Bedrohtes Eis: der Grosse Aletschgletscher im Wallis.
Schweiz

Die meisten katholischen Landeskirchen wollen sich nicht zum Klimaschutz-Gesetz äussern

Das Klimaschutz-Gesetz geniesst starken Rückhalt bei kirchlichen Organisationen. Das zeigt auch das Bündnis «Christ:innen für Klimaschutz». Doch die meisten katholischen Landeskirchen wollen dort nicht Flagge zeigen. Seit der Konzernverantwortungsinitiative sei eine «riesige Zurückhaltung» spürbar, sagt Kurt Zaugg von «Oeku Kirchen für Umwelt».

Barbara Ludwig

Umweltschutz gehört zu den Top-Themen christlichen Engagements in und für die Welt. Es geht um die Bewahrung der Schöpfung, für die Christinnen und Christen Verantwortung übernehmen müssten. Seit 2015 gibt es mit dem Lehrschreiben «Laudato si» von Papst Franziskus auch die erste päpstliche Umweltenzyklika.

Bündnis kirchlicher Organisationen

Umweltschutz umfasst selbstredend auch den Schutz des Klimas. Kaum erstaunlich also, dass das Klimaschutz-Gesetz bei kirchlichen Organisationen Unterstützung geniesst. Der indirekte Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative will den Verbrauch von Erdöl und Erdgas hierzulande reduzieren, er kommt am 18. Juni an die Urne.

Die Verbrennung fossiler Energieträger hat den Klimawandel verursacht.
Die Verbrennung fossiler Energieträger hat den Klimawandel verursacht.

An vorderster Front engagiert sich das Bündnis «Christ:innen für Klimaschutz» für die Vorlage. Den Anstoss zu dessen Gründung gaben die kirchlichen Hilfswerke Fastenaktion und Heks, der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF), die Evangelischen Frauen Schweiz (EFS), der Verein «Oeku Kirchen für die Umwelt» und Justitia et Pax, die sozialethische Kommission der Schweizer Bischofskonferenz (SBK).

Nur Luzern, Aargau und Thurgau äussern sich

Auf der Webseite der Koalition können Pfarreien, Kirchgemeinden und andere kirchliche Organisationen dokumentieren, dass sie das Klimaschutz-Gesetz unterstützen. Eine Umfrage von kath.ch zeigt nun: Die meisten katholischen Landeskirchen der Deutschschweiz wollen dem Bündnis nicht beitreten. Und dies obschon sich auch die Schweizer Bischofskonferenz positiv zum Klimaschutz-Gesetz geäussert hat – ohne indes eine Parole abzugeben.

Kein Schnee weit und breit im Januar.
Kein Schnee weit und breit im Januar.

Nur die Luzerner, die Aargauer und die Thurgauer Landeskirchen sprechen sich für das Klimaschutz-Gesetz aus. Und bislang dokumentieren einzig die Luzerner ihren Support mit einem Statement auf der Plattform. Aus dem Thurgau hiess es auf Anfrage von kath.ch: «Der Kirchenrat befürwortet ein Ja für das Klimaschutzgesetz.»

Der Aargauer Kirchenrat veröffentlichte am 11. Mai eine Stellungnahme zur Abstimmung, in der er die Anliegen des Gesetzes unterstützt. Der Kirchenrat rufe die Menschen dazu auf, sich mit dem Thema Schutz der Schöpfung auseinanderzusetzen, heisst es darin.

Neun Kantonalkirchen positionieren sich nicht

Neun katholische Kantonalkirchen wollen sich nicht äussern. Dazu zählt Zürich. «Der Synodalrat hat sich entschieden, keine Position zu dieser nationalen Abstimmung zu beziehen», teilt Simon Spengler, Bereichsleiter Kommunikation, mit. Gleichzeitig verweist er auf Daniel Otth, der im Synodalrat für das Ressort Nachhaltigkeit zuständig ist: Otth hat auf der Webseite der Katholischen Kirche im Kanton Zürich eindeutig für die Vorlage Position bezogen.

Meinungsfreiheit der Mitglieder respektieren

In Uri ist die politische Abstinenz praktisch umfassend: Die Landeskirche äussere sich «grundsätzlich» nicht zu Abstimmungen oder sonstigen politischen Vorstössen – «es sei denn die Tätigkeit der Landeskirche wäre davon unmittelbar betroffen», teilt Gunthard Orglmeister, Präsident des Kleinen Landeskirchenrates, mit. «Unter unseren Mitgliedern gibt es bei fast jeder Vorlage Befürworter und Gegner und es ist nicht unsere Aufgabe, diese in politischen Entscheidungen zu beeinflussen.»

Stromfressender Schneemann in der Stube.
Stromfressender Schneemann in der Stube.

Ähnlich tönt es in Nidwalden. Die Landeskirche werde dem Bündnis nicht beitreten, schreibt Monika Dudle-Amman. «Wir erachten die Meinungsfreiheit unserer Mitglieder als wichtigen Wert, daher mischen wir uns grundsätzlich nicht in politische Diskussionen ein», so die Vizepräsidentin des Kleinen Kirchenrates.

«Verhaltenskodex» in St. Gallen

In St. Gallen gibt es einen «Verhaltenskodex». Der Administrationsrat nimmt demnach nur dann Stellung, wenn die Vorlage auf den Katholischen Konfessionsteil (die Kantonalkirche), das Bistum St. Gallen, die Kirchgemeinden oder das religiöse Zusammenleben Einfluss hat. Das teilt Verwaltungsdirektor Thomas Franck mit. Hier gilt also keine umfassende politische Abstinenz.

Die Abstimmung über das Klimaschutz-Gesetz habe einen «indirekten Einfluss», so Franck. Deshalb veröffentliche der Administrationsrat (die Exekutive) keine Abstimmungsempfehlung und trete keinem Komitee bei.

Direkte Betroffenheit notwendig

Graubünden will das Bündnis und damit das Klimaschutz-Gesetz nicht unterstützen. Die Verwaltungskommission (Exekutive) wolle sich bei politischen Themen, die die Landeskirche «nicht im Kern» betreffen, «neutral» verhalten, teilt Präsident Thomas M. Bergamin mit.

Waldbrand in Portugal: der gute Hirte.
Waldbrand in Portugal: der gute Hirte.

In Solothurn war eine Positionierung zur Vorlage bislang kein Thema, teilt Kuno Schmid, Ressort Kommunikation, mit. Die Synode, der Zusammenschluss der Kirchgemeinden im Kanton Solothurn, nehme in der Regel nur dann Stellung zu politischen Vorlagen, wenn sie oder die Kirche direkt davon betroffen seien. Man unterstütze aber Institutionen, die sich im Umweltschutz engagieren, insbesondere den Verein «Oeku Kirchen für die Umwelt».

Restriktive Praxis

Eine ähnliche Zurückhaltung auferlegen sich weitere Landeskirchen. Die Kantonalkirche Schwyz etwa nimmt «nur unter sehr restriktiven Bedingungen» Stellung zu politischen Volksabstimmungen. «Das Klimaschutz-Gesetz erfüllt diese Bedingungen nicht», schreibt Lorenz Bösch, Präsident des Kirchenvorstandes.

Die katholische Kirche Guthirt in Ostermundingen BE warb für die Konzernverantwortungsinitiative.
Die katholische Kirche Guthirt in Ostermundingen BE warb für die Konzernverantwortungsinitiative.

In Basel-Land wird der Landeskirchenrat keine politischen Abstimmungsparolen abgeben. Dies gehöre nicht zu seinem Aufgabenbereich, teilt Dominik Prétôt, Leiter Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, mit. Auch in Schaffhausen ist man strikt: Dort äussert sich die Landeskirche «grundsätzlich» nicht zu politischen Fragen. Das teilt die Verwalterin Barbara Leu mit.

Schweigen, um nicht zu polarisieren

Kurt Zaugg ist Geschäftsleiter der Fachstelle «Oeku Kirchen für Umwelt». Er relativiert das Ergebnis der Umfrage von kath.ch. Er höre aus kirchlichen Kreisen nur Zustimmung zum Klimaschutz-Gesetz. «Aber dies auch öffentlich zu sagen, ist noch einmal etwas anderes», sagt Zaugg. Seit dem umstrittenen Engagement der Kirchen für die Konzernverantwortungsinitiative sei bei den Kirchen eine «riesige Zurückhaltung» spürbar.

Kurt Zaugg-Ott, Geschäftsleiter der Fachstelle "Oeku Kirchen für Umwelt"
Kurt Zaugg-Ott, Geschäftsleiter der Fachstelle "Oeku Kirchen für Umwelt"

Auf reformierter Seite habe bislang keine einzige Landeskirche ein Statement auf der Webseite der Koalition abgegeben. «Es gibt viel Sympathie für die Vorlage, aber die Kirchen schweigen bewusst, um nicht zu polarisieren», so Zaugg. Der Oeku-Geschäftsleiter macht jedoch darauf aufmerksam, dass sich der Rat der Evangelisch-reformierten Kirche (EKS) für eine gesetzliche Verankerung des Klimaschutzes ausgesprochen habe. Es brauche einen «wirksamen gesetzlichen Rahmen, der hilft die Ziele des Pariser Klimaabkommens umzusetzen», hiess es in einer Stellungnahme vom 12. Januar mit Blick auf das Klimaschutz-Gesetz.


Bedrohtes Eis: der Grosse Aletschgletscher im Wallis. | © Raphael Rauch
17. Mai 2023 | 17:21
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