Abt Urban Federer vor dem Klostergründer Meinrad
Schweiz

Das Kloster Einsiedeln schafft den Sprung ins Landesmuseum

Zürich, 15.9.17 (kath.ch) Erstmals ist das Kloster Einsiedeln mit einer grossen Spezialausstellung im Landesmuseum in Zürich präsent. Ihr Titel: «Kloster Einsiedeln. Pilgern seit 1000 Jahren.» Der Entscheid, dazu Hand zu reichen, war nicht einfach, wie Abt Urban Federer an der Medienkonferenz offenlegte.

Regula Pfeifer

Er habe sich in einem Dilemma befunden, als die Anfrage zu dieser Ausstellung kam, gibt der Einsiedler Abt am Mittwoch gegenüber den Medienvertretern unumwunden zu. Denn sein Anliegen ist es nicht, die Vergangenheit auszustellen. «Ich führe das Kloster Einsiedeln in der Gegenwart und in die Zukunft», sagt Federer. Darin sieht er seine Aufgabe. Gleichzeitig war ihm bewusst: «Unserer Klostergemeinschaft ist ein kulturelles Erbe von Jahrhunderten anvertraut.»

Aus dem Dilemma fand er, als er von der Konzeption der geplanten Ausstellung erfuhr. Ihm gefiel, dass nicht die Kunstsammlung des Klosters isoliert dastehen sollte. Vielmehr sollte das Pilgern im Mittelpunkt stehen. Und die ausgestellten Objekte sollten Spuren der Menschen darstellen, die das Kloster aufsuchten – und weiterhin aufsuchen, wie Federer mehrmals hervorhebt.

Der Funke springt

«Kunst als Ausdruck des vertrauensvollen Pilgerns, Kultur als Frucht menschlicher Sehnsucht», bringt der Abt die Idee der Ausstellung auf den Punkt. Solche Fragestellungen und Aussagen interessierten ihn. «Und so konnte ich dazu auch Ja sagen», erklärt er. Und als er erfuhr, dass die Ausstellung im modernen Neubau des Landesmuseums zu sehen sein und moderne und interaktive Technik eingesetzt wird, sprang bei ihm «der Funke».

Und so kommt es, dass dem Kloster Einsiedeln erstmals in seiner über tausendjährigen Geschichte eine umfassende Ausstellung im Landesmuseum gewidmet ist. Eine solch grosse Ausstellung über das Kloster habe es noch nie gegeben, bestätigt Federer gegenüber kath.ch. Eine kleinere habe der Kanton Schwyz einmal gemacht, bei der das Kloster ein paar Objekte ausgeliehen habe, etwa Kleider der Madonna.

«Gepilgert wurde in der Vergangenheit, gepilgert wird auch in der Gegenwart. Und ich bin überzeugt, das wird auch in der Zukunft so sein», sagt der Einsiedler Abt an der Medienkonferenz. Davon zeugen laut Federer insbesondere die Wallfahrten der anderssprachigen Missionen in der Schweiz, die an einem Tag teilweise bis zu 15’000 Pilger und Pilgerinnen nach Einsiedeln bringen. Eine solche Zukunftsvision erscheint in der Ausstellung nicht. Dafür dokumentieren grossformatige Bildschirme – beim Eingang und in den Ausstellungsräumen – die Gegenwart. Videos zeigen die Menschenmenge vor dem Kloster anlässlich einer grossen Wallfahrt nach Einsiedeln sowie individuelle Wanderer auf dem Weg dahin.

Alles, nur nicht die Madonna

Die Ausstellung selbst fokussiert hauptsächlich auf die Vergangenheit. Angefangen beim heiligen Meinrad, der als Statue die Besucherinnen und Besucher nach dem Aufstieg über eine lange Treppe empfängt, und den ersten Raum mit Texten und Bildern füllt. Auf der Klause des Eremiten wurde später das Kloster erstellt. Im folgenden Raum lernen die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher Einsiedeln als Gnadenort und Pilgerziel kennen. Hier fällt vor allem eine mittelalterliche Fake News auf. Eine gefälschte Botschaft von Papst Leo VIII. vermeldete die sogenannte «Engelweihe». Demnach habe Christus persönlich in der Nacht auf den 14. September 948 die neu errichtete Kapelle an der Stelle von Meinrads Klause geweiht. Der Schwindel verhalf der Wallfahrt nach Einsiedeln zu einem Aufschwung. Die Engelweihe wird jährlich am 14. September gefeiert (siehe folgendes Video des Klosters)

Die Kritik der Reformatoren, der neue Aufbruch im 17. Jahrhundert mit dem Bau der heutigen Anlage, dann die Plünderung und Zerstörung durch die Franzosen um 1798 und der Wiederaufbau danach zeigen die wechselhafte Geschichte des Klosters. Weiter liegt der Fokus auf der Schwarzen Madonna, die in Kopie in einer Vitrine steht. «Ihr könnt alles ausstellen, nur nicht die Schwarze Madonna», soll Urban Federer gesagt haben. Die müsse an ihrem angestammten Platz in der Gnadenkapelle als Ziel für alle heutigen Pilger bleiben. An diese Aussage erinnert Markus Bamert an der Medienveranstaltung. Der Verantwortliche für die klösterliche Kunstsammlung hatte dem Abt als erster die Idee einer Ausstellung unterbreitet.

Viele Gegenstände sind noch in Gebrauch

Neben der Madonna-Kopie im Landesmuseum hängt eine Reihe von festlichen Kleidern. Diese haben Gönner seit dem 17. Jahrhundert der Schwarzen Madonna gespendet. Die älteren Kleider stammen von Adligen wie den Hohenzollern, neuere von Gläubigen aus Korea oder Indien. Auch das Plakat zur Ausstellung zeigt ein Kleid der Madonna, nicht aber die Madonna. «Die Lücke müssen die Besucherinnen und Besucher selbst füllen», sagt Federer und empfiehlt: «am besten mit jener Sehnsucht, die so unterschiedliche Leute wie Casanova und Bruder Klaus nach Einsiedeln gebracht haben».

«Viele der in der Ausstellung gezeigten Objekte aus dem Kloster sind für die Mönche Gegenstände des fast alltäglichen Gebrauchs», erklärt die Kuratorin Christine Keller und führt aus: «Viele Gemälde hängen normalerweise in den Gängen der Klausur, die Kleider der Madonna werden regelmässig angezogen, die Goldkelche finden in der Messfeier Verwendung, auch die Monstranz wird bei Prozessionen mitgetragen.» Und die grossen Standeskerzen, die im hinteren Teil der Ausstellung zu sehen sind, stünden normalerweise neben der Gnadenkapelle und würden an bestimmten Tagen angezündet.

Buch mit Benediktregel aus Meinrads Zeit

Viele Gegenstände aus Einsiedeln sind nun erstmals ausserhalb der Klostermauern zu sehen. Das betonen alle Referenten. «Selbst die Handschriften der Benediktsregel, die Meinrad in seine Einsiedlei mitnahm, dürfen wir zeigen», sagt Keller mit einem Dank ans Kloster. Diese Handschrift aus dem 9. Jahrhundert ist das älteste erhaltene Zeugnis der Geschichte des Klosters und wird normalerweise in der Einsiedler Stiftsbibliothek aufbewahrt. Der Abt hat dazu eine besondere Beziehung, wie er im Gespräch mit kath.ch (siehe Spalte) erklärt.

Hinweis: Die Ausstellung im Landesmuseum Zürich dauert vom 16. September bis am 21. Januar 2018.

 

Abt Urban Federer vor dem Klostergründer Meinrad | © Regula Pfeifer
15. September 2017 | 11:30
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Drei Fragen an den Abt von Einsiedeln

Wie ist es für Sie, da mitten in der Ausstellung der klösterlichen Objekte zu stehen?

Urban Federer: Spannend. Ich könnte bei einigen Objekten, die hier hängen, sogar sagen, wo nun die Lücken bei uns sind. Sie stehen in einem neuen Kontext, was aber auch spannend ist, weil man die Objekte so neu sieht.

Wie ist es mit der Spiritualität der Objekte? Geht sie hier verloren?

Federer: Es kommt darauf an, wie der Besucher, die Besucherin durch diese Ausstellung geht. An und für sich gibt es jeweils eine Einbettung. Wenn man dieser folgt, kann man sehen, wofür die Objekte gebraucht werden, wie sie entstanden sind und anderes mehr. Wenn man natürlich nur die Objekte anschaut, dann sind es einfach Objekte, die nichts über sich hinaus erzählen. Gut, dieses Problem haben wir auch in Einsiedeln.

Haben Sie ein Lieblingsobjekt in der Ausstellung?

Federer: Emotional habe ich natürlich die grösste Nähe zum Buch mit der Benediktsregel. Dies, weil dieses Leitbild mein Leben prägt. Und weil ich dieses Buch selber in der Hand hatte während meiner Benediktion in der Kirche, also als ich – wie man landläufig sagt – zum Abt geweiht wurde. Da brachte man mir dieses Buch. Und ich versprach darauf, dass ich im Geiste Benedikts meine beiden Gemeinschaften (Klöster Einsiedeln und Fahr, Anm. der Red.) führen werde. (rp)