Legendär: Mit Udo Lindenberg hat Alla Pugatschowa vor Jahren gegen den Krieg gesungen.
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Diese Frau ist für Putin gefährlich: Pugatschowa ist Russlands Königin der Herzen

Alla Pugatschowa (73) ist für Russland das, was Abba für Schweden bedeutet. Seit den 1970er-Jahren hat sie die Rock- und Popmusik in Russland geprägt. Nun kritisiert die Pop-Diva Putins Krieg in der Ukraine. Der Kreml wirkt machtlos.

Wolfgang Holz

Russlands grösster Schlagerstar Alla Pugatschowa geisselte die «illusorischen Ziele» des Angriffskriegs Putins in der Ukraine, die das Land zum «Paria» machten.

Auf Instagram solidarisierte sich die 73-Jährige jüngst mit ihrem Ehemann, dem Komiker Maxim Galkin. Dieser opponierte als einer der ersten russischen Prominenten bereits im Februar offen gegen den russischen Überfall – und landete als «Auslandsagent» auf der schwarzen Liste. Das Paar setzte sich daraufhin mit ihren Kindern nach Israel ab.

Sie will auch «Auslandsagentin» sein

Ende August ist Alla Pugatschowa zur grossen Überraschung aller wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Ohne Mann, aber mit ihren beiden Kindern. Sie bat in ihrem Instagram-Post, sich ebenfalls als «Auslandsagentin» einzustufen, denn sie sei solidarisch mit ihrem Mann. Sie sei schliesslich keine käufliche Patriotin.

Das ist ein unheimlicher Affront gegen Putin. Denn die Gorbatschow-Bekannte hatte sich in der Vergangenheit immer wieder mit Putin gezeigt. Noch 2014 stand Alla Pugatschowa gern mit dem russischen Präsidenten Seite an Seite. Jetzt distanziert sie sich von ihm.

Die Sängerin Alla Pugatschowa geniesst Kultstatus in Russland.
Die Sängerin Alla Pugatschowa geniesst Kultstatus in Russland.

Anders als «Pussy Riot», die in der Christ-Erlöser-Kirche in Moskau für einen öffentlichen Skandal sorgten, kommt Alla Pugatschowa bürgerlich daher. Sie ist keine militante Queer-Aktivistin, sondern spricht tief aus dem Herzen der russischen Seele. Damit könnte sie Putin umso gefährlicher werden.

Signalwirkung für die russische Bevölkerung?

Ihre Brüskierung Putins auf Instagram könnte Signalwirkung haben für die russische Bevölkerung. Bislang gleicht hier der Widerstand gegen den Kremlmachthaber einem zarten Pflänzchen.

Die gebürtige Moskauerin Alla Pugatschowa hat in Russland Kultstatus. Was Abba in Schweden war, ist Alla Pugatschowa in der Sowjetunion. Und ihre Popularität ist ungebrochen.

Erst in den 1980er-Jahren begann sie, sich politisch zu äussern. Ganz nach dem Motto ihres Songs «Nado zhe» (»Wer hätte es gedacht»), der mit der Zeile beginnt: «Eines Tages werde ich besser und weiser sein als heute…»

Sie sprach sich gegen die Kernenergie aus und wandte sich 1985, also noch im Kalten Krieg, mit Udo Lindenberg im Song «Wozu sind Kriege da?» gegen die USA und das Sowjet-Regime. 1987 wurden ihre Lieder sogar verboten, doch nach einer landesweiten Protestwelle wurde das «Njet» wieder aufgehoben. Im gleichen Jahr vertrat sie auch ihre Heimat beim Eurovision Song Contest.

1991 noch Volkskünstlerin der UdSSR

Pugatschowa gilt als russische Patriotin und geniesst deshalb eine hohe Glaubwürdigkeit. Noch 1991 wurde sie zur Volkskünstlerin der UdSSR ernannt und vier Jahre später erhielt sie den Staatspreis der Russischen Föderation. Auch wurde sie mit dem Verdienstorden für das Vaterland ausgezeichnet. Mit mehr als 250 Millionen verkauften Alben gilt sie als grösster Schlagerstar Russlands.

Alla Pugatschowa war zudem mit ihrer ständigen TV-Präsenz eine der schillerndsten Showgrössen Russlands und ihre Ehe mit dem 27 Jahre jüngeren Moderator und Komiker Maxim Galkin ein Dauerthema für die Boulevardmedien.

Zigmillionen Fans

Nun muss der Kreml zu den Protesten der Pop-Diva schweigen, weil die Sängerin Zigmillionen Fans hat, die Präsident Wladimir Putin unterstützen und nicht unnötig aufgebracht werden sollen. Der Politologe Abbas Galljamow, einst Redenschreiber von Präsident Wladimir Putin, sprach von einer «kräftigen Ohrfeige» für den Kreml. «Wenn es im Land noch bedeutende Menschen gibt, über die Konsens herrscht, dann ist das natürlich Pugatschowa.»

 

Alla Pugatschowas Instagram-Post

«Ersuchen an das Justizministerium der Russischen Föderation. Ich bitte darum, mich in die Reihen der ausländischen Agenten meines geliebten Lands aufzunehmen, denn ich bin solidarisch mit meinem Mann, einem ehrlichen, anständigen und aufrichtigen Menschen, einem echten und nicht käuflichen russischen Patrioten, der dem Vaterland ein Aufblühen und friedliches Leben wünscht, Freiheit des Worts und eine Beendigung des Sterbens unserer Jungs für illusorische Ziele, die unser Land zum Ausgestossenen machen und das Leben unserer Bürger erschweren. Alla Pugatschowa»

Mit diesem Instagram-Post stösst Alla Pugatschowa in Russland auf grosse Resonanz. Der Schriftsteller Marius Ivaskevicius führt das auf eine kluge Tonalität zurück: «Man muss die Hörerschaft verstehen, an die sich diese Worte richten, und die Umstände, unter denen sie veröffentlicht wurden. Pugatschowa sagt das nicht aus dem sicheren Ausland, sondern nach der Rückkehr in das von Repressionen terrorisierte Russland. Sie hat ihre Kinder mitgebracht, den verletzlichsten Teil von jemandem», schreibt Marius Ivaskevicius in einem Gastbeitrag für die FAZ.

Was Alla Pugatschowa gepostet habe, sei «im heutigen Russland sehr mutig». Sie zeige damit, dass es an der Zeit sei, «keine Angst mehr zu haben und nicht mehr sklavisch vor dem Grau mit Schulterklappen auf die Knie zu gehen». Stattdessen habe sie sich dafür entschieden, «farbig zu werden» und sich «mit Blut in die Geschichte» einzuschreiben.

Oder, wie es Marius Ivaskevicius in anderen Worten formuliert: «Ich bin Pugatschowa, die Königin der Herzen, was könnt ihr mir tun? Ich lebe und werde leben, wo und wie ich will.» (rr)


Legendär: Mit Udo Lindenberg hat Alla Pugatschowa vor Jahren gegen den Krieg gesungen. | © Keystone
28. September 2022 | 14:33
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