Deutschfreiburg wird nicht immer verstanden, aber nicht vernachlässigt
Freiburg, 3.12.16 (kath.ch) Minderheiten fordern Aufmerksamkeit. Das ist auch in der Kirche nicht anders. Im Bistum Lausanne-Genf-Freiburg sind die deutschsprachigen Katholikinnen und Katholiken in der Minderzahl. Eine neue Struktur für die deutschsprachigen Pfarreien kann deren Wahrnehmung stärken. Probleme wie der Priestermangel können damit aber nicht gelöst werden, sagt Weihbischof Alain de Raemy im Gespräch mit kath.ch.
Martin Spilker
Im Bistum Lausanne-Genf-Freiburg sind die deutschsprachigen Katholiken im Kanton Freiburg eine Minderheit. Diese wünschen mehr Gewicht in der Bistumsleitung. Ist das für Sie nachvollziehbar?
Alain de Raemy: Die deutschsprachigen Katholikinnen und Katholiken des Kantons Freiburg haben mit dem Bischofsvikar für Deutschfreiburg bereits heute, seit es bei uns Bischofsvikariate überhaupt gibt, eine direkte Vertretung im Bischofsrat. Und doch haben die deutschsprachigen Seelsorger manchmal das Gefühl nicht genügend vertreten zu sein. Bischofsvikar Nicolas Glasson, der wegen mangelnden deutschsprachigen Kandidaten vor 4 Jahren eingesetzt wurde, hat letztes Jahr andere Aufgaben zugewiesen bekommen, so dass ich vorübergehend seine Funktion übernommen habe. Bei der Neubesetzung wollten wir aber jetzt unbedingt wieder einen Priester deutscher Muttersprache.
Wir wollten unbedingt wieder einen Priester deutscher Muttersprache
Gestaltete sich die Suche nach einem Nachfolger dermassen schwierig, dass der neue Bischofsvikar Pascal Marcel Marquard sein Amt erst im September 2017 antreten wird?
De Raemy: Die Suche gestaltete sich nicht ganz einfach, das ist richtig. Der Arbeitsbeginn von Pater Marquard wurde aber auf das Ende der jeweils fünfjährigen Amtsperiode der Bischofsvikare gelegt, weil Pater Pascal, wegen wichtigen laufenden Aufgaben in seiner Klostergemeinschaft, sich vorher nicht freistellen konnte. Kommunizieren mussten wir das aber schon vor dem Sommer, da sich seine Gemeinschaft auch neu einrichten muss, und somit viele es dort schon wissen sollten.
Es wird also oft eine höhere Aufmerksamkeit für die sprachlichen Minderheit im Bistum gefordert. Konkret wurde angeregt, aus dem aktuellen Dekanat* Deutschfreiburg eine eigenständige Bistumsregion zu machen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
De Raemy: (lacht) Die Idee einer Bistumsregion habe ich selber in die Diskussion eingebracht. Ein Dekanat ist ja eine Unterteilung einer Region, eines Kantons zum Beispiel. Deutschfreiburg umfasste drei Dekanate. Vor einigen Jahren, wurde es in ein einziges Dekanat zusammengefügt. Die Unterteilung hatte nun keinen Sinn mehr und konnte – als solche – bloss als eines der vielen Dekanate des mehrheitlich französisch sprechenden Kantons falsch verstanden werden. Mit der Benennung «Bistumsregion» können wir klar hervorheben, dass die deutschsprachigen Pfarreien im Bistum eine eigenständige Struktur tatsächlich schon haben und die Katholikinnen und Katholiken eine eigene Aufmerksamkeit weiter verdienen.
Es braucht von den Vertretern der Mehrheit hohe Sensibilität
Genügt eine neue Bezeichnung und ein anderer Rahmen, um dem Gefühl der Vernachlässigung der deutschfreiburger Katholiken wirklich etwas entgegenzusetzen?
De Raemy: Der Eindruck in Deutschfreiburg, im Bistum nicht immer verstanden oder zu wenig wahrgenommen zu werden, der ist nicht von der Hand zu weisen. Das heisst aber nicht, dass wir diesen Bistumsteil und seine Mitglieder vernachlässigen! Es ist wie überall, wo Minderheiten einer Mehrheit gegenüberstehen: Es braucht von den Vertretern der Mehrheit hohe Sensibilität. Das müssen wir uns auch in unserem Bistum immer wieder in Erinnerung rufen.
Die Vereinigung der deutschsprachigen Pfarreien beklagt einen markanten Pfarrermangel in Deutschfreiburg und erhofft sich durch die Gründung einer Bistumsregion Veränderungen. Sehen Sie das auch so?
De Raemy: Es gibt andere Regionen in unserem Bistum, die haben einen gleich starken Priestermangel zu beklagen. Deutschfreiburg ist zum grössten Teil eine sehr ländliche Region, in denen der Priestermangel grundsätzlich stärker ausgeprägt ist. Das ist aber ein Phänomen unserer Zeit, das eine gesamtheitliche Analyse erfordert, und nichts mit Deutschfreiburg zu tun hat. Ich stelle jedoch fest, dass aus Deutschfreiburg seit längerer Zeit keine Priesterberufungen mehr kommen. Ich will darüber nicht urteilen. Aber die Hintergründe sind für mich offen.
Abwerben von Seelsorgern hat meist persönliche Gründe
Wie steht es mit Priestern aus den anderen deutschsprachigen Bistümern oder aus dem Ausland? Wären diese in Deutschfreiburg willkommen?
De Raemy: Wenn es zwischen Pfarreien über die Bistumsgrenzen oder sogar Landesgrenzen zu einem «Abwerben» von Priestern – oder auch Laienseelsorgerinnen und Laienseelsorgern – kommt, dann hat das meistens persönliche Gründe. Das ist sehr oft auch nachvollziehbar. Es kann auch geschehen, dass sich pensionierte Priester gerne an einem von ihnen selbst ausgewählten Ort niederlassen und dann in dieser Pfarrei oder Kloster priesterliche Dienste übernehmen.
Es braucht aber in allen unseren Pfarreien heute auf alle Fälle eine Offenheit für Priester aus anderen Ländern. Es besteht hier Neuevangelisierungsbedarf! Wenn wir aber bei uns Geistliche aus anderen Kontinenten einsetzen, so ist es unbedingt wichtig, dass wir in direktem Kontakt mit dem Heimatbistum dieser Seelsorger stehen und sie hier in unsere Kultur, unsere Geschichte und unseren vielen Eigenarten auf weltlicher und kirchlicher Ebene gut einführen und begleiten. Wir werden aber von ihnen auch bereichert! Sie sind ein Geschenk Gottes, wie es unsere Missionare bei ihnen früher gewesen und mancherorts heute noch sind.
*Dekanat: Der Begriff geht auf die lateinische Ziffer 10 – decem – zurück und meint das Gebiet von rund zehn Pfarreien als Organisationseinheit der Seelsorge.
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