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Schweiz

Darf sich eine katholische Organisation für Sex-Arbeit aussprechen?

Aufregung unter Feministinnen: Ausgerechnet der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) will Sex-Arbeit entstigmatisieren – und lehnt das Sexkaufverbot ab, wie es das nordische Modell vorsieht. «Für uns ist der Spagat zwischen pragmatischen Lösungen und Idealismus nicht leicht», sagt SKF-Sprecherin Sarah Paciarelli.

Raphael Rauch

Das älteste Gewerbe der Welt sorgt aktuell für Schlagzeilen. Und mittendrin ist der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF). «Der SKF setzt sich für die Entstigmatisierung der Prostitution ein», teilte der Frauenbund am Mittwoch zum Weltfrauentag mit. 

Es gibt zwei Lager

«Frauen in der Prostitution sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert, üben ihren Beruf deshalb oft im Verborgenen aus oder führen ein Doppelleben. Die Stigmatisierung der Sexarbeit führt zu Diskriminierungen und stellt eine psychische Belastung dar», heisst es im Positionspapier. Die «Ächtung» von Sexarbeitenden führe «zu Problemen bei der Wohnungssuche, Nachteilen in Sorgerechtsfragen, sozialer Ausgrenzung und Problemen beim Wiedereinstieg in einen konventionellen Beruf».

Die Haltung des Frauenbunds war vor allem auf Twitter ein Thema. «Es gibt grob zwei Lager», sagt SKF-Sprecherin Sarah Paciarelli. «Die einen wollen ein Sexkaufverbot für Freier, um die Nachfrage gesetzlich zu drosseln. Die anderen wollen bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für Sexarbeitende.»

«Letzten Endes wollen wir dasselbe»

Zum ersten Lager gehöre etwa die «Zürcher Frauenzentrale», die das skandinavische Modell favorisiert. In Ländern wie Schweden ist die Inanspruchname sexueller Dienstleistungen gegen Entgelt verboten. Dabei werden also nicht die Sexarbeitenden bestraft, sondern deren Kundinnen und Kunden.

Laut Sarah Paciarelli ist der Dissens zu anderen feministischen Positionen kein Problem: «Letzten Endes wollen wir dasselbe, nämlich die Not und das Leid lindern, unter dem viele Frauen in der Prostitution leiden. Auch für uns ist der Spagat zwischen pragmatischen Lösungen und Idealismus nicht immer leicht.»

«Verbote verbessern weder Lebens- noch Arbeitsbedingungen»

Es gibt Frauen, für die Sexarbeit aus Not leider die einzige Option ist. Und es gibt Frauen, die dieser Tätigkeit absolut selbstbestimmt nachgehen. Sie alle haben würdige Bedingungen verdient. In einer idealen Welt gebe es keine Prostitution aus Not und Armut, sagt Sarah Paciarelli. Die Welt sei aber nun einmal, wie sie ist. Daher habe sich der SKF «für einen realpolitischen Ansatz entschieden, denn Verbote, Kriminalisierung und Stigmata helfen den Frauen nicht».

SKF-Sprecherin Sarah Paciarelli.
SKF-Sprecherin Sarah Paciarelli.

Statt Sex-Arbeit pauschal zu stigmatisieren, sei es notwendig, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung zu bekämpfen. «Verbote und Kriminalisierung wie in Schweden beseitigen keine Armut, keine Gewalt, keine Ausbeutung, keine strukturelle Gewalt, keine Vulnerabilität, keine psychischen und physischen Risiken. Sie verbannen Sexarbeit samt allen Risiken in die Illegalität. Kurzum: Verbote verbessern weder Lebens- noch Arbeitsbedingungen», ist Sarah Paciarelli überzeugt. 

«Wir stehen an der Seite der Sex-Arbeiterinnen»

Doch darf eine katholische Organisation sich für Sex-Arbeit aussprechen? «Wir stellen die Menschen ins Zentrum», sagt Sarah Paciarelli. «Wem das Leid, das mit Prostitution einhergehen kann, ein Dorn im Auge ist, muss sich für die Armutsbekämpfung und für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen.»

Rotlichtmilieu in Zürich: die Langstrasse.
Rotlichtmilieu in Zürich: die Langstrasse.

Es sei ein katholischer Wert, solidarisch mit Menschen in Not zu sein und Menschen nicht auszugrenzen. Deswegen sei die Position des Frauenbunds mit dem katholischen Leitbild des SKF vereinbar, versichert Paciarelli. Es habe verbandsintern hierzu eine virtuelle Sitzung mit den SKF-Kantonalverbänden gegeben. Die Vertreterinnen seien sich einig gewesen: «Wir stehen an der Seite der Sex-Arbeiterinnen.»


Werbung für Rotlicht-Viertel | © Georges Scherrer
9. März 2023 | 15:36
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