Recep Tayyip Erdogan
International

Die Istanbul-Konvention bekämpft Gewalt gegen Frauen – doch Erdogan trübt die Festlaune

Die Istanbul-Konvention verurteilt Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt. Am Dienstag wird sie zehn Jahre alt. Doch nach Feiern ist niemandem zumute. Die Türkei will aus der Istanbul-Konvention austreten – und im Lockdown hat die Gewalt zugenommen.

Zum zehnten Jahrestag der Istanbul-Konvention am Dienstag betonen Menschenrechtsorganisationen die grosse Bedeutung dieses Europaratsabkommen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt.

Türkei zieht sich aus Konvention zurück

Der Rückzug der Türkei und Ankündigungen anderer Staaten, die Konvention nicht zu ratifizieren, dürften von der europäischen Staatengemeinschaft nicht hingenommen werden, fordert Amnesty International.

Gewalt
Gewalt

Human Rights Watch rief die Unterzeichnerstaaten auf, ihre Anstrengungen gegen Gewalt an Frauen zu verdoppeln. Amnesty rief für Dienstag einen internationalen Aktionstag unter dem Motto «Die Istanbul-Konvention rettet Leben» aus.

Anstieg der Gewalt im Lockdown

Die Menschenrechtler verweisen auf einen deutlichen Anstieg von Berichten häuslicher Gewalt im Zuge der Corona-Lockdowns. Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie verzeichneten Notrufstellen und Frauenhäuser in ganz Europa alarmierend mehr Anrufe betroffener Frauen.

Angst
Angst

Nach Angaben des türkischen Innenministeriums wurden dort im vergangenen Jahr 266 Frauen durch geschlechtsspezifische Gewalt getötet. Frauenorganisationen legten weit höhere Zahlen vor. Die europäische Staatengemeinschaft stehe in der Pflicht, alles daran zu setzen, dass die Istanbul-Konvention nicht durch weitere Austritte untergraben wird, meint Amnesty International.

Zunehmender Antifeminismus

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) betonte, nach wie vor sei die Konvention noch nicht vollständig umgesetzt. Geschlechterspezifische Gewalt existiere weiterhin, obwohl sie eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstelle, erklärt KDFB-Präsidentin Maria Flachsbarth.

Maria Flachsbarth ist Parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Maria Flachsbarth ist Parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

In Zeiten mit erkennbar zunehmendem Antifeminismus, in der Länder ihren Austritt aus der gemeinsamen Konvention verkündeten und häusliche Gewalt in der Corona-Pandemie zugenommen habe, sei ein Eintreten gegen Gewalt an Frauen und Mädchen unerlässlich. Es sei wichtig, auch gegen digitale Gewalt wie Hate Speech oder Cybermobbing vorzugehen, sagte Flachsbarth.

Hilfe für Frauen, die kein Deutsch sprechen

Das Deutsche Institut für Menschenrechte nannte ein flächendeckendes und gut finanziertes Schutz- und Unterstützungssystem im Kampf gegen geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt die beste Prävention vor Gewalt.

Fresko der Schutzmantel-Madonna an der Klosterkirche Disentis.
Fresko der Schutzmantel-Madonna an der Klosterkirche Disentis.

Es müsse für Frauen in unterschiedlichen Lebenslagen gut zugänglich sein, sei es für Frauen mit Behinderung oder für Frauen, die kein Deutsch sprächen, sagte die Direktorin, Beate Rudolf. Die Unterstützung der Betroffenen müsse verstärkt im Fokus der politischen Massnahmen stehen.

Notrufe, Frauenhäuser, medizinische Leistungen

Die Türkei war der erste von 13 Erstunterzeichnerstaaten, der die Konvention ratifizierte. Sie wurde am 11. Mai 2011 von 13 Mitgliedstaaten des Europarats in Istanbul unterzeichnet. Bis März 2020 wurde das Übereinkommen von 45 Staaten unterzeichnet und von 34 ratifiziert. Wenn die türkische Entscheidung nicht rückgängig gemacht wird, tritt der Austritt am 1. Juli in Kraft. Auch eine Ratifizierung auf EU-Ebene steht weiter aus.

Länder, die die Konvention ratifiziert haben, darunter auch Deutschland, sind verpflichtet, die Überlebenden der Gewalt zu schützen und zu unterstützen. Sie müssen zudem Dienstleistungen wie Notrufe, Frauenhäuser, medizinische Leistungen, Beratung und rechtlichen Beistand einrichten. (kna)


Recep Tayyip Erdogan | © Keystone
10. Mai 2021 | 18:54
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