Daniel Kosch beobachtet den Synodalen Weg in Deutschland.
Kommentar

Daniel Kosch verteidigt Synodalen Weg: Die Einwände der römischen Instanzen sind unbegründet

Nach dem Rüffel-Brief aus Rom ist der Theologe Daniel Kosch überzeugt: «Rom will auch in synodalen Strukturen an der monarchischen Machtposition des Bischofs ohne Konzession festhalten.» Er hofft, dass die Deutschen Kurs halten: «Der synodale Ausschuss soll das Projekt kirchenrechtskonform umsetzen, wie schon der Synodale Weg kirchenrechtskonform ist.» 

Daniel Kosch*

Die Auseinandersetzung zwischen den römischen Instanzen und den deutschen Bischöfen um den Synodalen Weg spitzt sich weiter zu. Dies auch deshalb, weil eine konservative Minderheit dieser Bischöfe sich in ihrem Kampf gegen eine Synodalisierung der kirchlichen Strukturen erneut aktiv und erfolgreich um Schützenhilfe aus dem Vatikan bemüht hat.

Rechtliche Bedenken sind unbegründet

Mit einem vom Papst «in forma specifica» approbierten, gewissermassen «letztinstanzlichen» Brief haben drei hochrangige Kardinäle versucht, die Vorarbeiten für einen Synodalen Rat zu stoppen. Sie begründen dies mit dem Argument, ein solcher Rat würde eine neue «Leitungsstruktur bilden» und sich «über die Autorität der Deutschen Bischofskonferenz stellen». Der Brief soll «klarstellen», dass weder der Synodale Weg noch eine Bischofskonferenz «die Kompetenz haben, den ‹Synodalen Rat› auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten».

Wie schon bei der letzten römischen Intervention im Sommer 2022 bleibt im Schreiben aus Rom unberücksichtigt, dass die Beschlüsse eines solchen Synodalen Rates, genau wie jene des Synodalen Weges, «von sich aus keine Rechtswirkung» entfalten. 

Bischof Georg Bätzing will Kurs halten

«Die Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Rechtsnormen zu erlassen und ihr Lehramt auszuüben, bleibt durch die Beschlüsse unberührt» (Satzung des Synodalen Weges). Die Einwände der römischen Instanzen sind also unbegründet. Das ist den Verfassern des Briefes zweifellos bekannt, während die Frage offenbleiben muss, ob es auch dem Papst in letzter Konsequenz klar ist, der den Prozess zwar offenbar besorgt verfolgt, aber immer auf möglichst grosse Distanz zum Hick-Hack zwischen kurialen Behörden und deutschen Bischöfen geachtet hat.

Nach den Beratungen des Briefes im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat Georg Bätzing als deren Vorsitzender mit Zustimmung «eines grossen Teils des ständigen Rates» öffentlich erklärt, den synodalen Beschluss zur Einrichtung eines Synodalen Ausschusses trotz des Schreibens aus Rom umsetzen zu wollen. 

Auch der synodale Ausschuss ist kirchenrechtskonform

Denn die «Sorge, dass ein neues Gremium über der Bischofskonferenz stehen oder die Autorität der einzelnen Bischöfe aushebeln könnte, [ist] nicht begründet». Vorgesehen ist nichts anderes als eine Struktur, die die Weiterarbeit in der Art des Synodalen Weges und mit der gleichen rechtlichen (Un)Verbindlichkeit ermöglichen soll, zumal der Synodale Weg im März endet, die Arbeit aber keineswegs abgeschlossen ist. Der synodale Ausschuss soll das Projekt kirchenrechtskonform umsetzen, wie schon der Synodale Weg kirchenrechtskonform ist.

Dreierlei ist an diesen Vorgängen über Deutschland hinaus bemerkenswert:

  • Rom will auch in synodalen Strukturen an der monarchischen Machtposition des Bischofs ohne Konzession festhalten. Es darf kein Zweifel daran entstehen, dass er und nur er für «Entscheidungen» zuständig ist. Kontrolle und Teilung von Macht sind jedenfalls bisher nicht vorgesehen. Auf Dauer gestellte synodale Gremien, die öffentlich tagen, werden selbst dann als Infragestellungen der kirchenamtlichen Autorität beurteilt, wenn sie keinerlei echte Entscheidungskompetenz haben, aber immerhin die Ergebnisse ihrer Beratungen und ihre Handlungsempfehlungen in eigener Kompetenz verabschieden und veröffentlichen dürfen.
  • Eine Bischofskonferenz hat – jedenfalls bisher – den Mut, sich in ihrem Bemühen nicht einschüchtern zu lassen, ihren Spielraum zu nutzen und an gemeinsamer Beratung und Verabschiedung von Orientierungstexten und Handlungstexten ohne rechtlich bindende Wirkung festzuhalten. Nicht mehr nur die Kirchenbasis, sondern auch höchste Amtsträger stellen das Prinzip «Roma locuta – causa finita» («Rom hat gesprochen – die Sache ist entschieden») in Frage. Diesbezüglich hat sich die Diskussionskultur seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus tiefgreifend verändert – bis hinein ins Kardinalskollegium.
  • Synodale Prozesse und die in Texte gefassten Ergebnisse dieser Prozesse entfalten Wirkung, machen ihren Weg und verändern sowohl die Kirche als auch die Bischöfe bis zu einem gewissen Grad unabhängig von ihrer rechtlichen Verbindlichkeit. 

Das dürfte auch der tieferliegende Grund für die erneute Intervention aus Rom sein: Auf Dauer gestellte synodale Strukturen, in welche die Bischofskonferenz eingebunden sind, sorgen unweigerlich für eine «heilsame Dezentralisierung» und dafür, dass sich der «sensus fidelium» artikuliert, der Glaubenssinn des Volkes Gottes. Auf lange Sicht verändert das die Kultur, das Selbstverständnis und das Bild von Kirche, was manche freut, andere aber zu ängstigen und massiv zu bedrohen scheint.

Der Synodale Weg hat Signalwirkung für die Weltkirche

Der Synodale Weg in Deutschland mag kirchenrechtlich zwar – wie Kritiker sagen – ein «Nullum» sein. Aber nur schon die Aufmerksamkeit, die Rom ihm schenkt, und die Hartnäckigkeit, mit der die deutschen Bischöfe an ihm festhalten, beweisen, dass es sich um einen Prozess mit einer gewissen Sprengkraft handelt. 

Es ist zu hoffen, dass die letzte Synodalversammlung anfangs März diese nicht reduziert, sondern mit ihren letzten Beschlüssen gute Voraussetzungen für die Weiterarbeit schafft. Denn das Ergebnis, von dem wir jetzt schon wissen, dass es ein Zwischenergebnis sein wird, hat mindestens innerkirchlich über Deutschland hinaus Signalwirkung.

Es gibt keinen Weg zurück

Ob der weltkirchliche synodale Prozess eine ähnliche Dynamik entfalten kann, ist offen. Es hängt nicht zuletzt davon ab, ob es eine genügende Zahl von Beteiligten (Bischöfe und andere) gibt, die das wirklich wollen. Zudem müssten zuerst kontinental, vor allem aber auch interkontinental Arbeitsprozesse in Gang kommen, die zu Texten führen, die so gut abgestützt und so klar sind, dass sie von den Synodalen Versammlungen in Rom im Oktober 2023 und 2024 nicht einfach übergangen werden können. 

Ein Blick in die Geschichte des Vatikanums II und der anschliessenden Synoden in Würzburg, in den Niederlanden, in Lateinamerika, in der Schweiz und anderswo zeigt: Ohne sehr viel Arbeit, ohne Lösungsorientierung, ohne Kämpfe und Kompromisse sind gute Ergebnisse nicht zu haben. Gerade deshalb ist es wichtig, die aktuellen Prozesse auch in diesem grösseren Kontext synodaler Vorhaben zu sehen, zu verstehen und voranzubringen.

Am «Anfang eines Anfangs»

Leider ist auch mit Rückschlägen und damit zu rechnen, dass die Ergebnisse hinter den hochgesteckten Zielen zurückbleiben. Sprach der Konzilspapst Johannes XXIII. bei der Eröffnung des Zweiten Vatikanums von einem «Sprung nach vorn», bilanzierte der Konzilstheologe Karl Rahner in der Rückschau lediglich, aber immerhin den «Anfang eines Anfangs».

* Der Theologe Daniel Kosch war von 2001–2022 Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und nimmt als einer der internationalen Beobachter beim Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland teil.


Daniel Kosch beobachtet den Synodalen Weg in Deutschland. | © KNA
24. Januar 2023 | 10:22
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