Der Kunsthistoriker Markus Bamert betreut die Kunstsammlung des Klosters Einsiedeln seit 2013.
Schweiz

«Gekrönte Häupter gingen im Kloster Einsiedeln aus und ein»

Einsiedeln, 31.3.17 (kath.ch) Die Kunstsammlung des Klosters Einsiedeln sieht aus «wie tausend Jahre Männer, die nichts wegwarfen». Dies sagt der Kunsthistoriker Markus Bamert, der die Sammlung seit 2013 betreut, mit einem Augenzwinkern. Er ist begeistert vom «unglaublichen Schatz», der sich in der Benediktinerabtei im Verlauf der Jahrhunderte ansammelte, wie das Interview mit kath.ch zeigt. Einige Objekte aus der Sammlung werden ab September in einer Ausstellung im Landesmuseum Zürich zu sehen sein.

Barbara Ludwig

Sie betreuen die klösterliche Kunstsammlung seit 2013. Welches sind dabei Ihre Hauptaufgaben?

Markus Bamert: Zu Beginn ging es darum, die Sammlung kennenzulernen. Sie sieht aus wie tausend Jahre Männer, die nichts wegwarfen. Also musste man zunächst einmal das vorhandene Material sichten. Was ist wertvoll, was ist weniger wertvoll? Meine Arbeit besteht primär im Aussortieren und Katalogisieren.

Als ich die Betreuung der Sammlung übernahm, waren gewisse Bestände bereits sehr zweckmässig in einem Zivilschutzraum und in einem Kulturgüterschutzraum untergebracht. Aber ein grosser Teil der Bestände lagerte noch im Estrich. Das ist gerade in Einsiedeln ein absolut ungeeigneter Ort: Im Winter minus 20 Grad, im Sommer 25 bis 30 Grad heiss. 50 Grad Unterschied, das ertragen weder Leinwandbilder noch Skulpturen. Eine weitere Aufgabe besteht deshalb darin, die Objekte in geeignetere Räume im Kellerbereich zu verlegen. Dort sind die Temperaturen viel ausgeglichener.

Wie kamen Sie zum Job als Betreuer der Kunstsammlung?

Bamert: Ich war während 34 Jahren Denkmalpfleger im Kanton Schwyz. Das Kloster habe ich in dieser Zeit in- und auswendig kennengelernt. Ein bis zwei Mal wöchentlich besuchte ich das Kloster für Besprechungen im Zusammenhang mit Restaurierungen.

Ich lernte auch die Mönche und den Abt kennen und hatte ein gutes Verhältnis zu allen. Als ich in Pension ging, dachte ich, es kämen dann schon Telefonanrufe von irgendwoher, wo man meine Hilfe brauchen könnte. Kaum hatte ich das gedacht, kam ein Anruf des damaligen Abts Martin Werlen. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, die Kunstsammlung zu betreuen.

Auch in anderen Klöstern der Schweiz haben sich Kunstschätze angesammelt. Welche Bedeutung hat die Einsiedler Sammlung im Vergleich zu den anderen?

Bamert: Sie ist die bedeutendste klösterliche Kunstsammlung in der Schweiz.

Was macht den Unterschied aus?

Bamert: Alle anderen Sammlungen sind bescheidener. Das Kloster Einsiedeln wurde wegen der Wallfahrt bedeutend. Wo es eine Wallfahrt gibt, hat es viele Pilger und damit auch viele Votivgaben. Und weil Personen aus den höchsten Kreisen der Gesellschaft und einfache Bürger nach Einsiedeln pilgerten und im Kloster Votivgaben als Dank für die Rettung aus einer Notlage abgaben, gelangten sowohl einfachste Gegenstände, aber auch sehr wertvolle in die Kunstsammlung. So kam im Verlaufe der Jahrhunderte ein unglaublicher Schatz zusammen. Auch wenn es zur Zeit der Reformation und während der Franzosenzeit (1792 bis 1815) zu Verlusten kam, ist diese Sammlung sehr gross und bedeutend.

Dann macht vor allem die grosse Zahl der Objekte den Unterschied aus?

Bamert: Nicht nur. Auch die Qualität spielt eine Rolle. Hinzu kommt, dass das Kloster Einsiedeln kontinuierlich besteht. Die Klöster Muri, St. Gallen und Rheinau hingegen wurden aufgehoben.

Sie erwähnten vorhin die Votivgaben von Pilgern. Gab es daneben andere Wege, auf denen die Gegenstände ins Kloster kamen?

Bamert: Durch Kauf. Die Mönchsgemeinschaft benötigte auch Gegenstände für den Alltag. Diese wurden vom Kloster gekauft und landeten teilweise auch in der Kunstsammlung. Wir haben etwa eine einmalig schöne Sammlung von Murano-Gläsern aus dem 17. Jahrhundert, ein Restbestand von Trinkgläsern, der die Jahrhunderte überdauerte.

Man darf nicht vergessen, dass das Kloster einen grossen Grundbesitz hatte und der Abt auch weltlicher Herrscher war. Im sogenannten Hof, einem Bereich ausserhalb der Klausur, empfing und bewirtete der Abt Gäste. Dazu waren entsprechende Räume und entsprechendes Geschirr nötig.

Bekam das Kloster auch Gegenstände geschenkt?

Bamert: Natürlich, immer wieder. Bei den Votivgaben handelt es sich um Geschenke, die direkt im Zusammenhang mit der Kirche standen. Aber dem Kloster wurden auch sonst zahlreiche Gegenstände geschenkt. Wertvolles und weniger wertvolles (lacht).

Bestimmt gab es berühmte Personen, die dem Kloster Geschenke machten.

Bamert: Ja, zum Beispiel Franziska Sibylla Augusta, die Frau des als «Türkenlouis» bekannten Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, der unter Kaiser Leopold I. gegen die Türken kämpfte. Die Markgräfin unterhielt eine intensive Beziehung zu Einsiedeln und brachte dem Kloster ganz tolle Votivgaben. Etwa ein sehr schönes Messgewand, das mit Silberornamenten und mit kleinen Rubinen und Smaragden geschmückt ist. Es ist so schwer, dass man es kaum tragen kann. Darum hat es den Übernamen «Der Panzer».

Ein weiteres Beispiel ist Königin Hortense, die Stieftochter von Kaiser Napoleon I. Sie schenkte 1817 Abt Konrad Tanner eine Diamantenbrosche, die ihrer Mutter Joséphine de Beauharnais gehört hatte. Ebenso einen Ring des Kaisers. Diese Schmuckstücke werden zu den Hightlights der Ausstellung im Landesmuseum gehören.

Gekrönte Häupter gingen in Einsiedeln aus und ein. Zur Sammlung gehören deshalb auch zwei schöne Porträts von Maria Theresia von Österreich und ihrem Gemahl Franz Stephan.

Welche Kunstgattungen sind in der Sammlung vertreten?

Bamert: Alle.

Gibt es einen Schwerpunkt?

Bamert: Die Malerei bildet natürlich einen Schwerpunkt. Es existieren zahlreiche Bilder aus allen Jahrhunderten, vor allem aber aus der Barockzeit. Es gibt aber auch sehr viele Bilder aus dem 19. Jahrhundert. Nicht zur Kunstsammlung gehören die Malereien in der Klosterkirche.

Nebst den Bildern umfasst die Sammlung Skulpturen und kunsthandwerkliche Objekte, darunter etwa Silberschmiedearbeiten und Schnitzereien.

Aus welchen Epochen stammen diese Objekte?

Bamert: Alle Jahrhunderte sind vertreten. Es beginnt mit romanischen Objekten und geht bis in die Moderne. Das Schwergewicht bildet auch da der Barock.

Der Kunsthistoriker Markus Bamert betreut die Kunstsammlung des Klosters Einsiedeln seit 2013. | © Hans Merrouche
31. März 2017 | 08:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Geschichte der Wallfahrt nach Einsiedeln im Landesmuseum in Zürich

Das Schweizerische Nationalmuseum bereitet in enger Zusammenarbeit mit dem Kloster Einsiedeln eine Ausstellung über die Wallfahrt nach Einsiedeln vor. Sie wird den Zeitraum ab dem Hochmittelalter bis heute umfassen und dauert vom 16. September 2017 bis Ende Januar 2018.

Den Anstoss für die Ausstellung gab der ehemalige Denkmalpfleger des Kantons Schwyz, Markus Bamert, der die Kunstsammlung der Benediktinerabtei Einsiedeln betreut (siehe Interview).

Wie der Kunsthistoriker bereits im Februar 2015 gegenüber kath.ch sagte, geht es ihm besonders darum, die Bedeutung, welche der Wallfahrtsort Einsiedeln nach wie vor für den gesamten europäischen Raum habe, einem breiteren Publikum vorzuführen.

Die Ausstellung behandelt die Geschichte der Wallfahrt nach Einsiedeln, darunter auch die Geschichte der Gnadenkapelle und der Schwarzen Madonna, und die Entwicklung der Abtei als Ganzes. Deren Geschichte sei von der Wallfahrtsgeschichte nicht zu trennen, sagte Bamert bei einem Besuch von kath.ch im Kloster Einsiedeln.

Der Kunsthistoriker war mitbeteiligt an der Ausarbeitung des Konzepts, der Festsetzung der inhaltlichen Schwerpunkte und der Auswahl des Ausstellungsgutes. Das Publikum bekommt Dokumente aus dem Klosterarchiv, Handschriften aus der klösterlichen Bibliothek, liturgische Objekte aus der Sakristei und Objekte aus der Kunstsammlung zu sehen. Zur letzten Kategorie zählen auch Votivgaben von Wallfahrern, die sich während der Jahrhunderte ansammelten. Die meisten Objekte der Ausstellung werden laut Bamert erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. (bal)