über gute Lehrer und starke Frauen und schliesslich der Glaube als ein Thema, das die Filmschaffenden aktuell besonders umtreibt.

Kirchenbänke am Sonntag leer

Als Kirchgänger erfahre er regelmässig, wie die Kirchenbänke am Sonntag leer blieben. Darum begrüsse er es, wenn die Kirchen zu den Menschen kämen wie hier am Zürcher Film Festival im Rahmen einer Preisverleihung.

Raphael Meyer, Synodalpräsident der Katholischen Kirche des Kantons Zürich
Raphael Meyer, Synodalpräsident der Katholischen Kirche des Kantons Zürich

Raphael Meyer, Synodalratspräsident der katholischen Kirche im Kanton Zürich, schlug in seinem Grusswort den Bogen vom Evangelium zu den Filmen. Sowohl in Filmen wie in der Religion ginge es um Vermittlung von Geschichten, von Gleichnissen. Der oberste Zürcher Katholik ist überzeugt vom Engagement der Zürcher Kirchen am Festival, das 2017 seinen Anfang nahm und will daran festhalten.

Sprachlicher Höhepunkt des Abends war der Auftritt des Festredners Pedro Lenz. Der Schweizer Schriftsteller mit spanischen Wurzeln hat auch Erfahrung mit Drehbüchern.

Amüsiert und beeindruckt

Mit dem Drehbuch zum Film «De Goalie bin ig» gewann er 2014 den Schweizer Filmpreis. In seiner Spoken-Word-Perfomance brachte er in rund fünf Minuten zahlreiche Aspekte eines Kunstpreises zur Sprache. Amüsiert und beeindruckt lauschten die Zürcher Kirchenmenschen der scharfsinnigen, analytischen und durchaus provokativen Rede von Pedro Lenz.

Amüsanter Redner: Pedro Lenz bei der Verleihung des Filmpreises der Zürcher Kirchen 2023
Amüsanter Redner: Pedro Lenz bei der Verleihung des Filmpreises der Zürcher Kirchen 2023

Es sei sinnvoll, dass Institutionen wie die Kirchen einen Filmpreis entrichteten, weil die Kirchen wie die Filmindustrie von ihrem Wesen her nur im Kollektiv denkbar und lebbar seien und nur im gelebten Kollektiv ihre Berechtigung hätten.

Tragische Seite der Kunst

Er gab jedoch zu bedenken, dass ein Anerkennungspreis den Preis nur schwer aufwiegen könne, den eine Künstlerin oder ein Künstler mit der eigenen Existenz bezahle. Es sei der Preis der Ungewissheit, der Unsicherheit, der Preis des ewigen Zweifels, der Einsamkeit und des Unverstandenseins. Kunst zeige gern das Schöne und Edle und verstecke nicht selten eine tragische Seite der Existenz der Kunstschaffenden. Preise dienten darüber hinaus als Rechtfertigung für Menschen, die nicht verstünden, was Kunstschaffende machten. Nicht zuletzt darum seien sie dankbar für einen Preis.

Überaus dankbar zeigte sich Jackie Brutsche über den Filmpreis der Zürcher Kirchen über 10’000 Franken. Im Anschluss an die Preisverleihung wurde der Film «Las Toreras» im Kino Arena nebenan gezeigt.

Mitglieder der Jury 2023

Jurypräsident Andrea Marco Bianca, Vizepräsident des Kirchenrates der Reformierten Kirche Kanton Zürich, Tobias Grimbacher, Synodale der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, Sophia Rubischung, Filmproduzentin und Dozentin, Baldassare Scolari, Religionswissenschaftler mit Fokus Medien- und Kulturforschung und Brigitta Rotach, Theologin, Kulturjournalistin und Co-Präsidentin der Jüdischen-liberalen Gemeinde in Zürich.


Jackie Brutsche als Jack Torera im Film «Las Toreras» | © Filmbringer Distribution AG
6. Oktober 2023 | 16:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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